Neue Repräsentativbefragung des IMK
Lockerung der Schuldenbremse findet deutlichen Rückhalt in der Bevölkerung, insbesondere das Sondervermögen für Investitionen
Die Lockerung der Schuldenbremse vom Frühjahr findet deutlichen Rückhalt in der Bevölkerung. Das zeigt eine neue Studie auf Basis einer repräsentativen Befragung im Auftrag des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der Hans-Böckler-Stiftung*.
41 Prozent der Menschen in Deutschland befürworten die Reform „stark“ oder „eher“, weitere 22 Prozent stehen ihr neutral gegenüber, während sich 37 Prozent ablehnend äußern. Das 500-Milliarden Sondervermögen für Infrastruktur und Klimaneutralität als eine von drei zentralen Komponenten der Reform befürwortet sogar eine knappe absolute Mehrheit von 51 Prozent der 2700 zwischen Anfang Oktober und Anfang November online Befragten, bei der sogenannten Bereichsausnahme zur Kreditfinanzierung höherer Verteidigungsausgaben sind es 49 Prozent. Weitere rund 16 bzw. 20 Prozent stehen diesen beiden Reformelementen neutral gegenüber. Weniger Zustimmung findet die erweiterte Verschuldungsmöglichkeit für die Bundesländer. 38 Prozent der Befragten befürworten dieses dritte Element der Reform, knapp 26 Prozent sehen es neutral.
Die Investitionen für Infrastruktur und Klimaschutz finden auch die breiteste Unterstützung, wenn man die Antworten nach Alter sowie Parteipräferenzen differenziert: In fast allen Altersgruppen, inklusive der jüngsten unter 30 Jahren, befürworten mehr als 50 Prozent das Sondervermögen, lediglich unter den Befragten zwischen 45 und 65 Jahren liegt die Zustimmung mit knapp 48 Prozent etwas niedriger. Und neben den Anhänger*innen von Union, SPD und Grünen, die die Reform der Schuldenbremse insgesamt mit Werten zwischen 58 und 63 Prozent mehrheitlich befürworten, findet der 500-Milliarden-Topf für Infrastruktur auch unter Befragten, die mit der Linken oder der FDP sympathisieren, eine absolute Mehrheit. Bemerkenswert ist dabei auch die hohe Zustimmungsquote von rund 65 Prozent der Unions-Anhänger*innen. Dagegen stehen vor allem Anhänger*innen der AfD, von denen jeweils gut zwei Drittel das Sondervermögen und die Reform der Schuldenbremse insgesamt ablehnen. Von den Anhänger*innen des BSW sind rund 44 Prozent gegen das Sondervermögen.
Auch bei der grundsätzlichen Frage, für welche Ausgaben der Staat Kredite aufnehmen dürfen sollte, liegen öffentliche Investitionen mit 59 Prozent Zustimmung unter allen Befragten vorne, bei Verteidigungsausgaben befürworten das 52 Prozent. Insgesamt legten die Ergebnisse damit nahe, dass der Meinungsumschwung weg von einer sehr strengen und unflexiblen Schuldenregel, der sich bereits in Umfragen aus der Zeit der Bundestagswahl abzeichnete, bislang recht stabil sei, schlussfolgern die Studienautoren Dr. Jan Behringer und Lukas Endres vom IMK. „Die veränderte Haltung zur Schuldenbremse deutet darauf hin, dass viele Menschen die gegenwärtigen wirtschaftlichen und geopolitischen Herausforderungen als so gravierend erachten, dass eine höhere Staatsverschuldung als vertretbar angesehen wird“, schreiben die Forscher. Und das, obwohl 62 Prozent der Befragten mit einer „deutlich“ höheren Schuldenquote rechnen.
Die aus den Umfragedaten ablesbare „Neubewertung der Schuldenbremse“ in Teilen der Bevölkerung und die erhöhte Akzeptanz, die „vor allem zweckgebundene Formen der staatlichen Kreditaufnahme“ fänden, lieferten Hinweise, „dass Weiterentwicklungen der Schuldenregel, die Raum zur Finanzierung öffentlicher Investitionen schaffen, in der Bevölkerung auf breite Zustimmung stoßen dürften“, so Behringer und Endres. Aktuell befasst sich eine von der Bundesregierung eingesetzte Expert*innenkommission mit einer weiteren Reform der Schuldenregel, die zwei Ziele erreichen soll: Dauerhaft zusätzliche Investitionen in die Stärkung Deutschlands ermöglichen und gleichzeitig eine tragfähige Entwicklung der öffentlichen Finanzen sicherstellen.
Prof. Dr. Sebastian Dullien, der wissenschaftliche Direktor des IMK und Mitglied der Kommission, hebt noch einen anderen Aspekt der Befragungsergebnisse hervor: „Viele Menschen haben eine realistische Vorstellung davon, dass sich der auch durch die alte Schuldenbremse verursachte gigantische Investitionsstau in Deutschland durch Sondervermögen und Co. zwar verkleinern, aber allein damit nicht auflösen lässt.“ So rechnen rund 63 Prozent der Befragten als Folge der Reform vom Frühjahr mit einer Erhöhung der Verteidigungsfähigkeit, 51 Prozent erwarten Qualitätsverbesserungen bei der öffentlichen Infrastruktur und knapp 45 Prozent Rückenwind für die Wirtschaftsleistung. Allerdings meint jeweils ein erheblicher Anteil in diesen Gruppen, dass die erwarteten positiven Effekte nicht besonders groß ausfallen werden.
„Ich ziehe daraus zwei Schlüsse: Erstens gibt es in der Gesellschaft ein erhebliches Bewusstsein dafür, dass wir längerfristig am Ball bleiben müssen, um die Versäumnisse von Jahrzehnten zu heilen, da reicht das Sondervermögen einfach nicht“, sagt Dullien. „Und zweitens muss die Regierung wirklich alles daran setzen, dass die Finanzmittel aus dem Sondervermögen möglichst umfassend zur Finanzierung zusätzlicher Investitionsprojekte verwendet werden, so wie angekündigt. Die Umfragedaten legen auch nahe, dass es da eine gewisse Skepsis gibt.“
In einer gemeinsamen Studie mit dem Institut der Deutschen Wirtschaft hatte das IMK bereits 2024 den öffentlichen Investitionsbedarf – ohne den Gesundheitsbereich – auf mindestens 600 Milliarden Euro in damaligen Preisen geschätzt. Da das Sondervermögen bis Mitte der 2030er Jahre ausgegeben werden soll und bis dahin die Preise absehbar weiter steigen, könnte das Sondervermögen selbst bei idealer Nutzung ausschließlich für zusätzliche Investitionen bestenfalls zwei Drittel der Investitionslücke abdecken, so Dullien. „Deutschland braucht auch nach dem Sondervermögen zusätzliche Spielräume für mehr kreditfinanzierte Investitionen“, folgert der Wissenschaftler.
Dr. Jan Behringer
IMK-Experte für die Makroökonomie der Einkommensverteilung
Tel.: 0211-7778-334
E-Mail: Jan-Behringer@boeckler.de
Lukas Endres
IMK
E-Mail: Lukas-Endres@boeckler.de
Rainer Jung
Leiter Pressestelle
Tel.: 0211-7778-150
E-Mail: Rainer-Jung@boeckler.de
*Jan Behringer, Lukas Endres: Lockerung der Schuldenbremsen 2025 findet deutlichen Rückhalt in der Bevölkerung. IMK Policy Brief Nr. 205, Dezember 2025. Download: https://www.boeckler.de/de/faust-detail.htm?produkt=HBS-009294
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten
Gesellschaft, Politik, Wirtschaft
überregional
Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
Deutsch

Sie können Suchbegriffe mit und, oder und / oder nicht verknüpfen, z. B. Philo nicht logie.
Verknüpfungen können Sie mit Klammern voneinander trennen, z. B. (Philo nicht logie) oder (Psycho und logie).
Zusammenhängende Worte werden als Wortgruppe gesucht, wenn Sie sie in Anführungsstriche setzen, z. B. „Bundesrepublik Deutschland“.
Die Erweiterte Suche können Sie auch nutzen, ohne Suchbegriffe einzugeben. Sie orientiert sich dann an den Kriterien, die Sie ausgewählt haben (z. B. nach dem Land oder dem Sachgebiet).
Haben Sie in einer Kategorie kein Kriterium ausgewählt, wird die gesamte Kategorie durchsucht (z.B. alle Sachgebiete oder alle Länder).