1300 Seiten, die einem besonderen Wort gewidmet sind: Dr. Luca Ciucci von der Universität Passau gehört zu den Herausgebern eines Werks, das analysiert, wie die Sprachen der Welt mit dem Verb „sein” umgehen.
Das Verb „sein“ ist ein besonderes Wort. Es sieht aus wie ein Verb, aber wenn es in einem Satz verwendet wird, hat es andere Eigenschaften als ein typisches Verb. Es kann eine Kopula sein, ein verbindendes Wort, wie in „das ist hier die Frage“, oder ein Hilfsverb wie in „das Buch ist erschienen“. Aber warum ist das so? Und wie wird es in anderen Sprachen der Welt ausgedrückt?
Dr. Luca Ciucci von der Universität Passau gehört zu den Linguisten, die vor kurzem ein mehrbändiges Werk veröffentlicht haben, das künftig als Referenz zur nonverbalen Prädikation dienen könnte. „Wir Linguistinnen und Linguisten sprechen von ‚nicht-verbaler Prädikation‘, weil ‚sein‘ aus technischer Sicht kein richtiges Verb ist, sondern eher ein verb-ähnliches Element“, erklärt Dr. Ciucci. Das Buch ist das Ergebnis einer fünfjährigen Forschungsarbeit und einer Zusammenarbeit von 40 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aus aller Welt.
Ein seltenes Phänomen in den Zamuco-Sprachen
Dr. Ciucci konzentrierte sich auf Sprachen aus traditionell wenig beschriebenen Sprachfamilien, wie beispielsweise die der Zamuco. Dazu zählt Chamacoco, eine indigene Sprache mit etwa 2500 Sprechern im Norden Paraguays. Als er diese 2009 untersuchte, fiel ihm ein ungewöhnliches Muster auf: Substantive erschienen in kürzeren Formen, wenn sie in Konstruktionen verwendet wurden, die im Deutschen „sein” erfordern würden. Zum Beispiel fehlt in owa tɨmchar („du bist eine Frau”) die Kopula, während die vollständige Substantivform in Verbalphrasen wie tɨmcharrza uushɨ („die Frau rennt”) vorkommt. Später zeigte eine von ihm mitverfasste Vergleichsstudie, dass die Auslassung der Kopula sprachübergreifend häufig vorkommt – wie im Ungarischen János tanár, wörtlich „János Lehrer”. Das Zamuco-System, in dem kürzere Substantive die Rolle der Kopula übernehmen, ist jedoch außergewöhnlich selten.
Nonverbaler Prädikation systematisch auf der Spur
Das gab Anlass für ein Forschungsprojekt mit dem Ziel, nonverbale Prädikation systematisch zu untersuchen. 2020 tat sich Dr. Ciucci, der zu dieser Zeit als Forscher an der James Cook University im australischen Cairns tätig war, mit Prof. Dr. Pier Marco Bertinetto von der Scuola Normale Superiore in Pisa, Italien, und Prof. Dr. Denis Creissels von der Université Lumière Lyon 2 in Frankreich zusammen.
Die Arbeit gipfelte nun in der Veröffentlichung „Non-verbal predication in the world’s languages: A typological survey” (Nonverbale Prädikation in den Sprachen der Welt: Eine typologische Untersuchung). Sie erschien in der Reihe „Comparative Handbooks of Linguistics” (Vergleichende Handbücher der Linguistik) von De Gruyter Mouton. Sie besteht aus zwei Bänden mit mehr als 1300 Seiten und enthält detaillierte Beschreibungen ausgewählter Sprachen und Sprachfamilien aus Eurasien, Amerika, Afrika und Ozeanien.
Zur Person
Dr. Ciucci forscht seit 2024 am Lehrstuhl für Multilinguale Computerlinguistik unter der Leitung von Prof. Dr. Johann-Mattis List an der Universität Passau. Er hat an der Scuola Normale Superiore (Pisa) mit Auszeichnung in Modernen Sprachen und Linguistik promoviert, wo er untersuchte, wie Wörter ihre Form verändern, um grammatikalische Bedeutungen in den Zamuco-Sprachen Boliviens und Paraguays auszudrücken. Der Linguist dokumentiert bedrohte Sprachen und untersucht ihre historischen Quellen, um die damit verbundenen kulturellen und sprachlichen Veränderungen besser zu verstehen. An der Universität Passau ist er Teil der ERC-Forschungsgruppe „ProduSemy“, die Algorithmen einsetzt, um die Evolution von Wortfamilien zu verfolgen, ein Thema, über das Linguistinnen und Linguisten nur wenig wissen.
Dr. Luca Ciucci
Lehrstuhl für Multilinguale Computerlinguistik
Universität Passau
Mail: luca.ciucci@uni-passau.de
https://www.degruyterbrill.com/serial/chl-9-b/html
https://www.digital.uni-passau.de/beitraege/2025/nonverbale-praedikation Beitrag im Forschungsmagazin von Dr. Ciucci über seine Faszination für das Wort „Sein“
Das Verb „sein“, das in Shakespeares Hamlet große existenzielle Fragen aufwirft, beschäftigt auch di ...
Quelle: Universität Passau
Copyright: Universität Passau
Dr. Luca Ciucci präsentiert sein mehrbändiges Werk über nonverbale Prädikation.
Quelle: Universität Passau
Copyright: Universität Passau
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Lehrer/Schüler, Studierende, Wissenschaftler, jedermann
Sprache / Literatur
überregional
Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
Deutsch

Das Verb „sein“, das in Shakespeares Hamlet große existenzielle Fragen aufwirft, beschäftigt auch di ...
Quelle: Universität Passau
Copyright: Universität Passau
Dr. Luca Ciucci präsentiert sein mehrbändiges Werk über nonverbale Prädikation.
Quelle: Universität Passau
Copyright: Universität Passau
Sie können Suchbegriffe mit und, oder und / oder nicht verknüpfen, z. B. Philo nicht logie.
Verknüpfungen können Sie mit Klammern voneinander trennen, z. B. (Philo nicht logie) oder (Psycho und logie).
Zusammenhängende Worte werden als Wortgruppe gesucht, wenn Sie sie in Anführungsstriche setzen, z. B. „Bundesrepublik Deutschland“.
Die Erweiterte Suche können Sie auch nutzen, ohne Suchbegriffe einzugeben. Sie orientiert sich dann an den Kriterien, die Sie ausgewählt haben (z. B. nach dem Land oder dem Sachgebiet).
Haben Sie in einer Kategorie kein Kriterium ausgewählt, wird die gesamte Kategorie durchsucht (z.B. alle Sachgebiete oder alle Länder).