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15.12.2025 13:19

Verborgene Partner: Symbiotische Bakterien klären Abwasser –– doch nicht ganz ohne Tücken

Dr. Fanni Aspetsberger Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Max-Planck-Institut für Marine Mikrobiologie

    In Kläranlagen auf der ganzen Welt gedeihen verborgene, mikroskopisch kleine Partnerschaften, nun entdeckt von einem internationalen Forschungsteam unter Leitung des Max-Planck-Instituts für Marine Mikrobiologie. Die winzigen Verbündeten – spezialisierte Bakterien, die in einzelligen Wirtstieren leben – spielen eine überraschende Rolle sowohl bei der Reinigung des Abwassers als auch bei der potenziellen Entstehung von Treibhausgasen.

    Eine vielfältige Gemeinschaft von Mikroorganismen entfernt in Kläranlagen Schadstoffe aus landwirtschaftlichen, industriellen und häuslichen Abwässern und ist damit unerlässlich zum Schutz unserer Gesundheit und der Umwelt. Bislang konzentrierte sich die Forschung vor allem auf freilebende Bakterien innerhalb dieser Gemeinschaft. Eine neue Studie zeigt nun, dass auch mikrobielle Symbiosen – Bakterien, die in anderen Mikroorganismen leben – dort weit verbreitet und aktiv sind.

    Mikroorganismen im Team

    Vor einigen Jahren entdeckte ein Forschungsteam um Jana Milucka vom Max-Planck-Institut für Marine Mikrobiologie seltsame winzige Partnerschaften: Bakterien, die symbiontisch zusammenleben mit Ciliaten – das sind einzellige Lebewesen, die überall dort vorkommen, wo es Wasser gibt. Die Symbionten versorgen ihre Wirte, die Ciliaten, mit Energie, ähnlich wie Mitochondrien unsere eigenen Zellen mit Energie versorgen – eine bis dahin beispiellose Verbindung. Die Daten der Forschenden deuteten darauf hin, dass diese Organismen besonders häufig in Abwässern vorkommen könnten. So beschlossen Milucka und ihr Team, dort weiter zu suchen.

    Weit verbreitet im Abwasser-Mikrobiom

    Durch die Analyse von Daten aus Kläranlagen auf der ganzen Welt identifizierten die Forschenden 14 neue Arten dieser endosymbiotischen Bakterien. „Durch die sogenannte Denitrifikation helfen die Bakterien, Nitrat aus dem Abwasser zu entfernen. Gleichzeitig unterstützen sie ihre Wirte bei der Energiegewinnung, indem sie schädliche Nitrate in Stickstoffgas umwandeln“, erklärt Erstautorin Louison Nicolas-Asselineau. Die Forschenden fanden solche Symbiosen in bis zur Hälfte aller untersuchten Kläranlagen. Sie sind also vermutlich ein wichtiger, aber bislang übersehener Teil des Ökosystems. Und möglicherweise gibt es noch mehr davon: „Wir haben festgestellt, dass die Zahl der Symbionten in den einzelnen Kläranlagen zeitlich stark schwankt. Es ist also gut möglich, dass wir einige übersehen haben.“

    Bedenklich für das Klima

    Denitrifizierende Endosymbionten, darunter auch die neu identifizierten Arten aus Kläranlagen, verfügen typischerweise über einen vollständigen Denitrifikationsweg. Sie können also Nitrat vollständig zu Distickstoffgas (N2) veratmen. Darüber hinaus besitzen die meisten dieser Endosymbionten auch ein Enzym namens Cytochrom-cbb3-Oxidase, das es ihnen ermöglicht, neben Nitrat auch Sauerstoff zu veratmen.

    Eine Art sticht jedoch hervor: Candidatus Azoamicus parvus kann nicht nur keinen Sauerstoff veratmen, sondern ist auch nicht in der Lage, Lachgas (N₂O), ein Zwischenprodukt im Denitrifikationsprozess, weiter abzubauen. Anstatt N2O in harmloses N2 umzuwandeln, setzt sie dieses starke Treibhausgas also in das umgebende Wasser frei. Lachgas ist 300 Mal stärker als CO₂, und die Abwasserbehandlung trägt bekanntermaßen zu den vom Menschen verursachten N2O-Emissionen in die Atmosphäre bei.

    Es ist besorgniserregend, dass gerade diese Art weltweit in Kläranlagen häufig zu finden ist. „Dies ist das erste Mal, dass wir einen denitrifizierenden Endosymbionten gefunden haben, der Lachgas produziert, und zufällig ist es ausgerechnet derjenige, der in Kläranlagen am weitesten verbreitet ist“, sagt Jana Milucka, die leitende Autorin der Studie.

    Warum das wichtig ist

    Abwasserbehandlung ist einer der größten Anwendungsbereiche der Mikrobiologie und entscheidend, um Umwelt und Gesundheit zu schützen. Die mikrobiellen Partnerschaften, die nun in der Fachzeitschrift ISME Communications beschrieben werden, wurden bislang weitgehend übersehen. „Wir waren sehr überrascht, dass denitrifizierende Endosymbiosen in Abwässern so häufig vorkommen und weit verbreitet sind, da in diesen Systemen sehr veränderliche Bedingungen und starker ökologischer Druck herrschen“, sagt Nicolas-Asselineau. „Unsere Studie unterstreicht, wie wichtig es ist, die an den Klärprozessen beteiligten Mikroorganismen besser zu verstehen. Sie könnten der Schlüssel zur Verbesserung der Abwasserbehandlung und zur Verringerung ihrer Umweltauswirkungen sein.“


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    Louison Nicolas-Asselineau
    Forschungsgruppe Treibhausgase
    Max-Planck-Institut für Marine Mikrobiologie, Bremen, Deutschland
    Telefon: +49 421 2028-6462
    E-Mail: lnicolas@mpi-bremen.de

    Dr. Jana Milucka
    Forschungsgruppe Treibhausgase
    Max-Planck-Institut für Marine Mikrobiologie, Bremen, Deutschland
    Telefon: +49 421 2028-6340
    E-Mail: jmilucka@mpi-bremen.de


    Originalpublikation:

    Louison Nicolas-Asselineau, Daan R Speth, Linus M Zeller, Ben J Woodcroft, Caitlin M Singleton, Lei Liu, Morten K D Dueholm, Jana Milucka (2025): Occurrence and temporal dynamics of denitrifying protist endosymbionts in the wastewater microbiome, ISME Communications, Volume 5, Issue 1, January 2025, ycaf209
    DOI: https://doi.org/10.1093/ismeco/ycaf209


    Weitere Informationen:

    https://mpi-bremen.de/Page6579.html


    Bilder

    Der Endosymbiont Candidatus Azoamicus mariagerensis und sein Ciliatenwirt unter dem Fluoreszenzmikroskop. Zu sehen sind der Endosymbiont (gelb) und der Ciliat (violett). Der Zellkern des Ciliaten ist mit einem DNA-Farbstoff (blau) angefärbt.
    Der Endosymbiont Candidatus Azoamicus mariagerensis und sein Ciliatenwirt unter dem Fluoreszenzmikro ...
    Quelle: Linus Matz Zeller
    Copyright: Max-Planck-Institut für Marine Mikrobiologie

    Es war viel Büroarbeit: Nachden sie Daten aus internationalen Datensätzen und Kläranlagen – darunter auch die in Bremen – gesammelt hatte, war die Doktorandin Louison Nicolas-Asselineau mit der Auswertung und Interpretation dieser Daten beschäftigt.
    Es war viel Büroarbeit: Nachden sie Daten aus internationalen Datensätzen und Kläranlagen – darunter ...
    Quelle: Hailey-Hannah Cottet
    Copyright: Max-Planck-Institut für Marine Mikrobiologie


    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten
    Biologie, Geowissenschaften, Meer / Klima, Umwelt / Ökologie
    überregional
    Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     

    Der Endosymbiont Candidatus Azoamicus mariagerensis und sein Ciliatenwirt unter dem Fluoreszenzmikroskop. Zu sehen sind der Endosymbiont (gelb) und der Ciliat (violett). Der Zellkern des Ciliaten ist mit einem DNA-Farbstoff (blau) angefärbt.


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    Es war viel Büroarbeit: Nachden sie Daten aus internationalen Datensätzen und Kläranlagen – darunter auch die in Bremen – gesammelt hatte, war die Doktorandin Louison Nicolas-Asselineau mit der Auswertung und Interpretation dieser Daten beschäftigt.


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