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16.12.2025 14:33

Kleine Züge, große Wirkung

Stefanie Terp Stabsstelle Kommunikation, Events und Alumni
Technische Universität Berlin

    Warum Modelleisenbahnen mehr sind als nostalgisches Spielzeug und wie sie weltweit Technik und Kunst beeinflussten, erklärt Dr. Dirk Forschner von der TU Berlin

    Rund 1,5 Millionen Menschen in Deutschland interessieren sich laut Marktforschung für Modelleisenbahnen. Was als Kinderspielzeug begann, ist bis heute ein kulturelles, technisches und wirtschaftliches Phänomen. Am Fachgebiet Technikgeschichte des Instituts für Philosophie, Literatur-, Wissenschafts- und Technikgeschichte der TU Berlin erforscht Dr. Dirk Forschner die Entwicklung der Eisenbahn und ihren Einfluss auf Wirtschaft, Gesellschaft und Kultur weltweit.

    „Die Begeisterung für Eisenbahnen begann bereits Mitte des 19. Jahrhunderts“, erklärt der Technikhistoriker. „Die neue Technologie versprach Mobilität und Wohlstand und wurde schnell zum Gesprächsthema.“ Während Eisenbahnen zunächst vor allem dem Handel und Transport dienten, spielten Kinder die Welt der Erwachsenen nach. So hielten ab etwa 1870 erste hölzerne Bodenläufer-Eisenbahnen Einzug in bürgerliche Wohnstuben. Bereits 1859 stellte die Firma Märklin detailgetreue Lokomotiven und Waggons aus Blech her – die Geburtsstunde der Modelleisenbahn.

    Vom Uhrwerk zum dampfenden Stahlross
    Mit dem technischen Fortschritt wuchsen auch Anspruch und Faszination: Auf Uhrwerke folgten Federwerke, Dampfmaschinen und schließlich elektrische Antriebe. Besonders spektakulär waren die dampfbetriebenen Modelle nach dem Vorbild realer Lokomotiven wie dem fauchenden „Drache“ von Henschel & Sohn. „Die Modelleisenbahn wurde zum State-of-the-Art-Spielzeug ihrer Zeit – technologisch wie gestalterisch“, so Forschner. Mit Preisen von bis zu 200 Reichsmark waren viele Modelle allerdings ein Luxusgut.

    In den 1920er- und 1930er-Jahren entstanden legendäre Lokomotiven wie das Schweizer „Krokodil“ oder der „Commodore Vanderbilt“ der damaligen New York Central Railroad. Auch die Weltkriege hinterließen ihre Spuren: Militärische Transporte, Lazarettzüge oder Schwerlastwagen fanden Eingang in den Modelleisenbahnbau.

    Deutsche Eisenbahntechnologie als Exportschlager
    Die Blütezeit originalgetreuer Modelleisenbahnen zwischen 1950 und 1980 spiegelte die internationale Spitzenstellung deutscher Eisenbahntechnik wider. Dieses Knowhow wurde weltweit exportiert – auch nach China. Zwischen 1882 und 1955 lieferten deutsche Hersteller fast 600 Lokomotiven dorthin. Dr. Forschner, zugleich wissenschaftlicher Mitarbeiter des China Centers der TU Berlin, forschte gemeinsam mit dem verstorbenen TU-Professor Wolfgang König im DFG-Projekt „Making Technology Appropriate“ zum deutsch-chinesischen Technologietransfer. Ergebnis ist das zweisprachige Buch „Deutsche Dampflokomotiven in China / German Steam in China“.

    Eisenbahn in Kunst, Musik und Film
    Über Technik und Spielzeug hinaus prägte die Eisenbahn auch Kunst und Kultur, weiß Forschner zu berichten. Claude Monet, Wassily Kandinsky oder Lesser Ury hielten sie malerisch fest, Komponisten wie Antonín Dvořák oder Arthur Honegger setzten ihr Rattern und Schnaufen musikalisch um. Honeggers sinfonische Dichtung „Pacific 231“ gilt als Meisterwerk der musikalischen Eisenbahn-Interpretation. In Filmklassikern wie „Mord im Orient-Express“ oder „Dr. Schiwago“ wurde die Eisenbahn schließlich zum ikonischen Erzählelement.

    Lehre, Forschung und die Mobilität der Zukunft
    Auch in der Lehre spielt die Modelleisenbahn an der TU Berlin eine Rolle: Im Proseminar „Technische Spielwaren“ und im Eisenbahn-Betriebs- und Experimentierfeld (EBuEf) lernen Student*innen historische und moderne Stellwerkstechniken praxisnah kennen. Hier gewinnen durch Praxis und digitale Simulationen nicht nur Student*innen Einblicke in Bahntechnik und Infrastruktur, sondern auch Personal der Deutschen Bahn. Die Anlage zieht zudem bei der Langen Nacht der Wissenschaften regelmäßig ein breites Publikum an.

    Doch welche Zukunft hat die Modelleisenbahn? „Sie steht heute in starker Konkurrenz zu digitalem Spielzeug und benötigt Platz“, sagt Forschner. Auch der internationale Knowhow-Export habe an Bedeutung verloren. „Gerade China ist heute selbst Technologieführer. Wir stehen vor sehr spannenden Zeiten in der Mobilität – auf der Schiene und darüber hinaus.“

    Lesen Sie den ausführlichen Artikel über die Modelleisenbahnen: https://www.tu.berlin/go302656/

    Webseiten:
    https://www.tu.berlin/hpstl: https://www.tu.berlin/go52199/
    https://www.tu.berlin/china: https://www.tu.berlin/go56820/

    Weitere Informationen erteilt Ihnen gern:
    Dr. Dirk Forschner
    Fakultät I Geistes- und Bildungswissenschaften
    Institut für Philosophie, Literatur-, Wissenschafts- und Technikgeschichte (HPSTL)
    TU Berlin
    E-Mail: dirk.forschner@tu-berlin.de, d.forschner@campus.tu-berlin.de
    Tel.: +49 (0)30 314-24211, -23786


    Bilder

    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten
    Geschichte / Archäologie, Kulturwissenschaften, Verkehr / Transport
    überregional
    Buntes aus der Wissenschaft, Forschungsprojekte
    Deutsch


     

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