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17.12.2025 11:09

Ein Enzym neutralisiert Krankheitserreger durch Toxinspaltung

Friederike Gawlik Pressestelle
Leibniz-Institut für Naturstoff-Forschung und Infektionsbiologie - Hans-Knöll-Institut (Leibniz-HKI)

    Forschende des Leibniz-HKI entdecken Enzym, das den Virulenzfaktor Malleicyprol bei humanpathogenen Bakterien entschärft

    Ein Forschungsteam des Leibniz-HKI beschreibt in der Fachzeitschrift Angewandte Chemie International Edition ein neues Enzym, das das hochgiftige Molekül Malleicyprol unschädlich macht. Malleicyprol gilt als ein wichtiger Virulenzfaktor von Burkholderia-Bakterien, die unter anderem die gefährliche Tropenkrankheit Melioidose auslösen. Die Entdeckung eröffnet neue Wege für Strategien gegen antibiotikaresistente Erreger.

    Burkholderia pseudomallei gilt als einer der gefährlichsten bakteriellen Krankheitserreger der Tropen. Die von diesen Bakterien verursachte Erkrankung Melioidose verläuft häufig schwer und ist selbst bei Behandlung mitunter tödlich. „Pro Jahr werden weltweit fast 170.000 neue Infektionen gemeldet, etwa die Hälfte der Betroffenen verstirbt daran“, berichtet Jonas Fiedler. Der Doktorand ist Erstautor der Publikation und arbeitet im Team von Christian Hertweck, Professor für Naturstoffchemie an der Friedrich-Schiller-Universität Jena und Leiter der Studie am Leibniz-Institut für Naturstoff-Forschung und Infektionsbiologie (Leibniz-HKI).

    Gefährlich wird der Erreger durch das Toxin Malleicyprol, es greift die Zellen an und verursacht so die Krankheit. „Verantwortlich dafür ist eine kleine, hochreaktive chemische Struktur im Molekül, der sogenannte Cyclopropanol-Ring“, erklärt Fiedler.

    Ein bisher übersehenes Gen kodiert für ein Enzym, das den reaktiven Molekülteil zerstört

    Obwohl Malleicyprol ein wichtiger Faktor für die Virulenz von Burkholderia-Spezies ist und dessen Biosynthese weitgehend verstanden war, blieb die Funktion eines Enzyms unklar: „Uns fiel ein kleines Gen auf, das ein unbekanntes Protein kodiert. Wir konnten diesem Genprodukt aber keine Funktion in der Toxinbildung zuordnen. Diese Lücke wollten wir schließen und schalteten das Gen gezielt aus, um dessen Rolle zu verstehen“, erinnert sich Fiedler.

    Die Bakterien produzierten zwar weiterhin das giftige Malleicyprol, eine inaktive Variante des Moleküls fehlte jedoch plötzlich. „Das Gen muss also ein Enzym kodieren, das das Toxin in diese ungefährliche Form umwandelt“, so Fiedler.

    Die Forschenden interessierte nun, wie genau das Enzym – es trägt den Namen BurK – die Molekülstruktur verändert. Dabei entdeckten sie einen bemerkenswerten Mechanismus: BurK benutzt eisenhaltige Verbindungen, um sehr reaktive Teilchen (Radikale) zu erzeugen. Diese spalten den für die Toxizität entscheidenden Cyclopropanol-Ring und machen Malleicyprol damit unschädlich. „Das war eine echte Überraschung“, so Fiedler. „Es war vorher kein Enzym in der Natur bekannt, das einen Cyclopropanol-Ring gezielt spaltet.“ Er erklärt weiter: „Natürlich entschärft das Bakterium das Toxin nicht, um Menschen zu schützen. Vielmehr reguliert es die Menge des Toxins mithilfe des Enzyms BurK.“

    Schutz im Modellorganismus

    Um zu prüfen, ob BurK auch in einem lebenden System wirkt, setzte das Forschungsteam das verantwortliche Gen in E. coli-Bakterien ein und brachte diese anschließend mit Nematoden – winzigen Fadenwürmern – zusammen, die zusätzlich das giftige Malleicyprol verabreicht bekamen. „Die Würmer, die das Toxin zusammen mit Bakterien mit BurK aufnahmen, konnten besser überleben“, berichtet Fiedler. Kontrollwürmer, die das Toxin und Bakterien ohne das Enzym erhielten, starben, weil das Toxin wirksam blieb. Damit zeigte sich, dass BurK Malleicyprol auch im lebenden Organismus neutralisieren kann.

    Die Forschenden entdeckten sehr ähnliche Gene auch in anderen Bakterienarten, was darauf hindeutet, dass die gebildeten Enzyme eine wichtige Rolle im Zusammenspiel mit anderen Organismen spielen könnten. Einige Mikroorganismen könnten sich so möglicherweise gegen Toxine anderer Bakterien schützen oder sogar symbiotische Partner – wie Nematoden – vor dem schädlichen Malleicyprol bewahren.

    Genmodifizierte Bakterien gegen Krankheitserreger?

    Auch wenn die genaue Funktion dieser Enzyme in der Natur noch unklar ist, sind für den Menschen praktische Anwendungen denkbar: „Das Bakterium, das wir generiert haben, könnte man therapeutisch nutzen, um Malleicyprol zu neutralisieren. Die Übertragbarkeit auf menschliche Infektionen muss aber noch gründlich untersucht werden“, sagt Fiedler. Realistischer sei zunächst ein Einsatz in der Umwelt, etwa in Regionen, in denen Burkholderia-Bakterien natürlicherweise im Boden vorkommen: „Man könnte betroffene Böden dekontaminieren, um toxische Effekte zu reduzieren“, so Fiedler. „Auch das müsste man zunächst gründlich testen.“

    In jedem Fall zeigt das Forschungsteam, dass die Natur ein erstaunliches Repertoire an Werkzeugen besitzt, wovon viele dem Menschen noch verborgen sind. Das Enzym BurK ist ein bemerkenswertes Beispiel dafür. Studienleiter Christian Hertweck resümiert: „Unsere Arbeit zeigt, dass man die Gefährlichkeit eines Krankheitserregers gezielt neutralisieren kann, ohne ihn direkt abtöten zu müssen. Das eröffnet uns neue Perspektiven für den zukünftigen Umgang mit antibiotikaresistenten Bakterien und könnte langfristig Teil neuartiger Therapien werden.“

    Die Studie wurde im Rahmen des Exzellenzclusters „Balance of the Microverse“ und des Sonderforschungsbereichs ChemBioSys durchgeführt und durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    Prof. Dr. Christian Hertweck
    Biomolekulare Chemie
    Abteilungsleiter
    +49 3641 532-1101
    christian.hertweck@leibniz-hki.de


    Originalpublikation:

    Fiedler J, Richter I, Dornblut K, Scharf A, Hertweck C (2025) Inactivation of the Burkholderia Toxin Malleicyprol by Enzymatic Cyclopropanol Ring Opening. Angew Chem Int Ed, https://doi.org/10.1002/anie.202521105


    Weitere Informationen:

    https://www.microverse-cluster.de/de/ Exzellenzcluster »Balance of the Microverse«
    https://www.chembiosys.de/en/ Sonderforschungsbereich »ChemBioSys«


    Bilder

    Christian Hertweck (links) und Jonas Fiedler am Leibniz-HKI in Jena. Sie entdeckten ein Enzym, das einen Virulenzfaktor gefährlicher Burkholderia-Bakterien neutralisiert.
    Christian Hertweck (links) und Jonas Fiedler am Leibniz-HKI in Jena. Sie entdeckten ein Enzym, das e ...
    Quelle: Friederike Gawlik
    Copyright: Friederike Gawlik, Leibniz-HKI

    Schematische Darstellung des Wirkmechanismus des Enzyms BurK: Das Enzym spaltet eine hochreaktive chemische Struktur im Bakterien-Toxin Malleicyprol und macht es dadurch unschädlich. Die krankmachende Wirkung von Burkholderia wird so gezielt abgeschwächt.
    Schematische Darstellung des Wirkmechanismus des Enzyms BurK: Das Enzym spaltet eine hochreaktive ch ...

    Copyright: Jonas Fiedler, Leibniz-HKI


    Anhang
    attachment icon Fadenwürmer dienten als Modellorganismus, um die Schutzwirkung des Enzyms BurK im lebenden System zu testen. Tiere überlebten besser, wenn das bakterielle Toxin durch BurK zuvor entschärft wurde.

    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, Studierende, Wissenschaftler, jedermann
    Biologie, Chemie, Medizin, Tier / Land / Forst
    überregional
    Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     

    Christian Hertweck (links) und Jonas Fiedler am Leibniz-HKI in Jena. Sie entdeckten ein Enzym, das einen Virulenzfaktor gefährlicher Burkholderia-Bakterien neutralisiert.


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    Schematische Darstellung des Wirkmechanismus des Enzyms BurK: Das Enzym spaltet eine hochreaktive chemische Struktur im Bakterien-Toxin Malleicyprol und macht es dadurch unschädlich. Die krankmachende Wirkung von Burkholderia wird so gezielt abgeschwächt.


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