Bachelorstudiengang Wasserstoff- und Verfahrenstechnik kooperiert eng mit Industrie und Energieversorgern
Am Schweinfurter Campus der Technischen Hochschule Würzburg-Schweinfurt (THWS) gibt es ganz besonderes Anschauungsmaterial für Studierende: den zweisitzigen Reisemotorsegler Taifun 17 H₂. Die Faszination liegt allerdings nicht in der Spannweite von 17 Metern oder dem glasfaserverstärkten Kunststoff-Rumpf. Das Besondere an diesem Leichtflugzeug steckt direkt hinter dem Propeller: eine Brennstoffzelle, die gasförmigen Wasserstoff als Treibstoff nutzt.
Die Taifun 17 H₂ befindet sich im Labor für Wasserstofftechnik der Fakultät Maschinenbau. Vor allem für die Studierenden aus dem Bachelorstudiengang Wasserstoff- und Verfahrenstechnik ist das Flugzeug ein einmaliges Praxislabor, so Prof. Dr. Jörg Missbach. „Sie lernen nicht nur die Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnik kennen, sondern auch Anwendungen wie technischer Entwurf, Systemintegration, Tank- und Sicherheitstechnik bis hin zu Motorsteuerung, Elektrotechnik und Flugzeugtechnik.“
Studiengang schließt Lücke in Hochschullandschaft
2021 war der Studiengang an der THWS ins Leben gerufen worden. Zum einen wegen des steigenden Bedarfs an Wasserstoff-Fachkräften in Industrie und Energieversorgung. Zum anderen, weil sich in der deutschen Hochschullandschaft eine Lücke zwischen klassischer Verfahrenstechnik, erneuerbaren Energien und spezieller Wasserstofftechnik aufgetan hatte. Diese schließe der neue Studiengang, der aber trotz des Wasserstoffschwerpunkts ein bodenständiger Ingenieur-Studiengang bleibe, betont Prof. Dr. Missbach. Es gehe immer noch um die Grundlagen des Maschinenbaus: Thermodynamik, technische Mechanik, Elektrotechnik, Messtechnik, Steuerungs- und Regelungstechnik, Werkstofftechnik und Strömungsmechanik. Hinzu kommen spezielle Wasserstoff-Module, darunter Laborexperimente unterschiedlicher Art.
Die Studierenden untersuchen zum Beispiel die Wirkungsgrade von Elektrolyseuren und Brennstoffzellen, messen Druckverluste in Leitungen, simulieren den Gastransport, lernen Leckagen zu detektieren und mit hochentzündlichen Gasen umzugehen, außerdem erstellen sie Sicherheitskonzepte für Wasserstoffanlagen. „Unser Studiengang ist durchgängig praxisorientiert. Vor allem aber deckt er die gesamte Wasserstoff-Wertschöpfungskette ab – von Elektrolyse und Brennstoffzellentechnik über Speicherung, Gastechnik, Sicherheit und Simulation bis zur Systemintegration in reale Anwendungen und Anlagenbau“, erläutert Prof. Dr. Missbach. So etwas gebe es in dieser Form nirgends sonst. Auch ein Experimentier-Flugzeug könnten andere Hochschulen nicht bieten, dies sei durchaus ein Wettbewerbsvorteil für die THWS.
Absolvierende heiß begehrt
Im vergangenen Sommer hatte der erste Jahrgang nach sieben Semestern mit dem Bachelorabschluss das Studium abgeschlossen. Da Wasserstoff-Expertise sehr gefragt sei, hätten sich die Absolventinnen und Absolventen ihren Arbeitsplatz im Prinzip aussuchen können, so Prof. Dr. Missbach. Von Ingenieurbüros über Zertifizierungsstellen oder Arbeitsplätzen in der Industrie sei alles dabei gewesen, ebenso wie bei Stadtwerken und Energieversorgern. Dort planten die Absolventinnen und Absolventen jetzt Power-to-Gas-Anlagen oder führten Netzanalysen durch.
Schon während des Studiums gibt es die Möglichkeit, in die Energiewirtschaft hineinzuschnuppern, da ein Pflichtpraktikum Teil des Curriculums ist. THWS-Student Anshul Fatnani hatte dies bei den Stadtwerken Haßfurt absolviert. Dank deren Vorreiterrolle gibt es dort schon seit langem einen eigenen Elektrolyseur, der für die Speicherung von Überschuss in der Solarstromproduktion sowie zur Netzstabilisierung verwendet wird. „Mir hat am Praktikum besonders gefallen, dass ich an einer echten Wasserstoffanlage arbeiten konnte“, berichtet Fatnani. Er arbeitete dort im Rahmen eines Forschungsprojektes, bei dem ein neuartiges elektrochemisches Wasserstoff-Trennsystem getestet wurde, das Wasserstoff in Brennstoffzellenqualität aus einem Erdgasgemisch abtrennt. Fatnani führte die Datenanalysen durch, die später in die technische Bewertung des Trennsystems einflossen.
Zurzeit schreibt Fatnani in Haßfurt auch seine Bachelorarbeit zum Thema Power-to-Gas-Anlage, die um eine Anlage zur Rückverstromung von Wasserstoff ergänzt wird. „Energie treibt alles an, und unsere Zukunft hängt davon ab, sie sauber und nachhaltig zu erzeugen“, davon ist Fatnani überzeugt. „Wasserstoff ist ein guter Weg in diese Richtung, das motiviert mich sehr.“ Die Zusammenarbeit zwischen THWS und Stadtwerken in Form von Projektarbeiten sowie Bachelor- und Masterarbeiten sei äußerst sinnvoll, bestätigt auch Norbert Zösch, Senior Advisor der Stadtwerke Haßfurt und ehemaliger Geschäftsführer.
Wasserstoff-Labor zieht in eigenes Gebäude
Auf dem Campus in Schweinfurt bekommt das Thema Wasserstoff bald noch mehr Raum. Ein Neubau mit drei spezialisierten Wasserstoff-Laboren wird in der ersten Jahreshälfte 2026 fertiggestellt und bezogen. Für Prof. Dr. Jörg Missbach der ideale Ort, um die Zusammenarbeit mit der Wirtschaft weiter zu intensivieren: „Hier können sich Energieversorger oder Industrieunternehmen an der Ausbildung direkt beteiligen. Sei es durch die Bereitstellung von Hardware oder das Einbringen konkreter Fragestellungen bei Laborarbeiten.“ Die Unternehmen erhielten dadurch früh Zugang zu qualifiziertem Nachwuchs und umgekehrt profitiere auch die Hochschule: Sie könne reale Problemstellungen aus der Wirtschaft in die Lehre integrieren und Forschungsprojekte gemeinsam mit den Unternehmen umsetzen.
Prof. Dr. Missbach betrachtet die Ausbildung als unverzichtbaren Baustein der nationalen Wasserstoffstrategie. Damit diese gelinge, brauche es erstens langfristig stabile politische Rahmenbedingungen, die Investitionen planbar machten. Zweitens viele kommunale Akteure, die bewusst eine Pionierrolle einnähmen, Wasserstoff früh in die Wärmeplanung und Sektorenkopplung einbeziehen und so den Weg in den Mainstream-Markt ebnen könnten. Und drittens brauche es Ingenieurinnen und Ingenieure, die Wasserstoffsysteme nicht nur bedienen, sondern entwerfen, integrieren, mit bestehender Infrastruktur vernetzen und sicher betreiben könnten. „Ohne Expertise in Planung, Genehmigung, Betrieb und Instandhaltung bleiben Wasserstoff-Projekte teuer und fehleranfällig. Deswegen ist unsere Ausbildung so wichtig. Wir bilden Fachkräfte mit direkt einsatzfähiger Kompetenz aus. Das ist kein Luxus, sondern betriebliche Notwendigkeit.“
Und die aktuelle Ernüchterung in der Branche, nachdem der anfängliche Wasserstoffhype vorbei ist? „Die ist kein Hindernis“, sagt Prof. Dr. Missbach. Viele Projekte blieben zwar in der Pilotphase stecken, Förderentscheidungen verzögerten sich, manche Unternehmen warteten ab, beschreibt er die Lage. Aber darin läge eine Chance. „Statt überzogener Erwartungshaltungen bestimmen nun faktenbasierte Bewertungen den Diskurs. Technische Fragen – Verfügbarkeit erneuerbarer Energie, Leitungsnetze, Regelungstechnik, Sicherheit oder Skalierung – rücken in den Fokus. Das sei gut für die künftige Wasserstoffwirtschaft in Deutschland.
Kooperation mit Jordanien
An der THWS wird beim Thema Wasserstofftechnik auch der internationale Austausch von Fachkräften mitgedacht: Deshalb wurde der Studiengang Bachelor Hydrogen Technology Transnational als Kooperation zwischen der THWS und der German Jordanian University (GJU) in Amman, Jordanien, ins Leben gerufen. Nach vier Semestern vor Ort absolvieren jordanische Studierende die letzten drei Semester in Schweinfurt zusammen mit deutschen Studierenden und schließen mit einem deutschen Bachelorabschluss ihr Studium ab. Dafür lernen sie im Vorfeld intensiv Deutsch. Der Studiengang bringe nicht nur dringend benötigte Fachkräfte auf dem Gebiet der Wasserstofftechnik in den deutschen Arbeitsmarkt, sondern bereichere auch die Ausbildung deutscher Studierender, sagt Prof. Dr. Jörg Missbach. Durch Gaststudienaufenthalte und Austauschprojekte bildeten sich Netzwerke – dies sei eine ideale Vorbereitung auf kommende internationale Kooperationen im Wasserstoffsektor.
Über die THWS
Die Technische Hochschule Würzburg-Schweinfurt (THWS) zählt zu den größten Hochschulen für angewandte Wissenschaften in Bayern und steht seit ihrer Gründung im Jahr 1971 für hervorragende Lehre und angewandte Forschung. Mit rund 9.100 Studierenden, einem breit gefächerten Angebot von mehr als 60 Studiengängen sowie zwei Promotionszentren deckt die THWS ein weites Spektrum ab, das von Technik über Wirtschafts- und Sozialwissenschaften sowie Sprache bis hin zu Gestaltung reicht. Die THWS ist nicht nur regional in Franken und Bayern verwurzelt, sondern auch stark international ausgerichtet, was sich in zahlreichen Kooperationen und Austauschprogrammen weltweit und nicht zuletzt in einem vielseitigen englischsprachigen Studienangebot widerspiegelt.
Prof. Dr. Jörg Missbach
joerg.missbach@thws.de
Das Wasserstoff-Flugzeug der THWS, hier ausgestellt beim „Tag der Wissenschaft“ in Schweinfurt
Quelle: Oliver Giel
Copyright: Oliver Giel
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Lehrer/Schüler, Wirtschaftsvertreter, jedermann
Elektrotechnik, Energie, Informationstechnik, Maschinenbau, Umwelt / Ökologie
überregional
Forschungs- / Wissenstransfer, Studium und Lehre
Deutsch

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