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23.12.2025 11:57

Eine Geschichte von Erde und Feuer: Töpferwerkstatt gibt Einblicke ins Handwerk der Eisenzeit

Christfried Dornis Hochschulkommunikation
Eberhard Karls Universität Tübingen

    Entdeckung einer Werkstatt im Dinka-Siedlungskomplex gibt Forschenden der Universität Tübingen und der LMU München Einblicke in die Keramikherstellung im urbanen Kontext vor 3000 Jahren

    Keramik gehört zu den wichtigsten archäologischen Quellen. Der Herstellungsprozess hat im Vergleich dazu bislang deutlich weniger Beachtung gefunden. Die Ausgrabung einer außergewöhnlich gut erhaltenen Töpferwerkstatt mit zwei Brennöfen im Dinka-Siedlungskomplex eröffnet nun die Möglichkeit, eine gesamte lokale Produktionskette umfassend zu analysieren. Die Arbeiten fanden statt an einer der bedeutendsten archäologischen Stätten in der heutigen Region Kurdistan im Irak. Forschende der Universität Tübingen und der LMU München gewannen dort neue Erkenntnisse zur handwerklichen Produktion der Eisenzeit, vom Rohmaterial Ton über den Ofen bis hin zur fertigen Keramik. Deren Studie wurde im Journal of Archaeological Science veröffentlicht.

    Seit 2015 wird der Dinka-Siedlungskomplex erforscht und zählt inzwischen zu den am umfassendsten ausgegrabenen urbanen Siedlungen der Eisenzeit in der Region. In dieser Ruinenlandschaft entdeckte das Forschungsteam im Bereich namens Gird-i Bazar die Überreste einer Töpferwerkstatt, die sie auf die Zeit zwischen 1200 und 800 v. Chr. datieren. In dieser Werkstatt wurden zwei Brennöfen sowie Produktionsabfälle und geschichtete Sedimentablagerungen in ihrer ursprünglichen räumlichen Anordnung freigelegt.

    Geteilte Tradition und Identität, ausgedrückt durch Töpferproduktion

    „Da die Werkstatt so gut erhalten ist, konnten wir verschiedene Techniken kombinieren und so ein umfassendes Bild davon gewinnen, wie Töpferinnen und Töpfer in dieser Region während der Eisenzeit tatsächlich gearbeitet haben“, sagt Dr. Silvia Amicone von der Forschungsgruppe Archäometrie an der Universität Tübingen und Erstautorin der Studie.

    Die Forschenden untersuchten die Tonmaterialien selbst – die Keramik, den Ton und die Innenauskleidung der Brennöfen – sowie die Ofenfüllung und die Überreste des Brennmaterials. Durch die Analyse der Mineralogie und Mikrostruktur der Proben und anhand des Vorhandenseins oder Fehlens bestimmter Mineralien identifizierten sie die Rohstoffe und Techniken, die zur Herstellung der Keramik verwendet wurden.

    Die Analysen zeigen, dass die Gefäße aus der Siedlung zwar in ihrer Form und Verarbeitung leicht variierten, wahrscheinlich abhängig von ihrer vorgesehenen Funktion. Diese Variationen waren jedoch Teil eines modularen und gut organisierten Produktionssystems. Eines, das wahrscheinlich nicht nur den Dinka-Siedlungskomplex, sondern auch die umliegende Region versorgte, in der die Werkstatt von Gird-i Bazar eine zentrale Rolle spielte. Diese Interpretation wird untermauert durch die weite Verteilung von Produktionsspuren im gesamten Dinka-Siedlungskomplex, darunter auch weitere mögliche Brennöfen, die durch geophysikalische Analysen identifiziert wurden. Dies deutet darauf hin, dass die Töpferei in die städtische Struktur eingebettet war und dass Gird-i Bazar Teil eines Netzwerks von Werkstätten war, die nach gemeinsamen Verfahren arbeiteten.

    „Töpferinnen und Töpfer mögen in den frühen Phasen der Herstellung unterschiedliche Verfahren angewendet haben, doch letztendlich vertrauten sie alle auf dieselben einfachen und effizienten Niedrigbrandmethoden – Temperaturen unter 900 Grad Celsius, oxidierende Bedingungen, langsame Aufheizraten und kurze Verweilzeiten in einfachen stehenden Öfen“, sagt Silvia Amicone. „Diese Einheitlichkeit in der Herstellung deutet nicht nur auf eine gemeinsame Tradition und eine starke kollektive Produktionsidentität hin, sondern auch auf einen Grad an Koordination, der auf hochgradig organisierte Arbeitsabläufe und institutionelle Aufsicht bei der Verwaltung von Ressourcen, Arbeitskräften und technologischem Wissen hindeuten könnte. Dieses Maß an Komplexität haben wir in dieser Region zu dieser Zeit nicht erwartet.“

    Spezialisierte Produktion im Zentrum der eisenzeitlichen Stadt

    Der Dinka-Siedlungskomplex wurde ursprünglich zwischen 2015 und 2020 vom Peshdar Plain Project unter der Leitung von Professor Karen Radner der LMU München untersucht. Sie betont die Bedeutung der Entdeckung für die Archäologie des Zagros: „Der Dinka-Siedlungskomplex bietet uns die seltene Gelegenheit, zu erforschen, wie ein Zentrum in der Zagros-Region in der Eisenzeit funktionierte. Die Werkstatt in Gird-i Bazar zeigt, dass spezialisierte Handwerksproduktion nicht am Rande stand, sondern in das städtische Gefüge eingebettet war. Das liefert neue Einblicke in die Organisation und Komplexität des Lebens im Zagros-Gebirge während des ersten vorchristlichen Jahrtausends.“ Weitere Grabungen werden nun seitens der Universität Münster und unter Leitung von Professor Florian Janoscha Kreppner unternommen, um das alltägliche Leben in der Zagros-Region während der Eisenzeit noch besser zu verstehen.

    Professorin Dr. Dr. h.c. (Dōshisha) Karla Pollmann, Rektorin der Universität Tübingen, sagt: „Die Untersuchung der Töpferproduktion im Dinka-Siedlungskomplex bietet einen einzigartigen Einblick in die Organisation und Innovationskraft früher urbaner Gesellschaften. Diese Erkenntnisse zeigen, wie technologisches Wissen und gemeinschaftliche Strukturen die Grundlage für kulturelle Entwicklungen vor mehr als 2.500 Jahren bildeten. Forschung dieser Art erinnert uns daran, dass Fortschritt schon immer eine kollektive Leistung war – damals wie heute.“


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    Dr. Silvia Rita Amicone
    Universität Tübingen
    Institut für Ur- und Frühgeschichte und Archäologie des Mittelalters – Arbeitsgruppe Archäometrie
    Competence Center Archaeometry Baden-Wuerttemberg (CCA-BW-Geosciences)
    Telefon +49 7071 29-76801
    silvia.amicone[at]uni-tuebingen.de


    Originalpublikation:

    Amicone, S., Dinckal, A., Gur-Arieh, S., Solard, B., Squitieri, A., Frencken, M., Herr, JJ., Miller, C. E., Berthold, C., Radner, K.: Assembling the Puzzle Pieces: Integrating Pottery and Kiln Analysis to Reconstruct Pyrotechnology at the Dinka Settlement Complex (Iraqi Kurdistan). Journal of Archaeo-logical Science, https://doi.org/10.1016/j.jas.2025.106425


    Bilder

    Die freigelegte Töpferwerkstatt von Gird-i Bazar. Aus dieser Perspektive sind die Mauern der Gebäude sowie pyrotechnische Anlagen deutlich zu erkennen.
    Die freigelegte Töpferwerkstatt von Gird-i Bazar. Aus dieser Perspektive sind die Mauern der Gebäude ...
    Quelle: Andrea Squitieri
    Copyright: Andrea Squitieri

    Panoramablick auf den Unteren Zab von der Oberstadt aus.
    Panoramablick auf den Unteren Zab von der Oberstadt aus.
    Quelle: Andrea Squitieri
    Copyright: Andrea Squitieri


    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, Wissenschaftler
    Geschichte / Archäologie
    überregional
    Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     

    Die freigelegte Töpferwerkstatt von Gird-i Bazar. Aus dieser Perspektive sind die Mauern der Gebäude sowie pyrotechnische Anlagen deutlich zu erkennen.


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    Panoramablick auf den Unteren Zab von der Oberstadt aus.


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