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11.10.2004 16:14

Experten mahnen zum Weltschmerztag an: Kenntnisse der Ärzte in der Schmerztherapie unzureichend

Petra Giegerich Kommunikation und Presse
Johannes Gutenberg-Universität Mainz

    Es ist ein Gesundheitsproblem, das das gesamte Leben des Patienten lahm legen kann. Das Spektrum möglicher Auswirkungen reicht vom Verlust des Arbeitsplatzes (65 % der Betroffenen), über Schlafstörungen (64 %), bis hin zur sozialen Isolierung (25 %) und Depression (20 %). Es geht um den chronischen Schmerz: Wenn Schmerz nicht mehr akut als Warn- und Schutzfunktion für den Körper dient sondern nur dauerhafte Qual ist.

    Der chronische Schmerz ist weit verbreitet. Die Europäische Schmerzstudie aus dem Jahr 2003 deckt die harten Fakten auf: Jeder sechste Erwachsene in Deutschland - das sind 13 Millionen Menschen - hat chronische Schmerzen. Dem gegenüber steht eine unzureichende Versorgungssituation für Schmerzpatienten in Deutschland. Die Zahlen sprechen für sich: Patienten, die mit Rückenschmerzen in eine Schmerzklinik eingewiesen werden, wurden vorher im Schnitt von mehr als sieben Ärzten über einen Zeitraum von durchschnittlich elf Jahren erfolglos behandelt. Bei Migränepatienten sind die Zahlen noch alarmierender: elf Ärzte und 19 Jahre.

    Die Ursachen sieht Professor Dr. Rolf-Detlef Treede, Vizepräsident der Deutschen Gesellschaft zum Studium des Schmerzes e.V. (DGSS), vor allem darin, dass eine hochqualifizierte Schmerztherapie nicht flächendeckend verfügbar ist: "Es ist eine Sache der Ausbildung und des Geldes. Die Kenntnisse der behandelnden Ärzte lassen oft zu wünschen übrig. Doch statt die Schmerztherapie in der Ausbildung der Ärzte stärker zu verankern, taucht sie in der seit einem Jahr gültigen Fassung der Approbationsordnung vom 27. Juni 2002 nur noch als fakultativer Prüfungsgegenstand im Anhang auf. Dabei geht fast jede Erkrankung mit Schmerz einher." Und es gibt zu wenig Spezialisten: Den rund 13 Millionen Menschen in Deutschland, die zum Teil ein kompliziertes Krankheitsbild haben das den hochqualifizierten Spezialisten erfordert, stehen kaum mehr als 1.000 Schmerzspezialisten gegenüber.

    Als weitere Probleme sieht Professor Treede die Vergütung der Leistungen an: "Die Diagnostik und Therapie von Patienten mit einem schweren chronischen Schmerzsyndrom ist sehr aufwändig. Die Krankenkassen vergüten die in spezialisierten Zentren ausgeführten Leistungen nicht ihrem Aufwand entsprechend. Und auch in der Forschung fehlen die Mittel: Die experimentelle und die klinische Schmerzforschung sind unterfinanziert."

    Dabei würde sich die Investition auch finanziell rechnen, denn der chronische Schmerz ist auch ein ökonomisches Problem. Die Auswirkungen chronischer Schmerzen schlagen in Deutschland alljährlich mit rund 25 Milliarden Euro zu Buche. Ein großer Teil dieses Betrags geht für Arbeitsunfähigkeit und Frührente drauf - ein beträchtlicher Teil aber auch für die falsche Therapie durch Ärzte, die unzureichend für die Schmerztherapie ausgebildet sind.
    Das Versorgungsangebot für Schmerzpatienten ist in Mainz aufgrund einer über 40-jährigen Tradition im bundesweiten Vergleich relativ gut. Sowohl im Interdisziplinären Schmerz-Therapiezentrum (IST) des Universitätsklinikums Mainz als auch im DRK Schmerz-Zentrum Mainz treffen Patienten mit chronifiziertem Schmerzsyndrom auf kompetente Spezialisten.

    Chronischer Schmerz ist kein Ereignis, das den Patienten plötzlich ereilt. Vielmehr manifestiert sich der Schmerz in einem Prozess in den der Arzt eingreifen kann, wenn er die Anzeichen die auf eine Chronifizierung hinweisen zu deuten weiß und Schmerzpatienten frühzeitig zum Spezialisten überweist. "Die besten Erfolge hat die Schmerztherapie wenn sie frühzeitig ansetzt. Ziel ist es also, dass wir die Patienten nicht erst zu sehen bekommen wenn der Schmerz schon chronifiziert ist, sondern dass der niedergelassene Arzt die Risikofaktoren erkennt und den Patienten frühzeitig in das spezialisierte Zentrum überweist. Die Versorgung von Schmerzpatienten in unserer Region lässt sich nur verbessern, wenn die Kette Hausarzt - Facharzt - Schmerzklinik besser funktioniert", so Professor Dr. Hans-Raimund Casser, Direktor des DRK Schmerz-Zentrums Mainz.

    Sowohl im DRK Schmerz-Zentrum als auch im Interdisziplinären Schmerz-Therapiezentrum des Universitätsklinikums arbeiten die verschiedenen Fachdisziplinen in der Diagnose-stellung eng zusammen. Nur so können die Ursachen eines Schmerzsyndroms sicher erkannt werden. Denn wenn der Schmerz chronisch wird, sind in der Regel mehrere Faktoren beteiligt. So spielt die Psyche beim langwierigen Krankheitsverlauf oft eine entscheidende Rolle. Nicht immer lässt sich klären, ob sie ursprünglich der Auslöser für die körperlichen Beschwerden war oder ob psychische Probleme eine Konsequenz des anhaltenden Schmerzes sind. Professor Dr. Frank Birklein von der Klinik für Neurologie: "Es ist wichtig, dass der einzelne Patient von den Fachärzten der verschiedenen Disziplinen untersucht wird, um den Ursachen auf die Spur zu kommen und eine individuell zuge-schnittene Therapie entwickeln zu können. Ein einzelner Arzt, sei er auch noch so gut als Schmerztherapeut ausgebildet, ist beim schweren Schmerzsyndrom überfordert." Darüber hinaus ist im IST die Grundlagenforschung eng mit den Klinikern verbunden. Auf diese Weise können die Mechanismen der Schmerzentstehung besser aufgeklärt und neue Therapieformen entwickelt werden.

    Der Schmerz spielt eine besondere Rolle in der letzten Lebensphase unheilbar kranker Menschen. Die so genannte Palliativmedizin, die den Menschen in dieser letzten Lebens-phase begleitet, hat in erster Linie die Schmerzlinderung zum Ziel. "Die Qualität der Palliativmedizin entscheidet letztendlich darüber, ob ein Mensch in Würde sterben kann oder nicht. Leider mangelt es in Deutschland an der palliativmedizinischen Ausbildung. Selbst am Universitätsklinikum Mainz gibt es bisher kein palliativmedizinisches Zentrum, an dem die Studenten die Betreuung unheilbar kranker Patienten wahrnehmen und erlernen können", bemängelt Dr. Markus Weber vom Christophorus-Hospiz in Drais. Neben dem Hospiz, in dem unheilbar kranke Patienten stationär aufgenommen werden können, ist der ambulante Palliativ- und Beratungsdienst der Mainzer Hospizgesellschaft auf die Betreuung unheilbar erkrankter Patienten spezialisiert.


    Wenn Sie und Ihre Redaktion auch langfristig über die Entwicklungen der Schmerztherapie auf dem Laufenden gehalten werden wollen, wenden Sie sich bitte an die Pressereferentin der DGSS, Frau Meike Drießen. Sie erreichen sie unter: Tel. 0234/32-26952, per Fax: 0234/32-14136, oder eMail
    presse@dgss.org. Internet: www.dgss.org


    Weitere Informationen:

    http://www.dgss.org


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Ernährung / Gesundheit / Pflege, Medizin
    überregional
    Forschungsergebnisse, Forschungsprojekte
    Deutsch


     

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