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22.01.1999 15:13

Prof. Dr. Hans-Eckart Scharrer: Wirtschaftspolitik in Euroland

Hildegard Stahmer Öffentlichkeitsarbeit
HWWA-Institut für Wirtschaftsforschung Hamburg

    Die Orientierung auf das neue Umfeld von Euroland steckt in der Bundesre-publik noch in den Anfängen. Die Erkenntnis, daß die deutsche Volkswirt-schaft nicht nur auf den Märkten für Güter und Dienstleistungen, sondern auch auf den Märkten für Investitionen und Arbeitsplätze international im Wettbewerb steht, hat sich noch nicht überall durchgesetzt. In diesem Sinne stellt der Eintritt in die Europäische Währungsunion gerade für Deutschland eine besondere Herausforderung dar, schreibt der Vizepräsident des HWWA-Institut für Wirtschaftsforschung-Hamburg, Prof. Dr. Hans-Eckart Scharrer, in der neuesten Ausgabe der Institutszeitschrift WIRT-SCHAFTSDIENST.

    Kein Land in Europa, und speziell in der EWU, das sich um Beschäftigung und Einkommen seiner Bürger sorge, könne es sich noch leisten, eine nach innen gerichtete Wirtschafts- und Tarifpolitik zu betreiben, die die gesteigerte Interdependenz der Märkte und die Intensivierung des Wettbewerbs um mo-biles Kapital vernachlässige. Das gelte auch und gerade für die Bundesrepu-blik, die zur Schaffung von vier Millionen zusätzlicher Arbeitsplätze auf pri-vate Investitionen in besonderem Maße angewiesen sei. Dazu bedürfe es kla-rer Signale an potentielle Investoren, daß es sich auch in mittelfristiger Per-spektive für sie lohne, hier - und nicht an anderer Stelle in Euroland - zu in-vestieren.

    Vertrauensteigernd sei die Ankündigung der Bundesregierung, daß sie am finanzpolitischen Konsolidierungskurs festhalten werde, Finanzierungsdefizit, Verschuldungsgrad und auch die Staatsquote sollten bis zum Jahre 2002 weiter deutlich zurückgeführt werden, die Staatsausgaben sollten langsamer wachsen als das Bruttoinlandsprodukt.

    Einen wichtigen Beitrag zur Stärkung von Wachstum und Beschäftigung könnte auch die geplante dreistufige Reform der Einkommen- und Körper-schaftssteuer leisten. Sie wirke allerdings noch ängstlich: Statt einer durch-gängigen kräftigen Tarifsenkung, unter parallelem Abbau von Steuersubven-tionen und Sondertatbeständen, würden die Steuersätze zumal im oberen Einkommensbereich nur zögerlich zurückgenommen. Auch die Nettobela-stung falle mit 15 Mrd. DM oder o,4 % des Bruttoinlandsprodukts (BIP) bescheiden aus; zudem sei sie erst für das Jahr 2002 vorgesehen. Und die Reform belaste einseitig den Unternehmenssektor.

    Eine raschere Entlastung wäre angesichts der konjunkturellen Abkühlung geboten. Sie wäre auch möglich, ohne daß es zu einem Konflikt mit dem Stabilitätspakt kommen müßte: Das Finanzierungsdefizit dürfte in diesem Jahr trotz der Verlangsamung der Wirtschaftsexpansion mit 1,9 % des BIP deutlich unter der Maastricht-Obergrenze von 3 % bleiben, und für das Jahr 2000 sei mit einem weiteren Rückgang zu rechnen. Aber auch das Entla-stungsvolumen sollte - gegebenenfalls in mehreren Stufen - erhöht werden, nicht zuletzt, um die nötigen Signalwirkungen zu entfalten. Nach den derzei-tigen Plänen würden die Unternehmen durch die Reform nicht nur temporär, sondern dauerhaft in einer Größenordnung von jährlich 15-17 Mrd. DM netto belastet. Hier müsse dringend nachgebessert werden, wenn die Förde-rung des privaten Konsums nicht auf Kosten von Investitionen und damit von Arbeitsplätzen gehen solle.

    Die von der Bundesregierung angestrebte Senkung der Lohnnebenkosten sei ein notwendiger Schritt, schreibt Scharrer weiter. Allerdings fehle es dabei an Konsequenz: Die bisher ergriffenen Maßnahmen - Rücknahme der Ein-schränkungen bei der Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, Senkung der Zu-zahlungen für Arzneimittel, Aussetzung der Korrekturen in der Rentenversi-cherung - gingen in die entgegengesetzte Richtung. Der "ökologische Umbau des Steuersystems" dürfte diese Erhöhungen allenfalls kompensieren. Zudem verpuffe die schwache Entlastung der Unternehmen von 0,4 % bei den Lohnnebenkosten völlig vor dem Hintergrund der Lohnforderungen von 6,5 %, selbst wenn diese am Ende nur zum Teil durchgesetzt würden. Diese Lohnforderungen seien keinesfalls geeignet, die Standortsituation der Bun-desrepublik in Euroland zu verbessern. Das verkündete "Ende der Beschei-denheit" stehe in scharfem Kontrast zu der über viele Jahre praktizierten, verläßlichen Lohnmoderation in Holland, die wesentlich dazu beigetragen habe, seit einem Jahrzehnt die Beschäftigung Jahr für Jahr mit "amerikani-schen" Raten zu steigern. Die von kräftigen Lohnerhöhungen erhoffte, kurz-fristige Stärkung der Konsumnachfrage müßte angesichts der deutschen Spitzenposition bei den Arbeitskosten mit einem dauerhaften Beschäfti-gungseinbruch erkauft werden.

    Hamburg, 21.01.1999 Telefon 040 35 62 354


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Wirtschaft
    überregional
    Forschungsprojekte
    Deutsch


     

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