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20.10.2004 08:58

Musiktherapeutisches Konfliktmanagement für Lehrer und Lehrerinnen

Michaela Schneider M. A. Öffentlichkeitsarbeit
Deutsches Zentrum für Musiktherapieforschung (Viktor Dulger Institut) DZM e.V.

    Der Schulalltag von Lehrern und Schülern ist durch ein hohes Konfliktpotenzial geprägt. Gewalt, offene und verdeckte Aggressionen, Regelverstöße, aber auch die Unlust vieler Schüler erschweren die Arbeit der Lehrer erheblich. Hinzu kommt, dass viele Lehrer nicht gelernt haben, mit diesen kontextspezifischen Konflikten umzugehen. Folglich reagieren sie mit vermehrtem physischem Stress, Gefühlen der Ohnmacht bzw. einem so genannten Burn-Out, d. h. einem totalen körperlichen und seelischen Erschöpfungszustand.
    Das Deutsche Zentrum für Musiktherapieforschung (Viktor Dulger Institut) DZM e. V. in Heidelberg hat ein Lehrertraining entwickelt, dass die Methode des Konfliktmanagements mit musiktherapeutischen Ansätzen verbindet. Unter dem Motto "Ich spiele, was ich nicht sagen kann" lernen die Teilnehmer neue Lösungsmodelle für den Umgang mit Konflikten auf der Grundlage musiktherapeutischer Ansätze kennen und trainieren diese. Das DZM bietet dieses Lehrertraining regelmäßig an in der Landesakademie für die musizierende Jugend Baden-Württemberg in Ochsenhausen.

    "Bei diesem musiktherapeutischen Konfliktmanagement wird der Lehrer nicht als einfache Lehrperson wahrgenommen, sondern als Bildungsmanager im "Unternehmen Schule", in dessen Mittelpunkt Schüler und Eltern als Kunden einer Dienstleistung stehen", fasst Prof. Dr. Hans Volker Bolay, Initiator und Leiter des Seminars, den Grundgedanken des Seminars zusammen. Das Konzept basiert darauf, an den persönlichen Stärken der Lehrer hinsichtlich Problemlöseverhalten anzusetzen und diese zu optimieren. Neben der Analyse klassischer Unterrichtsprobleme und Identifikation des individuellen Konfliktverhaltens geht es auch darum, die persönlichen Ressourcen zu aktivieren. Durch musiktherapeutische Interventionsformeln lernen die Lehrer, ihren Stress selbst zu regulieren bzw. zu bewältigen.
    Zu diesem Zweck üben die Teilnehmer mit den Trainern musikalische Strategien zur aktuellen Konfliktbewältigung. Darüber hinaus dienen Entspannungstrainings bereits im Vorfeld der aktiven Bewältigung drohender bzw. eskalierender Konflikte.
    "Der symbolische und nonverbale Charakter der Musik ermöglicht gerade dort Kommunikation, wo diese verbal nicht möglich ist. So können die Teilnehmer auf musikalischer Ebene kommunizieren: Sie können so Kontakt aufnehmen, Intentionen wahrnehmen und darauf reagieren. Diese musiktherapeutische Situation bietet den Lehrern die Gelegenheit, ihren Gefühlen, aber auch Ängsten Ausdruck zu verleihen, erlebte Konflikte musikalisch zu reinszenieren und das eigene nonverbale Verhalten gezielt wahrzunehmen und zu verbessern, ohne dass Leistungserwartungen oder Bewertungen seitens der Schule, Eltern oder Schüler im Vordergrund stehen", so Bolay.

    Aktive Strategien für die Lösung von Konflikten

    Den Erfolg des musiktherapeutischen Konfliktmanagements zeigt die Auswertung des ersten Lehrerseminars vor knapp einem Jahr im badischen Ochsenhausen.
    Unter dem Motto "Ich spiele, was ich nicht sagen kann" lernten die Teilnehmer neue Lösungsmodelle für den Umgang mit Konflikten auf der Grundlage musiktherapeutischer Ansätze kennen. Während der Veranstaltung kristallisierten sich dabei drei zentrale Hauptprobleme heraus: offene und verdeckte Aggressionen, Macht bzw. Ohnmacht und Umgang mit Regelverstößen. Mit Worten und Tönen wurden individuelle Konfliktsituationen und Konfliktrollen inszeniert. Dadurch lernten die Teilnehmer Probleme und Konflikte auch auf andere Art - auf musikalischer Ebene - auszudrücken und neue Lösungsansätze zu finden.
    Das Seminar offenbarte außerdem, dass viele Lehrer sich selbst nicht als Autoritätsperson wahrnehmen, sondern lediglich als Wissensvermittler. Dies spiegelte sich unter anderem in der Körperhaltung wieder. In musikalischen Rollenspielen, in denen die Lehrer sowohl die Schüler- als auch die Lehrerposition einnahmen, wurde daher die Körperwahrnehmung, aber auch das Reaktionsverhalten jedes Einzelnen geschult. Das Musiko-Drama und die musikalische Improvisation, in denen Dialoge in Klang und Sprache wiedergegeben werden, dienten dabei vor allem der Anregung der Kreativität und der Förderung der Teamfähigkeit.
    Ablauf und Inhalt des Seminars sowie die Umsetzung des Gelernten in der schulischen Realität wurden von den Teilnehmern des Lehrgangs durchweg als "sehr zufrieden stellend" und "hilfreich" bewertet.
    "Es ist davon auszugehen, dass Musik die Aktivierung der eigenen Ressourcen erheblich fördert und den Lehrern und Lehrerinnen das Erlernen neuer Kommunikationsstrategien ermöglicht", beschreibt Bolay die Wirkungsweise.

    Fehlende konstruktive Strategien als Konfliktauslöser

    Der schulische Alltag von Schülern und Lehrern zeichnet sich durch zahlreiche Konflikte aus, die meist auf unterschiedlichen Meinungen, Erwartungen und Haltungen beruhen und somit an den Lehrerberuf viele psychosoziale Anforderungen stellen, wie Kreativität, emotionale Stabilität und die Fähigkeit, sich zu distanzieren. Diese Konflikte haben durchaus eine funktionale Qualität, sind entwicklungspsychologisch nützlich, helfen, die soziale Kompetenz zu schulen und können Auslöser für notwendige Reformen sein. Jedes gesunde Leben bewegt sich im Rahmen von Anspannung und Entspannung. Fehlen jedoch notwendige Kompetenzen mit Konflikten umzugehen, erscheinen diese dysfunktional. Sie erzeugen häufig in konkreten Situationen starken akuten Handlungsdruck und werden als Störung, Beleidigung oder Belastung wahrgenommen. Sie beeinträchtigen die Arbeitszufriedenheit der Lehrer und gleichzeitig die Lernmotivation der Schüler.
    So erklären Lehrer das Auftauchen von Konflikten vor allem mit dem eigenen persönlichen Versagen, ignorieren und verdrängen aufkommende Probleme. Dadurch bleiben jedoch viele Konflikte ungelöst oder verstärken sich sogar. Eine Ursache für dieses Verhalten kann in der fehlenden kollegialen Unterstützung der Lehrer untereinander gesehen werden, die häufig schon Zeichen eines aufkeimenden Burn-outs ist. "Der Lehrer, ein Einzelkämpfer" - eine Aussage, die auch heute noch auf einen Teil der Lehrer zutrifft.
    Eine andere mögliche Ursache offenbaren Ergebnisse verschiedener Studien. So fanden Forscher heraus, dass falsche Lösungsstrategien fast die Hälfte aller Konfliktquellen im Schulalltag ausmachen. Dies bedeutet, dass es fast jedem zweiten Lehrer an konstruktiven Bewältigungsstrategien mangelt und nicht situationsspezifische Faktoren die Hauptursache von physischem Stress und Ohnmachtsgefühlen bis hin zum Burn-out in der Schule sind. Da die betroffenen Lehrer nicht über ausreichende Konfliktfähigkeiten und -kompetenzen verfügen, nehmen sie Konflikte nicht richtig wahr und handeln problemorientiert anstatt lösungsorientiert.
    "Mithilfe eines schulischen Konfliktmanagements kann den Konfliktsituationen, aber auch dem persönlichen Verhalten, entgegengewirkt werden. Im Vordergrund sollte dabei das gemeinsame Lösen des Konfliktes mit allen Konfliktparteien stehen, bei dem das Problem gemeinsam analysiert wird und darauf aufbauend Lösungen und Ziele gesucht und vereinbart werden", nennt Bolay die Zielsetzung des Seminars. Gleichzeitig bedeute Konfliktmanagement aber auch, im Konfliktfeld bestehende Einflussgrößen und Rahmenbedingungen zu erkennen. Folglich seien Lehrer mehr als andere Berufsgruppen mit ihrer ganzen Persönlichkeit gefordert. Eine Reflexion der eigenen Persönlichkeitseigenschaften sei daher notwendig, um persönliche Stärken zu identifizieren, die den Umgang mit Konflikten erleichtern.

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    Abdruck honorarfrei/Belegexemplar erbeten

    Weitere Informationen erhalten sie unter:
    Deutsches Zentrum für Musiktherapieforschung
    (Viktor Dulger Institut) DZM e.V.
    Ansprechpartnerin: Michaela Schneider M.A.
    Maaßstraße 26
    69123 Heidelberg
    Telefon: +49 (6221) 83 38 60/83 38 68
    Telefax: +49 (6221) 83 38 74
    E-Mail: dzm@fh-heidelberg.de
    Internet: www.dzm.fh-heidelberg.de


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Pädagogik / Bildung
    überregional
    Buntes aus der Wissenschaft
    Deutsch


     


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