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26.01.1999 13:00

Nachweisgrenze für Elementspuren um Größenordnungen gesenkt

Peter Pietschmann Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Universität Ulm

    Nur wenig mehr als nichts
    Nachweisgrenze für Elementspuren um mehrere Größenordnungen gesenkt

    Prof. Dr. Viliam Krivan, Leiter der Sektion Analytik und Höchstreinigung der Universität Ulm, und seine Arbeitsgruppe (Peter Barth, Martin Hornung, Huang Mao Dong, Uwe Schäffer) sind Experten in der Elementspurenanalytik. Sie quantifizieren geringste Elementmengen in einer - fachsprachlich Matrix genannten - Grundsubstanz. Unverzichtbar nicht nur in der modernen Mikroelektronik, behauptet die Elementspurenanalytik längst ihren festen Platz in beinahe allen Lebens-, Technik- und Wissenschaftsbereichen, darunter der Umweltforschung, der Biomedizin, der Materialforschung, der Kunstgeschichte und der Gerichtsmedizin.

    Nehmen wir Silizium: hochrein muß es sein, wenn es als materiale Grundlage elektronischer Bauelemente dienen soll. Hochrein meint hier einen Reinheitsgrad von 99,99999 %, d.h. die Summe aller Verunreinigungen darf 100 Nanogramm pro Gramm Silizium nicht überschreiten. Die Ulmer Sektion Analytik und Höchstreinigung weist derzeit in Silizium 42 Elemente unterhalb der ppb-Grenze nach. In absoluten Zahlen bedeutet dies weniger als 1 Nanogramm (<10-9 g) des jeweiligen Elements in 1 Gramm Matrix (Silizium).

    Die Ulmer haben in der Spurenanalytik neue Maßstäbe gesetzt. Ihren jüngsten Erfolg markiert die Absenkung der Nachweisschwelle in der atomspektroskopischen Routineanalytik um mehrere Größenordnungen, je nach untersuchter Substanz bis zum Faktor 2000! Das ist eine elementspurenanalytische Revolution. Für die Atomabsorptionsspektroskopie liegt die äußerste Nachweisgrenze derzeit nun bei 10 ppt, »parts per trillion«. 10 ppt sind zum Beispiel 10 Billionstel Gramm pro Gramm oder, bezogen auf die maximale Entfernung Erde - Mond (406.740 km), gerade einmal etwas mehr als 4 Millimeter (genau: 4,0674 mm).

    Um sicherzustellen, daß wirklich 10 und nicht 100 oder 1.000 ppt vorliegen, bedarf es ausgefeilter Meßmethodiken. Wenn es um Quantitäten geht, wie sie hier in Rede stehen, treten Abweichungen um Größenordnungen schon infolge geringster Verfahrensfehler auf. So kann es sein, daß die Messung des Detektors selbst zwar genau ist, daß aber zum Beispiel die Atomisierung der zu bestimmenden Analyte gestört wurde und deshalb unvollständig geblieben ist. Dies hätte dann zur Folge, daß der Detektor nicht die gesamte vorhandene Masse der Zielsubstanz zur Messung angeboten bekommt; die Messung wäre,obzwar als solche genau, gleichwohl unrichtig. »Richtigkeit« bedeutet einen Schlüsselbegriff der Spurenanalytik.

    Blindwertimport

    Als Erzfeind der Richtigkeit ist der Blindwerteintrag bei der Probennahme bzw. der Probenvorbehandlung anzusehen. Leicht kann es hier passieren, daß - zum Beispiel durch kontaminierte Instrumente und Gefäße - ein höheres Quantum des zu bestimmenden Elementes von außen eingetragen wird, als sich in der Probe selbst befindet. Proben für die Atomabsorptions- und -emissionsspektroskopie mußten außerdem bisher, sofern es sich um feste Stoffe handelte, aufgeschlossen werden, zum Beispiel durch Säuren. Auch damit öffneten sich dem Blindwerteintrag manche Zugänge, und es ließ sich nicht vermeiden, daß die instrumentelle Leistungsfähigkeit der Messungs-Hardware gegebenenfalls um Größenordnungen herabgesetzt wurde.

    Atomabsorptions- und -emissionsspektroskopie (AAS, AES) mit festen Proben durchzuführen, galt aber vor allem wegen der hierbei auftretenden Schwierigkeiten bei der Freisetzung der Analytatome aus dem Feststoff als problematisch. Krivan und seine Arbeitsgruppe haben nun den Weg für die Feststoff-AAS und -AES freigemacht und damit der Routineanalytik, und nicht nur ihr, neue Dimensionen eröffnet. Als eine der Hauptschwierigkeiten erwies sich zunächst die Tatsache, daß manche Matrizes einen starken Signaluntergrund erzeugen, aus dem sich das Einzelsignal des gesuchten Elementes nicht erheben kann - es wird vom Untergrund gleichsam verschlungen.

    Mit Thermodynamik

    Die Ulmer lösten das Problem, indem sie die Matrizes mit Hilfe blindwertfreier Reagenzien im Atomisator vorbehandelten. So reduzierten sie zum Beispiel Wolframoxid mit Wasserstoff zu Wolfram, das als »behäbiges« Refraktärmetall nicht atomisiert wird und infolgedessen kein Signal erzeugt. Ein anderer »Trick« brachte bei Titan die Lösung. Im Feststoffverfahren ließen sich Aluminium, Arsen, Chrom, Eisen, Nickel oder Zinn als Spuren aus Titanstücken nicht detektieren. Den Schlüssel zum letztendlichen Erfolg lieferte eine thermodynamische Überlegung: »Wir kamen darauf«, so Viliam Krivan, »daß sich die Analyte nicht freisetzen lassen, weil die Bindungskräfte zwischen den Atomen des Analyten und den Matrixatomen sehr groß sind.« Analytisch-praktische Schlußfolgerung: das Titan mit einem Bindungspartner zu beschäftigen, damit es das »Interesse« an den Spurenelementen, verliert, anders ausgedrückt: die Bindungskräfte von ihnen zugunsten des Reaktionspartners abzieht. Die Plattform, auf der die Probe im Atomisator liegt, wurde mit Kohlenstoffpulver beschichtet. Unter den thermischen Bedingungen im Atomisator verband sich nun Titan mit Kohlenstoff zu Titankarbid (TiC). Dadurch wurden die Bindungskräfte zwischen der Titanmatrix und ihren Spurenelementen geschwächt, so daß die letzteren zur Atomisierung quantitativ freigesetzt werden konnten. Titankarbid selbst ist refraktär, also nicht atomisierbar und damit auch nicht signalaktiv. Analoge Methodiken erschlossen weitere Substanzen für die Feststoff-AAS bzw -AES.

    Das Feststoffverfahren ist im Verhältnis zum Probenaufschluß blindwertresistenter, einfacher und sehr viel schneller - eine Feststoff-AAS oder -AES benötigt nur wenige Minuten. Konsolidiert wird damit auch die Meßbasis, denn es kommen hierbei wesentlich größere Probenmengen zum Einsatz als bei der Verwendung aerosolisch versprühter flüssiger Aufschlußprodukte. Die von Krivan entwickelten methodischen Innovationen haben den beiden analytischen Routineverfahren die Detektion von Elementkonzentrationen eröffnet, deren Bestimmung bislang der Neutronenaktivierungsanalyse vorbehalten war.

    Von der Ulmer Feststoffmethodik profitiert aber nicht nur die Routine. In einer Reihe von Fällen sind von dem Verfahren absolute Spitzenwerte in der Detektion von Elementspuren erzielt worden. Die Ulmer Analytiker können mit der Feststoff-AAS zum Beispiel 10 Pikogramm Zink in Wolframoxid bestimmen - eine Senkung der bislang als ununterschreitbar geltenden Nachweisgrenze um den Faktor 2000! Das Tableau der detektablen Grenzwerte in der Elementspurenanalytik wurde in Ulm mit neuen Zahlen versehen. Bei 14 Matrizes, von Aluminiumnitrid über Graphit, Molybdänsilizid und andere bis Zirkonoxid, sowie für 15 Elemente, die in diesen Matrizes als Spuren vorkommen, hält die Ulmer Sektion Analytik und Höchstreinigung derzeit die Palme der größten Nachweisstärke. Sie steht damit an der Spitze des internationalen Korps der analytischen Hochburgen.


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Biologie, Chemie
    überregional
    Forschungsprojekte
    Deutsch


     

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