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09.11.2004 13:23

Theologie zwischen Heil und Unheil

Axel Burchardt Abteilung Hochschulkommunikation/Bereich Presse und Information
Friedrich-Schiller-Universität Jena

    Ausstellung über Theologen der letzten 200 Jahre an der Universität Jena startet am 17. November

    Jena (09.11.04) Theologen sind auch nur Menschen. Einige werden von Ideologien beeinflusst und sind von Politik verführbar, andere bleiben standhaft - sie dienen Gott und stehen zugleich in der Welt. All dies macht eine Ausstellung der Theologischen Fakultät der Universität Jena deutlich, die am 17. November um 16.15 Uhr im Fakultätsgebäude am Fürstengraben 6 eröffnet wird. Unter dem Titel "Zwischen Heil und Unheil" werden bis zum 16. November des kommenden Jahres 14 prominente Lehrer der Theologischen Fakultät aus der jüngeren Vergangenheit präsentiert. Sie stehen beispielhaft für die Theologiegeschichte Thüringens und der Jenaer Fakultät. Die öffentliche Ausstellung - die von den Theologiestudenten Dorothea Knetsch, Verona Lasch und Sebastian Pötzschke initiiert und von Dr. Joachim Bauer vom Universitätsarchiv maßgeblich unterstützt wurde - beweist mit vielen neuen Fakten, dass sich unter den Fakultätsmitgliedern neben aufrechten Wissenschaftlern auch problematische Personen befunden haben.

    "Mit der Ausstellung, die auf riesigem Engagement der Studierenden beruht, aber von der ganzen Fakultät getragen wird, stellen wir uns der Vergangenheit und sprechen ganz bewusst auch ihre hochproblematischen Seiten an", sagt der Kirchenhistoriker Prof. Dr. Volker Leppin. Deutlich wird dies etwa am früheren Universitäts-Rektor Wolf Meyer-Erlach, dessen Bild neben dem seines Vorgängers Waldemar Karl Ludwig Macholz aufgehängt wurde, um die Gegensätzlichkeit zu zeigen - "nicht um die problematischen Personen aufzuwerten", betont Leppin.

    Macholz (1876-1950) wurde 1927 als Ordinarius für Praktische Theologie nach Jena berufen. Er war jedoch der Bekennenden Kirche zugeneigt und wurde dadurch eines der ersten "Opfer" des Nationalsozialismus. Er wurde von Meyer-Erlach, der den Lehrstuhl übernahm, in das Randgebiet der Konfessionskunde verdrängt, woraufhin er sich 1938 vorzeitig emeritieren ließ. Meyer-Erlach (1891-1982) war die Zentralfigur der Bemühungen um eine nationalsozialistische Ausrichtung der Jenaer Theologischen Fakultät, sind sich die Ausstellungsmacher sicher. Seine Berufung - ohne Promotion und Habilitation - verdankte er ausschließlich seiner drastischen deutschchristlichen Haltung. Er trug als Theologie-Professor und zeitweiliger Rektor (1935-1937) Verantwortung für die zunehmende Eingliederung der Universität in das Nazi-Regime. Dies wurde in seinen Schriften ebenso deutlich wie in seinem Handeln. Am 28. Juni 1945 wurde er seines Amts enthoben, aber 1950 als Pfarrer in der Landeskirche von Hessen-Nassau eingestellt.

    Ist das heutige Urteil über Macholz und Meyer-Erlach noch deutlich, so kann etwa Walter Grundmann (1906-1976) nur differenziert betrachtet werden. "Man kann über ihn nicht einfach sagen: Böse! - und weg damit", erklärt Prof. Leppin. Grundmanns Berufung nach Jena stand im Kontext der gezielten deutschchristlichen Beeinflussung der Fakultät im "Dritten Reich". Grundmann, der bereits 1930 in die NSDAP eingetreten war, nutzte seine wissenschaftlich fundierten Kenntnisse des antiken Judentums in antisemitischem Sinne, insbesondere seit 1939 als Leiter des "Institutes zur Erforschung und Beseitigung des jüdischen Einflusses auf das kirchliche Leben" in Eisenach. Dort wurde er, nachdem er nach dem Zweiten Weltkrieg aus dem Universitätsdienst entlassen worden war, 1954 Rektor des neu gegründeten Katechetischen Seminars, das er bis zu seiner Pensionierung 1975 leitete. Dieser Wiederaufstieg beruhte u. a. auf einigen Schriften, "die in der damaligen Zeit wissenschaftlich höchstes Niveau hatten", so Leppin, und Grundmann eine zweite Karriere unter einem anderen Regime ermöglichten.

    Neben problematischen Personen werden in der Exposition aber auch Theologen wie Gerhard von Rad, Adolf Hilgenfeld, Hanna Jursch und Erich Hertzsch präsentiert. Die Ausstellung, die in der Vorlesungszeit wochentags von 8-18 Uhr (sonst von 8-16 Uhr) besichtigt werden kann, ist für die Theologen der Universität zugleich Anlass, weitere Forschungen zur Fakultätsgeschichte zu starten. So wird z. B. Walter Grundmann im kommenden Semester interdisziplinär noch tiefer beleuchtet.

    Kontakt:
    Prof. Dr. Volker Leppin
    Theologische Fakultät der Universität Jena
    Fürstengraben 6, 07743 Jena
    Tel.: 03641 / 941135
    Fax: 03641 / 941137
    E-Mail: Volker.Leppin@rz.uni-jena.de


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Geschichte / Archäologie, Philosophie / Ethik, Religion
    überregional
    Buntes aus der Wissenschaft
    Deutsch


     

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