idw – Informationsdienst Wissenschaft

Nachrichten, Termine, Experten

Grafik: idw-Logo
Science Video Project
idw-Abo

idw-News App:

AppStore

Google Play Store



Instanz:
Teilen: 
11.11.2004 10:19

Rostocker Jungforscherin erhielt Förderpreis für ein Modell zur Bioakkumulation von Umweltchemikalien im Menschen

Dr. Barbara Hentzsch Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Leibniz-Institut für Ostseeforschung Warnemünde

    Der deutschsprachige Zweig der Society of Environmental Toxicology and Chemistry hat Anfang Oktober seinen Förderpreis für Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler an Dr. Gertje Czub verliehen. Die Umweltwissenschaftlerin erhielt den Preis für ihre Dissertation zum Thema "Modellierung der Bioakkumulation persistenter organischer Umweltchemikalien im Menschen".

    Der Schwerpunkt der Arbeit, die am Leibniz-Institut für Ostseeforschung Warnemünde unter der Betreuung von Prof. Dr. Michael McLachlan entstand, lag in der Entwicklung eines neuen Nahrungsketten-Modells, mit dem vorhergesagt werden kann, wie sich bestimmte wasserunlösliche organische Umweltchemikalien in Nahrungsketten und schließlich im Menschen, der am Ende der Nahrungsketten steht, anreichern. Die Preisträgerin konnte nachweisen, dass sich das Gefährdungspotential einer Chemikalie für den Menschen mit Eigenschaften wie einer hohen Fettlöslichkeit nur unzureichend beschreiben lässt. Es wechselt vielmehr in hohem Maße in Abhängigkeit von der Lebensdauer der Chemikalien in der Umwelt, der geographischen Lage und den Ernährungsgewohnheiten der Menschen. Mit dem von Dr. Czub entwickelten Bioakkumulationsmodell ACC-HUMAN existiert nun ein wertvolles Hilfsmittel, um potentielle Anreicherungen von Chemikalien im Menschen vorhersagen zu können. Dies ermöglicht vor allem auch eine Risikobewertung neuer Produkte vor deren Vermarktung.

    Wasserunlösliche organische Umweltchemikalien, wie z.B. DDT und Toxaphen, polychlorierte Biphenyle (PCBs) und Dibenzo-p-Dioxine und Dibenzofurane (PCDD/Fs), weisen oft lange Verweilzeiten in der Umwelt auf. Sie sind häufig toxisch und zeigen eine Tendenz, sich in den Fettgeweben von Organismen anzureichern. Insbesondere die Organismen am Ende der Nahrungskette, zu denen auch der Mensch zählt, sind dadurch diesen Stoffen über die Nahrung in hohem Maße ausgesetzt. Trotz eines inzwischen weit verbreiteten Verbotes vieler dieser Verbindungen sind auch heute noch - bedingt durch ihre Langlebigkeit - vergleichsweise hohe Konzentrationen in der Umwelt, Tieren und Menschen nachweisbar. Darüber hinaus wächst die Liste der organischen Chemikalien mit einem Gefährdungspotential für Mensch und Umwelt stetig an und umfasst heute z.B. auch die als Flammschutzmittel bekannten polybromierten Diphenylether.

    Dr. Czub hat sich bei ihrer Untersuchung auf zwei sehr unterschiedliche Klima- und Kulturräume konzentriert, den Ostseeraum, ein Gebiet kühl-gemäßigten Klimas, in dem die Menschen ihre Nahrung sowohl aus Landwirtschaft und Fischfang beziehen, und die Arktis, in der die Menschen sich traditionell überwiegend aus dem Meer ernähren. Die Arktis wurde gewählt, weil bei den Inuit hohe Konzentrationen von PCB, HCB und DDT in der Muttermilch festgestellt worden waren, obwohl sie doch weit entfernt von direkter industrieller Umweltverschmutzung leben. Als Ursache war schon frühzeitig eine schrittweise Anreicherung über das Fettgewebe von Fischen und Meeressäugern angenommen und gemessen worden. Im Gegensatz dazu ist in der Ostseeregion die industrielle Belastung sehr hoch. Die Belastung des Menschen ist dagegen vergleichsweise niedrig.

    Mit ihrem neuen Modell gelang es Dr. Czub in beiden Regionen den gesamten Weg zu beschreiben, den die Chemikalien über die verschiedenen Nahrungsketten bis hin zum Menschen beschreiten. Gleichzeitig wurde die Anreicherung berechnet, die sie in den verschiedenen Organismen erfahren. Die Modellergebnisse wurden anhand von Messergebnissen überprüft und bestätigt. Das überraschende Ergebnis: bei einem breiten Spektrum der untersuchten Chemikalien waren ihre Verteilungseigenschaften - Faktoren wie Löslichkeit und Flüchtigkeit, von denen abhängt, ob ein Stoff bevorzugt im Wasser, in der Luft oder in organischem Material (z.B. Fetten) vorkommt - für die Anreicherung im Menschen von vergleichsweise geringer Bedeutung. Eine viel größere Rolle spielten vielmehr die Abbaubarkeit der Chemikalien in der Umwelt, sowie die Struktur der Nahrungskette und die Zusammensetzung der menschlichen Nahrung. So konnte u.a. gezeigt werden, dass die hohe Belastung der sich traditionell ernährenden Inuit tatsächlich durch den hohen Anteil an mariner Nahrung, und dabei insbesondere den Verzehr von Speck mariner Säugetieren wie Walen und Seehunden hervorgerufen wird.

    Mit dem Preisgeld möchte Gertje Czub im nächsten Sommer einen Forschungsaufenthalt am renommierten kanadischen National Water Research Institute finanzieren.

    Kontakt: Dr. Barbara Hentzsch, Leibniz-Institut für Ostseeforschung Warnemünde, Seestr. 15, D-18119 Rostock, Tel.: 0381-5197-102, Fax: -105 bzw.
    Dr. Gertje Czub: gertje.czub@io-warnemuende.de


    Bilder

    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Biologie, Chemie, Ernährung / Gesundheit / Pflege, Geowissenschaften, Informationstechnik, Medizin
    überregional
    Forschungsergebnisse
    Deutsch


     

    Hilfe

    Die Suche / Erweiterte Suche im idw-Archiv
    Verknüpfungen

    Sie können Suchbegriffe mit und, oder und / oder nicht verknüpfen, z. B. Philo nicht logie.

    Klammern

    Verknüpfungen können Sie mit Klammern voneinander trennen, z. B. (Philo nicht logie) oder (Psycho und logie).

    Wortgruppen

    Zusammenhängende Worte werden als Wortgruppe gesucht, wenn Sie sie in Anführungsstriche setzen, z. B. „Bundesrepublik Deutschland“.

    Auswahlkriterien

    Die Erweiterte Suche können Sie auch nutzen, ohne Suchbegriffe einzugeben. Sie orientiert sich dann an den Kriterien, die Sie ausgewählt haben (z. B. nach dem Land oder dem Sachgebiet).

    Haben Sie in einer Kategorie kein Kriterium ausgewählt, wird die gesamte Kategorie durchsucht (z.B. alle Sachgebiete oder alle Länder).