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16.11.2004 12:32

Die neue Rolle der Geothermie. 8. Geothermische Fachtagung vom 10.-12. November 2004, Landau/Pfalz

Werner Bussmann Geschäftsstelle, c/o Büro Gaßner, Groth, Siederer & Coll.
Geothermische Vereinigung e.V.

    Mit mehr als 300 Teilnehmern aus neun Ländern war die 8. Geothermische Fachtagung, die vom 10.-12. November in Landau in der Pfalz stattfand, die bisher größte Veranstaltung ihrer Art in Deutschland. Ihr Titel "Die neue Rolle der Geothermie," wurde schon allein dadurch eindrucksvoll bestätigt. Der Kongress präsentierte das gesamte Spektrum von Forschung, Entwicklung, Finanzierung und Anwendungsmöglichkeiten, über Stromerzeugung und Fernwärmelieferung, bis hin zu Heizen und Klimatisieren von Einzelgebäuden und zur Energiespeicherung. Steigende Energiepreise, abnehmende fossile Ressourcen lenken immer mehr den Blick von Anwendern und Investoren auf den bislang kaum genutzten Wärmestrom aus der Tiefe, einer überall und ständig verfügbaren, sauberen, klimaschonenden Energiequelle.

    Im Zentrum des ersten Konferenztages standen die politischen, technischen und wirtschaftlichen Leitlinien für die weitere Entwicklung für den Einsatz der Geothermie. Bei den Vertretern des Bundesumweltministeriums (BMU), des gastgebenden Landes Rheinland-Pfalz, von Bundes- und Landtag, von den Grünen bis zur CDU herrschte Einmütigkeit, wenn es darum ging, der Nutzung der Erdwärme ihre weitere Unterstützung zuzusagen. Pünktlich zur Tagung präsentierte das BMU auch seine neue Broschüre "Geothermie - Energie für die Zukunft," in der die Möglichkeiten und Chancen für den Einsatz dieser unerschöpflichen Ressource in Deutschland einem breiten Publikum vorgestellt werden. Die Broschuere kann beim Bundesumweltministerium, Postfach 300361, 53183 Bonn, Telefonnummer: 01888-305-3355, Faxnummer: 01888-305-3356 oder per E-Mail bmu@broschuerenversand.de bestellt werden. Bitte dazu die Bestellnummer 2125 angeben.

    Deutlich wurde in den Redebeiträgen, dass nach der Novelle des Erneuerbaren-Energien-Gesetzes (EEG), in dem die Rahmenbedingungen für die Einspeisung von Strom aus regenerativen Quellen festgelegt wurden, nun Regelungen auch für den Wärmebereich gefunden werden müssen. Seitens des Bundesverbandes Erneuerbare Energien (BEE) wurden entsprechende Maßnahmen deutlich eingefordert.

    Im Rahmen der Eröffnungsveranstaltung zeichnete der Veranstalter, die Geothermische Vereinigung, zwei in der weltweiten geothermischen Gemeinschaft bekannte Wissenschaftler für ihr Lebenswerk mit der Patricius-Plakette aus. Die Medaille für das Jahr 2003 ging an Prof. Dr. Kiril Popovski, aus Skopje, Mazedonien für seinen Jahrzehntelangen Einsatz für die Entwicklung der Geothermie in Europa und weltweit. U. a. ist Prof. Popovski Initiator der "International Summer School on Direct Application of Geothermal Energy", die unter der Schirmherrschaft der UNESCO und im Rahmen des geothermischen Weltverbandes IGA sich zu einer festen Einrichtung entwickelt hat. Jungen Wissenschaftlern, Technikern und Ingenieure vor allem aus Entwicklungsländern und Osteuropa wird hier im Rahmen intensiver Kurse, die von der weltweiten "geothermischen Elite" gehalten werden, die Möglichkeiten gegeben, ihre Kenntnisse zu vertiefen und auszutauschen. Darüber hinaus hat Popovski sich einen Namen bei der Entwicklung von geothermischen Nutzung im Bereich von Landwirtschaft, Gartenbau, Fischzucht und Nahrungsmittelindustrie gemacht.

    Preisträger für das Jahr 2004 ist Prof. Dr. Fritz Rummel, der während seiner Forschertätigkeit an der Ruhr-Universität in Bochum maßgeblich an der Entwicklung des Hot-Dry-Rock-Verfahrens (HDR) beteiligt war. Mit Hilfe der HDR-Technologie kann in Zukunft die Energie aus der Tiefe auch überall dort zur Produktion von Strom genutzt werden, wo im Untergrund keine Dampf- oder Heißwasserressourcen vorhanden sind, ein entscheidender Schritt für die weltweite Verbreitung geothermischer Nutzungen. Prof. Rummel hat diese Entwicklung seit den siebziger Jahren begleitet und maßgeblich mitgestaltet. Nun plant er im Rahmen eines "Prometheus" genannten Vorhabens, "seine" Universität mit einem solchen System auszustatten, damit die Institutsgebäude in Zukunft umweltfreundlich, nachhaltig und klimaschonend mit Heizenergie versorgt werden können. Den Stand des Vorhabens stellte er in einem Vortrag vor.

    Erfahrungsberichte aus bestehenden Anlagen und der Stand von Forschung und Technik bei sogenannten Enhanced Geothermal Systems (EGS), zu denen auch das HDR-Verfahren gehört, bildeten den zweiten Schwerpunktteil des ersten Tages. Unter EGS werden solche Technologien zusammengefasst, die sich mit der Errichtung von wassergängigen, wirtschaftlich nutzbaren Kluftsystemen im Untergrund befassen. Ob dabei Untergrund vorhandenes heißes Wasser erst in genügender Menge an die Bohrungen herangebracht werden muss oder ob man Wasser von der Oberfläche her einbringt und in der Tiefe erhitzen lässt, weil es unten zu wenig davon gibt oder das Gestein völlig trocken ist: Ziel ist es immer, das für den Untergrund passende Verfahren zu entwickeln, um die im Gestein steckende Energie nutzbar zu machen. Derzeit laufen in Deutschland oder unter Verwendung deutscher Finanzmittel eine Reihe wichtiger Forschungsvorhaben. Das GeoForschungsZentrum Potsdam in Groß-Schönebeck arbeitet in Groß Schönebeck in der Schorfheide an seinem Verfahren zur Nutzung heißer, tiefer Sandsteinformationen für die Stromzerzeugung. In gleiche geologische und Tieferegionen stößt auch das GenSys-Projekt des Geozentrums in Hannover vor, dass in Zukunft seinen Standort in Hannover geothermisch mit Heißdampf für die Wärmeversorgung beliefern möchte. Am Europäischen HDR-Forschungsstandort in Soultz-sous-Forêts im Elsass konnten die letzten notwendigen Bohrarbeiten in mehr als 5000 Metern Tiefe abgeschlossen werden. Nun geht es daran, obertägig das Kraftwerk aufzubauen. Vorgestellt wurde ebenfalls der Stand der Entwicklung am HDR-Forschungsvorhaben in Bad Urach.

    Die führende Rolle, die Deutschland inzwischen beim Aufbau geothermischer Systeme eingenommen hat, demonstrierten auch andere Tagungsbeiträge, z. B. über die Speicherung von Überschusswärme aus dem Neubrandenburger Gas- und Dampfturbinen-Heizkraftwerk in eine geothermisch genutzte wasserführende Schicht (Aquifer). Der Aquifer wird dadurch zusätzlich aufgeheizt. Diese höheren Temperaturen stehen dann einem Fernwärmenetz zur Verfügung. Vorgestellt wurden außerdem die Kraftwerksprojekte in Landau, Offenbach/Queich, Unterhaching und Speyer, das geothermische Fernwärmeprojekt in München-Riem und Erfahrungen im ersten Betriebsjahr des Kraftwerks in Neustadt-Glewe. Zwei neue Vorhaben aus Nordrhein-Westfalen (Aachen und Arnsberg) befassen sich mit der Errichtung Tiefer Erdwärmesonden, mehrere Kilometer tiefe Einzelbohrungen, die überall dort Wärme aus dem Boden holen, wo kein Thermalwasser gefunden wird. Die erste Sonde dieser Art wurde vor zehn Jahren in Prenzlau in Betrieb genommen, Grund genug in Landau dazu Bilanz zu ziehen. Ein weiteres Thema, das GEOTHERM-Projekt, befasst sich mit der Förderung und Nutzung geothermischer Kraftwerke in Entwicklungs- und Schwellenländern. Es wird auf deutscher Seite vom Bundesministerium für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung getragen und durch die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR), Hannover fachlich durchgeführt. Während der Internationalen Konferenz für Erneuerbare Energien in Bonn Anfang Juni dieses Jahres wurde zwischen der Bundesrepublik, dem Umweltprogramm der Vereinten Nationen (UNEP) und sieben afrikanischen Staaten ein Vertrag im Rahmen dieses Vorhabens unterzeichnet, mit der die Stromzerzeugung aus geothermischen Ressourcen in Ostafrika vorangetrieben werden soll.

    Neben der Forschung standen Themen zur optimierten und wirtschaftlichen Betriebsführung und zur Effizienzsteigerung großer geothermischer Anlagen im Mittelpunkt der Tagung. Das Spektrum reichte vom Aufbau eines geologischen Informationssystems, über Informations- und Projektkommunikation bis hin zu Modellen für eine renditeorientierte Projektrealisierung und Risikomanagement und zur Effizienzsteigerung und endete bei hochgenauen Temperaturmessungen bei der Erfassung und Energieabrechnung geothermischer Fern- und Nahwärmesysteme.

    Die gegenwärtige Entwicklung im Bereich der tiefen Geothermie hat nicht nur zu einer faktischen Vollbeschäftigung in der deutschen Tiefbohrindustrie geführt, und damit zu Engpässen bei Personal und Maschinen. Sie motiviert auch den Maschinenbau zur Entwicklung von interessanten neuen Konzepten von Tiefbohranlagen.

    Integriert in die Fachtagung war auch das 5. Symposium Erdgekoppelte Wärmepumpen, dass sich traditionell mit dem Stand der Entwicklung in den Bereichen der oberflächennahen Geothermie befasst. Auch hier gab es Erfolgsgeschichten zu berichten. Insbesondere im Einzelhausbereich, bei Verwaltungs- und Bürogebäuden können geothermische Systeme zum Heizen und Kühlen in vielen Anwendungsfällen nämlich längst mit konventionellen Energieversorgungsanlagen wirtschaftlich mithalten. Dank steigender Preise für Gas und Öl interessierten sich Bauwillige und Investoren immer mehr für Erdwärmesonden und andere kostensparende wie klimaverträgliche Technologien. Trotz ansonsten nachlassender Baukonjunktur verzeichnete die oberflächennahe Geothermie weiterhin Wachstumszahlen, die nicht zuletzt auf die fortlaufende Optimierung der Systeme zurückzuführen sind. Bei Planung und Bau größerer Systeme, z. B. für Gewerbe- und Verwaltungsbauten oder kompletten Siedlungen, also immer dann, wenn auf einer begrenzten Fläche mehrere Erdwärmesondenbohrungen niedergebracht werden müssen, spielen Thermal Response Test eine zentrale Rolle. Sie geben u. a. Auskunft über die Wärmeleitfähigkeit des Untergrunds und ermöglichen eine präzise Gestaltung des zu errichtenden Sondenfeldes. Angesichts steigender Temperaturen in einem sich wandelnden Klima auch in unseren Breiten gewinnt das Thema "Kühlung" eine zunehmende Bedeutung. Hier bietet der oberflächennahe Untergrund interessante, ebenso wirtschaftliche wie ressourcenschonende Möglichkeiten an. Angesichts des wachsenden Interesses spielen zur Sicherung und zum Ausbau des Marktes Qualitätsstandards eine immer größere Rolle. In Zusammenarbeit von Bundesverband Wärmepumpen (BWP) und Geothermischer Vereinigung wird derzeit ein Gütesiegel für Bohrfirmen entwickelt, die sich mit der Errichtung von Erdwärmesonden befassen. Ein Vortrag berichtete von den schwedischen Erfahrungen bei der Kombination von solarthermischen Anlagen mit geothermischen Systemen, ein Bereich, der in Deutschland bislang wenig Beachtung gefunden hat.

    Die "neue Rolle der Geothermie" geht auch an der Geothermischen Vereinigung (GtV) nicht spurlos vorüber. Sie wird auf die sich rasant verändernde Situation mit neuen Strukturen reagieren müssen und wollen. Das wurde am Rande der Fachtagung deutlich und im Rahmen der in Landau abgehaltenen Mitgliederversammlung eingehend diskutiert.

    Weitere Informationen zu allen anderen Bereichen der Geothermie finden Sie, ständig aktualisiert, auf unserer Homepage www.geothermie.de. Sie können sich in den Verteiler unseres Email-Newsletters geothermie.de aufnehmen lassen, das Sie über aktuelle Entwicklungen aus der Geothermie und Neues auf der Homepage informiert.


    Bilder

    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Biologie, Geowissenschaften, Meer / Klima, Umwelt / Ökologie
    überregional
    Buntes aus der Wissenschaft, Forschungs- / Wissenstransfer, Wissenschaftliche Tagungen
    Deutsch


     

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