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23.11.2004 16:30

Erst Heidelberger Student - dann Kämpfer gegen die Mafia: Prof. Orlando spricht in der Alten Aula

Dr. Michael Schwarz Kommunikation und Marketing
Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg

    Leoluca Orlando war 15 Jahre lang Bürgermeister von Palermo - International bekannt vor allem durch seinen couragierten Kampf gegen die Mafia - Am Donnerstag, 25. November (11.15 Uhr), wird er in der Universität Heidelberg - wo er einst selbst studierte - einen Vortrag über "Korruptionsbekämpfung und Zivilgesellschaft" halten - Öffentlichkeit ist herzlich eingeladen

    Prof. Dr. Leoluca Orlando wurde 1947 nicht nur in Palermo geboren, sondern fühlt sich seiner Heimatstadt bis heute eng verbunden. Immerhin stammte seine Mutter aus altem sizilianischen Adel, während man die väterliche Linie am besten als großbürgerliche Juristenfamilie bezeichnen kann. Im Zuge seines Studiums besuchte er einige Jahre die Heidelberger Ruperto Carola, bevor er als Anwalt in Palermo wirkte, um dort auch an der Universität zu lehren. Weit über die Grenzen Siziliens wurde er jedoch erst 1985 bekannt, als er das Amt des Bürgermeisters von Palermo innehatte - und einen couragierten Kampf gegen die Mafia seiner Stadt begann. Seitdem hatten er und seine Familie große Entbehrungen zu erleiden, war doch angesichts zahlreicher Todesdrohungen immer mit einem Attentat zu rechnen. Gleichwohl bewies Professor Orlando stets den Mut, gegen den Filz der mafiösen Korruption vorzugehen. Zwar trat er im Jahr 2000 nach 15 Jahren vom Amt als Oberbürgermeister Palermos zurück - jedoch nur, um sich als Kandidat für das Regionalparlament Siziliens bewerben zu dürfen. Seit Juni 2001 ist er dort Oppositionsführer - seine Einstellung hat sich jedoch nicht geändert.

    Am Donnerstag um 11.15 Uhr nun bietet sich in Heidelberg die Möglichkeit, einem Vortrag jenes Mannes zu lauschen, der bis heute in seiner Heimat nur mit Personenschutz auf die Straße gehen kann. Auf Einladung des Rektors wird Leoluca Orlando über "Korruptionsbekämpfung und Zivilgesellschaft" sprechen, und sich während seines öffentlichen Vortrags sicherlich nicht nur auf Korruption und Terror in seiner sizilianischen Heimat beschränken. Immerhin machte er schon früher deutlich, dass man stets dann von Mafia sprechen kann, wenn nicht Einzelne korrupt handeln, sondern die Korruption zum System wird. Wenn Verbrecher nicht von außen gegen Regierung oder Verwaltung kämpfen, sondern Teil davon sind.

    Leider hat sich die Mafia längst auch in anderen Ländern etabliert, was nicht nur durch die Ermordung des serbischen Ministerpräsidenten Zoran Djindjic in Belgrad deutlich wurde, die nach Ansicht serbischer Rechtsexperten und Politiker der Mafia zuzuschreiben ist. Auch in Belgrad wurde somit ein Politiker beseitigt, der sich mit Zivilcourage den Strukturen der Mafia entgegensetzte, befand Leoluca Orlando vor einiger Zeit. Als probates Gegenmittel empfiehlt der Ex-Bürgermeister vor allem die Veränderungen in den Köpfen der Menschen - was selbst in Palermo zum Erfolg führte. Immerhin waren die dortigen Straßen vor nicht allzu langer Zeit in manchen Vierteln wie ausgestorben - heute lebt das mediterrane Flair wieder auf. Einen wichtigen Etappensieg stellten hierbei sicherlich auch die Sympathiebekundungen zahlreicher Frauen in Palermo dar, die den Kurs ihres Bürgermeisters unterstützten, indem sie weiße Tücher aus den Fenstern hängten, um so gegen die Mafia zu demonstrieren.

    Generell arbeitet der energische Kämpfer Orlando gerne mit Bildern oder Symbolen. So bedient er sich oft der Metapher des zweirädrigen - des "Sizilianischen" - Karrens, den man sich gleichwohl auch andernorts gut vorstellen kann. Sein Modell macht die Notwendigkeit der Gleichberechtigung von Kultur und Legalität deutlich. Denn wenn sich nur das Rad der Legalität dreht, das der Kultur jedoch still steht, läuft eine Gesellschaft Gefahr, irgendwann die Legalität gering zu schätzen, weil es an identitätsstiftenden kulturellen Impulsen fehlt.

    Dreht sich jedoch nur das Rad der Kultur ohne das der Legalität, so könnte es sein, dass ein großartiges Konzert zur Freude aller organisiert wird - und zu Ehren eines Mafiabosses. Leoluca Orlando erinnert sich hierbei noch gut an den Beginn seiner Amtszeit: "Der Karren stand still, beide Räder standen still, steckten tief im Sumpf der Angst und der Komplizenschaft. Trotzdem musste man anfangen, man musste den Karren in Bewegung setzten. Dank des Einsatzes mutiger Polizisten und Richter kam das Rad der Legalität schließlich in Bewegung, und ich konnte mich dem anderen Rad, dem der Kultur, zuwenden, wobei ich ständig darum besorgt war, dass beide Räder sich mit derselben Geschwindigkeit drehten. Und das taten sie auch. Palermo entwickelte sich von einer Behinderung zu einer Ressource, von einem Schandfleck zu einem Vorbild", macht es der ehemalige Heidelberger Student auf seiner Homepage deutlich.

    "Mitte der 80er Jahre gab es allein in der Stadt Palermo jährlich 240-250 Mafiamorde. Im Jahr 2000 zählte man in Palermo acht Morde, von denen keiner mit der Mafia in Zusammenhang stand", macht Leoluca Orlando deutlich. All dies bedeutet zwar bei Leibe nicht, dass es in Palermo keine Mafia mehr gibt. "Aber sie kontrolliert nicht mehr wie früher die Köpfe und die Geldbeutel der Palermitaner." Und alleine dies ist bereits ein Sieg, der erst durch einen Tabubruch möglich wurde, als Palermo das Phänomen "Mafia" in der Öffentlichkeit thematisierte. "Die Mafia braucht das Schweigen", sagte Leoluca Orlando bereits bei mehreren Gelegenheiten. Und wenn erst begonnen werde, über Gesetzesbrüche zu schweigen, dann drohe auch der Kampf gegen die Korruption verloren zu gehen. Und diese wiederum sei der Nährboden mafiöser Strukturen.

    Vielleicht wird Professor Orlando, der selbst die deutsche Sprache beherrscht, hierbei auch auf einige deutsche Korruptionsfälle der jüngsten Vergangenheit Bezug nehmen. Zwar bleibt zu hoffen, dass die Korruption hierzulande noch kein mit Sizilien vergleichbares System entwickelt hat. Jedoch sollte man sich - gerade im Baugewerbe - vor Augen halten, wie sich das Geschwulst der Korruption auf der Mittelmeerinsel ausbreiten konnte. Aus diesem Grund führt an einer bundes- und auch europaweiten Bekämpfung der Korruption kein Weg vorbei. Wie dies in Palermo ablief, darüber wird der wohl prominenteste Mafia-Gegner der Gegenwart am Donnerstag selbst in seiner alten Universitätsstadt berichten.

    Weitere Informationen zur Person Leoluca Orlando sind abrufbar unter: http://www.leolucaorlando.it/
    Heiko P. Wacker

    Rückfragen bitte an:
    Dr. Michael Schwarz
    Pressesprecher der Universität Heidelberg
    Tel. 06221 542310, Fax 542317
    michael.schwarz@rektorat.uni-heidelberg.de
    http://www.uni-heidelberg.de/presse


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Gesellschaft, Politik, Recht
    überregional
    Buntes aus der Wissenschaft
    Deutsch


     

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