Nature-Publikation am 16. Dezember 2004
Konventionelle Käfighaltung beeinträchtigt die Gehirnentwicklung und das Wohlergehen von Labormäusen. Verbesserungen durch Käfiganreicherung mittels Unterschlupf, Nestmaterial sowie Spiel- und Klettermöglichkeiten wären leicht realisierbar. Doch Tierexperimentatoren befürchten, dass komplexere Haltungsbedingungen die Standardisierung von Tierversuchen gefährden. Forscher der Universitäten Gießen und Zürich belegen nun, dass diese Befürchtungen haltlos sind: Daten von Mäusen aus angereicherten Käfigen waren ebenso präzis und reproduzierbar wie die von Mäusen aus konventioneller Käfighaltung. Einer Verbesserung der Haltungsbedingungen für Versuchstiere steht damit aus wissenschaftlicher Sicht nichts mehr im Wege. Davon könnten jährlich Millionen von Tieren weltweit profitieren.
Vermutungen, wonach komplexere Umweltbedingungen die Standardisierung von Tierversuchen gefährden, standen bisher Verbesserungen der Haltungsbedingungen von Versuchstieren im Wege. Diese Befürchtungen wogen doppelt: Eine größere Variabilität der Daten würde nicht nur die wissenschaftliche Aussagekraft von Tierversuchen gefährden, sondern würde aus statistischen Gründen zudem eine größere Anzahl von Versuchstieren pro Versuch erfordern. Unter der Leitung von Hanno Würbel, Professor für Tierschutz und Ethologie an der Universität Gießen, wurde diese Vermutung nun erstmals systematisch geprüft. In seinem Gießener Labor sowie in zwei Forschungslabors der Universität Zürich wurden Mäuse verschiedener Zuchtlinien in konventionellen und in angereicherten Käfigen aufgezogen und anschließend in vier gebräuchlichen Verhaltenstests untersucht. Die Befunde, die in der Fachzeitschrift Nature am 16. Dezember 2004 publiziert werden, sind eindeutig: Durch die angereicherte und damit tiergerechtere Haltung wurde weder die Variabilität der Versuchsergebnisse, noch deren Vergleichbarkeit zwischen unabhängigen Versuchswiederholungen in den drei Labors beeinträchtigt. Zudem verhielten sich die angereichert aufgezogenen Mäuse in allen Tests wesentlich weniger ängstlich. Somit steht einer Verbesserung der Haltungsbedingungen für Labormäuse auch aus wissenschaftlicher Sicht nichts mehr im Wege. Im Gegenteil, die Vermeidung haltungsbedingter Belastungen und Verhaltensstörungen verbessert nicht nur das Wohlergehen der Tiere, sondern auch die Glaubwürdigkeit von Tierversuchen.
Diese Untersuchung wurde durch die Stiftung Forschung 3R, das Bundesamt für Veterinärwesen (BVET) der Schweiz und den Schweizerischen Nationalfonds unterstützt.
Originalpublikation:
Wolfer, D.P1, Litvin, O.2, Morf, S.1, Nitsch, R.M.2, Lipp, H.P.1 und Würbel, H.3 Laboratory animal welfare: cage enrichment and mouse behaviour. Nature, Volume 432, p. 821, 822.
1Abteilung Neuroanatomie und Verhalten (Leiter: Prof. Dr. Hans-Peter Nitsch), Anatomisches Institut, Universität Zürich, 2Ordinariat für Molekulare Psychiatrie (Leiter: Prof. Dr. Roger M. Nitsch), Psychiatrische Universitätsklinik Zürich, 3Professur für Tierschutz und Ethologie (Leiter: Prof. Dr. Hanno Würbel), Institut für Veterinär-Physiologie, Universität Gießen
Kontakt:
Prof. Dr. Hanno Würbel
Institut für Veterinär-Physiologie
Tierschutz und Ethologie
Frankfurter Straße 104
35392 Gießen
Tel.: 0641/99-38751
Fax: 0641/99-38759
E-Mail: Hanno.Wuerbel@vetmed.uni-giessen.de
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Biologie, Ernährung / Gesundheit / Pflege, Informationstechnik, Medizin
überregional
Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
Deutsch
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