idw – Informationsdienst Wissenschaft

Nachrichten, Termine, Experten

Grafik: idw-Logo
Science Video Project
idw-Abo

idw-News App:

AppStore

Google Play Store



Instanz:
Teilen: 
16.12.2004 17:08

Röntgenhologramme aus der Nanowelt

Dr. Markus Sauerborn Öffentlichkeitsarbeit
BESSY (Berliner Elektronenspeicherring-Gesellschaft für Synchrotronstrahlung m.b.H.)

    Wissenschaftler von BESSY und SSRL veröffentlichen Arbeit in Nature

    Die Entwicklung der ersten, einfachen Mikroskope brachte einen ernormen Schub an Erkenntnissen für die Naturwissenschaften. Um die in Natur und Technik ablaufenden Prozesse immer besser zu verstehen, werden seitdem Abbildungsverfahren mit immer höherem räumlichen Auflösungsvermögen und Instrumente für eine immer schnellere Beobachtung entwickelt. Derzeit können unterschiedliche Methoden bis in die Nanowelt sehen, wo Strukturen nur den millionsten Teil eines Millimeters groß sind, und dabei Prozesse verfolgen, die sich über wenige Pikosekunden (den milliardensten Teil einer tausendstel Sekunde) erstrecken. Am Berliner Elektronenspeicherring für Synchrotronstrahlung (BESSY) ist es nun erstmals gelungen, Hologramme von Nanostrukturen mit Röntgenstrahlung aufzunehmen.

    Wissenschaftler um Stefan Eisebitt (BESSY) und Jan Lüning vom Stanford Synchrotron Radiation Labor (SSRL; USA) entwickelten dazu eine neuartige Versuchsanordnung, mit der sie in einem ersten Experiment die magnetischen Domänen eines Cobalt-Platin-Films mit einer Auflösung von 50 Nanometern abbilden konnten. Ihre Untersuchung veröffentlicht Nature als Titelbeitrag in seiner aktuellen Ausgabe. "Vorteile unserer Anordnung sind die einfache Justage, Unempfindlichkeit gegenüber Vibrationen während der Messung sowie ein sehr kostengünstiger Aufbau. Außerdem lässt sich die Holographie an Synchrotronstrahlungsquellen wie BESSY II mit besonderen spektroskopischen Kontrastmechanismen verknüpfen. Damit lassen sich z.B. die Verteilung einzelner Elemente in einer Probe oder Magnetisierungsmuster räumlich abbilden", hebt Stefan Eisebitt hervor. Die Röntgenholographie etablierte sich damit als alternative, leicht anzuwendende Methode zu bisherigen Messverfahren im Nanometerbereich.

    Die Auflösung optischer Mikroskope ist durch die Wellenlänge des verwendeten Lichtes beschränkt, es können bestenfalls 200 Nanometer große Strukturen aufgelöst werden. Röntgenmikroskope, wie sie auch bei BESSY im Einsatz sind, erzielen aufgrund der kürzeren Wellenlänge von Röntgenstrahlen eine Auflösung von 20 Nanometern. Allerdings muss das Röntgenlicht mit speziellen Linsen gebündelt werden, deren Fertigung extrem aufwändig ist und deren Herstellungspräzision die räumliche Auflösung begrenzen. Die Holographie ist ein alternatives Abbildungsverfahren, das ohne Linsen auskommt. Das von einem Objekt gestreute Licht, als Objektstrahl bezeichnet, wird hierbei nicht durch eine optische Abbildung auf eine Ebene projiziert. Stattdessen nimmt man ein charakteristisches Interferenzmuster des Objektes auf, das durch die Überlagerung des Objektstrahls mit einem Referenzstrahl (Licht desselben "Typs", wie es für die Beleuchtung des Objektes benutzt wurde) entsteht. Dieses Interferenzmuster ist das Hologramm. Es enthält die komplette Information über die vom Objekt erzeugte Wellenfront, so dass sich daraus das Bild des Objektes rekonstruieren lässt. Allerdings kann nur kohärente Strahlung solche Hologramme erzeugen, denn nur dann interferieren Objekt- und Referenzstrahl miteinander. Im sichtbaren Spektralbereich benutzt man dazu Laser - aber diese existieren für den Röntgenbereich derzeit noch nicht.

    Eisebitt und Lüning führten ihre Experimente am Berliner Elektronenspeicherring BESSY durch, derzeit eine der weltweit kohärentesten Quellen weicher Röntgenstrahlung. In ihrer für die Röntgenholographie neuen Versuchsanordnung liegen der Objekt- und Referenzstrahl nicht auf einer Achse. Dazu brachten sie die Probe auf eine mikrostrukturierte Maske auf, die ein zusätzliches "Nano-Loch" zur Erzeugung des Referenzstrahls enthält. Diese Geometrie erzeugt ein Interferenzmuster, aus dem sich das Objekt mit einer mathematischen Standartmethode - der zweidimensionalen Fast-Fourier-Transformation - mit hoher Auflösung zweifelsfrei zurückrechnen lässt. Die Masken-Methodik eliminiert Störungen der holographischen Abbildung wie sie in anderen Geometrien auftreten.

    Interessant ist die Röntgenholographie auch hinsichtlich des Einsatzes an zukünftigen Röntgenlaserquellen, den Freie Elektronen Lasern (FEL). Sie werden extrem lichtstarkes, kohärentes Röntgenlicht in Pulsen von wenigen Femtosekunden Dauer erzeugen. Mit diesen Pulsen wollen Wissenschaftler u.a. grundlegende Prozesse, z.B. die Bewegung eines Atoms, zeitaufgelöst verfolgen. Eine Folge von Röntgenblitzen kombiniert mit einer entsprechend schnellen Abbildungsmethode könnte dazu stroboskopartige Momentaufnahmen der Bewegungen liefern. "Wir konnten zeigen, dass ein einziger FEL-Röntgenpuls ausreicht, um ein Röntgenhologramm zu erzeugen", betont Eisebitt. "Die Röntgenholographie sollte sich deswegen dafür eignen, um an einem FEL ultraschnelle Prozesse abzubilden und zu verstehen." Die Entwicklung und Planung von Freie Elektronen Lasern wird derzeit weltweit mit hohem Aufwand betrieben. U.a. plant BESSY den Bau eines FEL bis 2010.

    Quelle: S.Eisebitt, J. Lüning, W.F. Schlotter, M.Lörgen, O.Hellwig, W.Eberhardt & J.Stöhr: Lensless imaging of magnetic nanostructures by x-ray spectro-holography (Nature, Vol 432, Seite 883, Titelbeitrag, 16. Dezember 2004)

    Ansprechpartner: Dr. Stefan Eisebitt, Berliner Elektronenspeicherring-Gesellschaft für Synchrotronstrahlung,
    Tel.: +49 30 6392 4884, Email: stefan.eisebitt@bessy.de

    Die BESSY GmbH ist Mitglied der Leibniz-Gemeinschaft.
    Zur Leibniz-Gemeinschaft gehören 80 außeruniversitären Forschungsinstitute und
    Serviceeinrichtungen für die Forschung. Sie arbeiten nachfrageorientiert und interdisziplinär, sind von überregionaler Bedeutung und werden von Bund und Ländern gemeinsam gefördert


    Weitere Informationen:

    http://www.bessy.de
    http://www.bessy.de//front_content.php?idcat=70 - weiterführende Links und Downloads


    Bilder

    Röntgen-Hologramm eines mehrlagigen Cobolt-Platin-Films, gemessen mit zirkular polarisiertem Licht
    Röntgen-Hologramm eines mehrlagigen Cobolt-Platin-Films, gemessen mit zirkular polarisiertem Licht
    BESSY
    None

    Aus dem Hologramm rückgerechnete wurmförmige magnetische Domänen. Sie unterscheiden sich nur durch ihre Magnetisierungsrichtung (blau: aufwärts, grün: abwärts)
    Aus dem Hologramm rückgerechnete wurmförmige magnetische Domänen. Sie unterscheiden sich nur durch i ...
    BESSY
    None


    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Mathematik, Physik / Astronomie
    überregional
    Forschungsergebnisse
    Deutsch


     

    Röntgen-Hologramm eines mehrlagigen Cobolt-Platin-Films, gemessen mit zirkular polarisiertem Licht


    Zum Download

    x

    Aus dem Hologramm rückgerechnete wurmförmige magnetische Domänen. Sie unterscheiden sich nur durch ihre Magnetisierungsrichtung (blau: aufwärts, grün: abwärts)


    Zum Download

    x

    Hilfe

    Die Suche / Erweiterte Suche im idw-Archiv
    Verknüpfungen

    Sie können Suchbegriffe mit und, oder und / oder nicht verknüpfen, z. B. Philo nicht logie.

    Klammern

    Verknüpfungen können Sie mit Klammern voneinander trennen, z. B. (Philo nicht logie) oder (Psycho und logie).

    Wortgruppen

    Zusammenhängende Worte werden als Wortgruppe gesucht, wenn Sie sie in Anführungsstriche setzen, z. B. „Bundesrepublik Deutschland“.

    Auswahlkriterien

    Die Erweiterte Suche können Sie auch nutzen, ohne Suchbegriffe einzugeben. Sie orientiert sich dann an den Kriterien, die Sie ausgewählt haben (z. B. nach dem Land oder dem Sachgebiet).

    Haben Sie in einer Kategorie kein Kriterium ausgewählt, wird die gesamte Kategorie durchsucht (z.B. alle Sachgebiete oder alle Länder).