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08.03.1999 14:44

Rote Riesen im RUB-Labor

Dr. Josef König Dezernat Hochschulkommunikation
Ruhr-Universität Bochum

    Unter der Leitung von Prof. Dr. Claus Rolfs (Experimentalphysik, Fakultät für Physik und Astronomie der RUB) bauen Bochumer Astrophysiker eine neuartige Filteranlage im Dynamitron Tandem Beschleuniger der RUB auf, um die Wahrscheinlichkeit der Entstehung von Sauerstoff in Sternen zu vermessen.

    Bochum, 08.03.1999
    Nr. 53

    Evolution der Sterne im Labor
    Rote Riesen als Ursprung des Lebens
    RUB-Wissenschaftler messen Kernfusion

    Der heutige Zustand des Alls resultiert aus einer Milliarden Jahre dauernden Evolution der Sterne. Ausschlaggebend auch für die Verhältnisse auf der Erde ist vor allem die Entstehung von Sauerstoff aus Helium und Kohlenstoff in alten Sternen, den "Roten Riesen". Unter der Leitung von Prof. Dr. Claus Rolfs (Experimentalphysik, Fakultät für Physik und Astronomie der RUB) bauen Bochumer Astrophysiker eine neuartige Filteranlage im Dynamitron Tandem Beschleuniger der RUB auf, um die Wahrscheinlichkeit der Entstehung von Sauerstoff in Sternen zu vermessen. Das Projekt wird von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG)über einen Zeitraum von 5 Jahren sowie mit einer Investition von 1,2 Millionen DM in den ersten beiden Jahren gefördert. In ähnlichem Umfang beteiligt sich der Partner der Universität Neapel (Istituto Nazionale di Fisica Nucleare, INFN).

    Auf der Suche nach der kosmischen Erbschaft des Menschen ...

    Untersuchungen der letzten sechzig Jahre haben gezeigt, daß der Mensch mit dem fernen Raum und der fernen Zeit nicht nur durch seine Phantasie verbunden ist, sondern auch durch eine gemeinsame kosmische Erbschaft: die chemischen Elemente, aus denen unser Körper besteht. Diese Elemente wurden in nuklearen Brennprozessen im Zentrum von längst erloschenen Sternen innerhalb vieler Milliarden Jahre erzeugt. Wenn ihr Brennmaterial schließlich verbraucht war, starben diese gigantischen Sterne in kataklysmischen Explosionen, wobei sie die Atome der schweren Elemente im Raum verstreuten. Dieses verstreute Material sammelte sich mit der Zeit in Gaswolken, die sich zusammenzogen und zur Geburt neuer Sterngenerationen führten: ein Zyklus in der Evolution von Sternen, der auch heute noch stattfindet.

    ... aus Sternenstaub

    In diesem Szenario wurden die Sonne und ihre Planeten vor nahezu fünf Milliarden Jahren geboren. Durch das Aufsammeln der Asche seiner stellaren Ahnen lieferte der Planet Erde schließlich die Bedingungen, die Leben ermöglichten. Jedes Objekt des Sonnensystems und jede Kreatur beinhalten daher Atome aus fernen Ecken unserer Galaxie. In gewisser Weise war jeder von uns einmal innerhalb eines Sterns und besteht buchstäblich aus Sternenstaub. Dies ist der Ursprung des Eisens in unseren Blutzellen, des Sauerstoffs in der Luft, des Kohlenstoffs und Stickstoffs in unserem Gewebe und des Kalziums in unseren Knochen.

    Wenn rote Riesen explodieren

    Nach der Geburt eines Sterns verbrennt in seinem Zentrum zunächst das häufigste Element, Wasserstoff, wobei als Asche das Element Helium (He) entsteht und eine enorme Menge an Energie freigesetzt wird, die den Stern zum Leuchten bringt. Ist der Wasserstoff im Zentrum verbraucht, verbrennt der Stern die neue Asche, Helium, wobei die Elemente Kohlenstoff (C) und Sauerstoff (O) entstehen. In dieser Phase hat sich der Stern zu einem sogenannten Roten Riesen entwickelt, ein wahrhaft gigantischer Stern: unsere Sonne wird sich - in etwa fünf Milliarden Jahren - soweit aufblähen, daß die Erdumlaufbahn sich in ihrem Innern befindet. In anschließenden Brennphasen entstehen aus der Asche C und O schließlich alle schwereren Elemente bis zum Uran.

    Kernfusion im Labor

    Natürlich müssen obige Vorstellungen durch Experimente untermauert werden. So ist es für die genaue Berechnung der Energieerzeugung und der Elementsynthese im Sternzentrum unerläßlich, die Wahrscheinlichkeiten der verschiedenen Fusionsreaktionen im Labor zu bestimmen. Während aber ein Stern für eine Fusionsreaktion Millionen Jahre Zeit hat, stehen dem Forscher nur seine Lebensjahre zum Laborstudium zur Verfügung. Nur durch hohe Experimentierkunst ist es möglich, diesen enormen Zeitunterschied zu kompensieren. Theoretische und experimentelle Untersuchungen zeigen, daß die Fusion von Kohlenstoff und Helium zu Sauerstoff, C+He ®O+g, eine Schlüsselrolle einnimmt: sie bestimmt nicht nur die Häufigkeit der Elemente C und O in den Roten Riesen (und letztendlich auch auf der Erde), sie beeinflußt auch die nachfolgende Herstellung der schwereren Elemente (von Neon bis Uran), die Details der späteren Brennphasen, die nachfolgende Evolution eines Sterns, und die Art des Reststerns einer Supernova-Explosion (d.h. ob Neutronenstern oder Schwarzes Loch). Deswegen wollen Forscher die Wahrscheinlichkeit dieser Fusionsreaktion ganz genau kennen.

    gamma-Quanten im Sumpf kosmischer Strahlung erkennen

    Trotz enormer experimenteller Anstrengungen der letzten zwanzig Jahre ist man von diesem Ziel noch weit entfernt. Nahezu alle bisherigen Experimente versuchten die charakteristische elektromagnetische Strahlung (g-Quant) nachzuweisen, die bei der Fusion C+He wird zu O+gamma vom neu entstandenen Sauerstoff emittiert wird. Allerdings können die hierzu notwendigen Detektoren nur jedes zehntausendste gamma-Quant registrieren, wobei sie jedes einzelne Quant auch noch in einem Sumpf natürlicher kosmischer Strahlung erkennen müssen. Dies ist schwieriger als z.B. der Versuch, das Singen eines Vogels in einem Fußballstadion genau zum Zeitpunkt eines Tores für die Heim-Mannschaft zu erkennen.

    Billardspiel mit Sauerstoffkernen

    Im Experiment kann man obige Fusion auslösen, indem man einen C-Ionenstrahl in ein He-Gastarget schickt. Die fusionierten O-Kerne bewegen sich analog zu einem Billiardspiel in gleicher Richtung wie der einfallende Ionenstrahl: Wenn eine bewegte Kugel auf eine ruhende Kugel trifft, dann wird sich - bei Verklebung/Fusion beider Kugeln - die verschmolzene Kugel (analog dem aus C und He fusionierten O-Restkern) in Richtung der ursprünglichen Kugel bewegen. Installiert man daher einen entsprechenden Detektor hinter dem He-Gastarget auf der Ionenstrahlachse, so könnte man im Prinzip jeden erzeugten O-Restkern direkt registrieren und somit den Nachweis der C+He Fusion um einen Faktor 10.000 verbessern (gegenüber dem Nachweis der g-Quanten).

    Neue Filter gegen "das Haar in der Suppe"

    Das "Haar in der Suppe" liegt darin, daß sich in Strahlrichtung auch der einfallende C-Ionenstrahl befindet, der um mindestens einen Faktor 1.000.000.000.000.000 intensiver ist als die O-Restkerne. Zur Trennung der C-Ionen von den O-Restkernen benötigt man daher einen äußerst empfindlichen Filter. Ermutigende Resultate lieferten hierzu Vorversuche, die mit einem kleinen Filter am Beschleuniger in Neapel durchgeführt wurden. Der große neuartige Filter am 4 Megavolt Dynamitron Tandem Beschleuniger in Bochum basiert auf diesen Erfahrungen. Die Anlage hat eine Länge von etwa 20 Metern und beinhaltet sechs Filterele-mente (vier Geschwindigkeitsfilter und zwei Impulsfilter), ein fensterloses Ultraschall-Jet-Gastarget hoher Dichte und einen Element-Identifikations-Detektor. Der Beschleuniger in Bochum stellt den weltweit intensivsten C-Ionenstrahl zur Verfügung. Zusammen mit dem effizienten und empfindlichen Filter (Name: ERNA = European Recoil separator for Nuclear Astrophysics) gibt er daher Grund zu der Hoffnung, daß ein Schlüsselproblem der Astrophysik in ein paar Jahren gelöst werden kann und wir endlich genauer wissen, wie Kohlenstoff und Sauerstoff unseres Körpers in den Roten Riesen hergestellt wurden.

    Weitere Informationen

    Prof. Dr. C. Rolfs, Fakultät für Physik und Astronomie, Universitätsstr. 150, 44780 Bochum, Tel. 0234/700-3598, Fax. 0234/709-4172, claus.rolfs@ruhr-uni-bochum.de


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Mathematik, Physik / Astronomie
    überregional
    Forschungsprojekte
    Deutsch


     

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