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08.03.1999 23:29

Schlüsselloch Technologie bei der Nierenspende Lebender

Dr. med. Silvia Schattenfroh GB Unternehmenskommunikation
Charité-Universitätsmedizin Berlin

    An der Berliner Charité können Nieren lebender Spender jetzt per Endoskop entnommen werden.

    AUS DER MEDIZIN FÜR DIE MEDIEN Nr. 6 1999

    Was in USA schon seit längerem und in Deutschland bereits vereinzelt (etwa in Heidelberg) möglich ist, wird jetzt auch an der Charité angeboten: In der "Klinik für Urologie" kann lebenden Spendern eine Niere endoskopisch entnommen werden. Professor Stefan Loening und sein Oberarzt Ingolf Türk haben jetzt die ersten beiden Spender mit diesem wenig eingreifenden (minimal-invasiven) Verfahren operiert: Ein Vater schenkte seiner 16 jährigen Tochter und ein Mann seinem Bruder ein Organ. Alle Personen sind wohlauf und aus der Klinik entlassen.
    Der Vorteil des minimal-invasiven Eingriffs besteht für den Spender nicht nur darin, dass er weniger Schmerzen leidet und eine kürzere Erholungszeit benötigt, sondern auch im kosmetisch güstigen Operationsergebnis. Sein Leib weist nach der Operation nur mehrere kleine Narben von Einschnitten auf, durch die Spül-, Arbeits- und Sicht-Endoskope eingeführt worden waren. Nachdem die Niere frei präpariert worden ist ,wird sie - noch im Leib des Spenders - mit einer Plastikfolie umhüllt und dann durch den auf etwa 5 cm erweiterten Endoskopie-Kanal nach außen gezogen. Professor Loening, an dessen Klinik etwa 15 Prozent aller operativen Eingriffe endoskopisch vorgenommen werden, erwartet, daß sich durch das vereinfachte und auch risikoärmere Entnahmeverfahren der Niere mehr Personen zur Organspende bereits während ihres Lebens zur Verfügung stellen werden. Denn bisher ist die Nierenspende Lebender in Deutschland noch wenig verbreitet, gleichwohl seit etwa 3 Jahren im Anstieg begriffen. In 1997 wurden 279 Nieren und 1998 bereits 343 Nieren von Gesunden für ihnen nahestehende Kranke gespendet. Im gleichen Zeitraum wurden 2249 bzw. 2340 Leichennieren verpflanzt.
    Sowohl die Spendewilligen als auch die potentiellen Empfänger werden vor und nach der Transplantation von der "Medizinischen Klinik mit Schwerpunkt Nephrologie" der Charité betreut und auch psychologisch beraten. Als Spender kommen, wie der Direktor der Klinik, Professor Hans-Helmut Neumayer sagte, gesunde, normalgewichtige Personen in Frage, die möglichst nicht älter als 65 Jahre sein sollten. Der plötzliche Verlust einer Niere führt beim Spender nicht zu merkbaren Funktionsmängeln. Die verbliebene Niere passt sich im Laufe der Zeit ausserdem den größeren Anforderungen durch eine gewisse Größenzunahme an. Der Mensch kann durchaus mit einer Niere, das heißt mit 50 Prozent des Nierengewebes leben, da er sogar noch mit einem Zwanzigstel gesunder Nierenmasse auskommt.
    Überraschenderweise sind die Ergebnisse der Verpflanzung von gespendeten Nieren Lebender im allgemeinen besser als von Leichennieren. Das ist deshalb erstaunlich, weil bei der Transplantation von Lebendspenden die Gewebemerkmale (HLA-Matching) zwischen Spender und Empfänger meist sehr wenig übereinstimmen, anders als bei der Transplantation von Leichenorganen, bei denen auf möglichst optimale Gewebeverträglichkeit geachtet wird.Warum die Resultate bei der Lebendspende trotzt dieses Risikos besser sind, ist noch nicht klar. Neumayer nennt vor allem drei wahrscheinliche Gruende:
    ----Das gespendete Organ erreicht den Empfänger, der im benachbarten Operationssaal auf die Einpflanzung vorbereitet worden ist, innerhalb von 30 bis 60 Minuten (nach Durchspülung des Organs und Präparation der Nierengefässe). Leichenieren müssen dagegen oftmals über viele (bis zu 24) Stunden gekühlt und auf langen Wegen transportiert werden. Die vom Lebenden gespendete Niere pflegt deshalb auch gewöhnlich sofort im Empfänger an zu arbeiten, d.h. Harn zu produzieren, während die Leichenniere oft ihre Funktion erst verzögert aufnimmt.
    ----Zum zweiten ist bei Empfängern die sogenannte Compliance, die Bereitschaft, Medikamente korrekt einzunehmen und sich so zu verhalten, dass das gespendete Organ nicht unnötig belastet wird, größer, wenn der Spender gewissermaßen als ständige Erinnerung mit dem Empfänger in der Familiengemeinschaft oder in sonst enger Verbundenheit zusammenlebt.
    Damit wird der nach Infektion und Abstoßung häufigste Grund für ein Versagen des transplantierten Organs, die mangelhafte Compliance, nahezu ausgeschaltet.
    ---- Schließlich spekulieren die Wissenschaftler darüber, ob sich bei jahrelanger enger Lebensgemeinschaft (und nur zwischen einander nahestehenden Personen ist die Lebensspende in Deutschland erlaubt), so etwas wie eine immunologische Toleranz entwickelt. Dies könnte durchaus über jahrelangen immer wiederkehrenden Kontakt mit Körperflüssigkeiten beim Küssen oder beim Sexualverkehr eintreten. Diese Toleranz könnte die Ursache für eine geringere Tendenz zur Abstoßung des Fremdorgans sein.
    Silvia Schattenfroh
    ____________________________________________________________

    Charité
    Medizinische Fakultät der
    Humboldt Universität zu Berlin

    Dekanat
    Pressereferat-Forschung
    Dr. med. Silvia Schattenfroh
    Schumannstraße 20/21
    10117 Berlin

    FON: (030) 2802-2223
    FAX: (030) 2802-3625
    e-mail: silvia.schattenfroh@charite.de


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Ernährung / Gesundheit / Pflege, Medizin
    überregional
    Forschungsergebnisse
    Deutsch


     

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