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09.01.2005 21:53

"Generation Klio": Augsburger Historiker-Nachwuchs präsentiert Forschungsergebnisse zu Themen aus dem Mittelalter und der Frühen Neuzeit

Klaus P. Prem Stabsstelle Kommunikation und Marketing
Universität Augsburg

    Klio, die Muse der Geschichtsschreibung, ist Patin einer Vortragsreihe, mit der sich die historischen Fächer der Universität Augsburg in diesem Semester zum zweiten Mal an die Öffentlichkeit wenden. "Generation Klio" stellt die abgeschlossenen Arbeiten von Augsburger Doktorandinnen und Doktoranden vor und bietet darüber hinaus einen Einblick in aktuelle Forschungsdiskussionen. Die drei Vorträge des Wintersemesters führen in die Welt des Mittelalters und der Frühen Neuzeit: Mit Dr. Thomas Krüger können die Zuhörer am 13. Januar die "Entdeckung des Gewissens im Zeitalter der Investiturkonflikte" verfolgen, Dr. Johannes Mordstein bietet am 27. Januar neue Perspektiven auf die jüdische Geschichte des 17. und 18. Jahrhunderts am Beispiel der Grafschaft Oettingen, und Dr. Dietmar Schiersner erzählt schließlich am 10. Februar die Geschichte der katholischen Konfessionalisierung in der Markgrafschaft Burgau unter den Leitbegriffen "Politik, Konfession und Kommunikation" von einer neuen und spannenden Warte aus. Die Vorträge beginnen jeweils um 18.15 Uhr im Hörsaal 2106 des Gebäudes der Philosophischen Fakultäten (Universitätsstraße 10).

    13. Januar 2005

    THOMAS KRÜGER:
    DIE ENTDECKUNG DES GEWISSENS IM ZEITALTER DER INVESTITURKONFLIKTE

    Das Gewissen (lateinisch conscientia) ist ein Schlüsselbegriff moderner Ethik und spielt deshalb nicht nur im Siegel der Universität Augsburg eine Rolle. In der Geschichtswissenschaft steht das Gewissen schon lange im Blickwinkel von Forschern, die sich für die Entstehungsgeschichte des neuzeitlichen Individualismus in der mittel- und westeuropäischen Kultursphäre interessieren. Erste Ansätze dieser individualistischen Mentalität hat man bisher vor allem in der so genannten "Renaissance des 12. Jahrhunderts" gesehen und in diesem Zusammenhang auch von der "Geburt des Gewissens" gesprochen. Die Doktorarbeit des Wissenschaftlichen Mitarbeiters am Augsburger Lehrstuhl für Mittelalterliche Geschichte, Thomas Krüger, zeigt dagegen frühere und vor allem tiefer greifende Wurzeln für diese Phänomene auf. Krüger sieht solche im Kontext der Investiturkonflikte des 11. Jahrhunderts. Diese Konflikte begreift er als ein europäisches Thema und konzentriert sich deshalb auch in seinem Vortrag nicht auf den bekannten Streit zwischen Kaiser und Papst, sondern auf zeitgleiche Beispiele aus der Biographie des Philosophen Anselm von Canterbury (1033-1109). Anselm wurde in Aosta geboren, in der Normandie Abt, und in Canterbury Erzbischof und damit auch zweitgrößter Grundherr Englands. Er bereiste ganz Europa und hinterließ eine umfangreiche Korrespondenz. Bis heute spielen sein "ontologischer Gottesbeweis", seine "Genugtuungstheorie" und in letzter Zeit besonders auch seine Gerechtigkeitsdefinition eine bedeutende Rolle in Philosophie und Theologie. Der Vortrag von Krüger stellt den historischen Hintergrund dieser Ideen in einem neuen Lichte dar.
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    27. Januar 2005

    DR. JOHANNES MORDSTEIN:
    SELBSTBEWUSSTE UNTERTÄNIGKEIT - OBRIGKEIT UND JUDEN IN DER GRAFSCHAFT OETTINGEN IM 17. UND 18. JAHRHUNDERT

    "Nicht um ein Jota" werde der Judenschutzbrief abgeändert. Wenn die Juden nicht einverstanden seien, werde er jedem "das emigrations-recht mit vergnügen angedeyen lassen". Die wenigen Gulden, die die Juden entrichteten, wolle er nicht durch die Tränen und Seufzer seiner christlichen Untertanen erkaufen. Diese starken Worte gebrauchte 1740 Graf Johann Friedrich von Oettingen-Wallerstein, Landesherr über ein Kleinterritorium von ca. 36.000 Untertanen im Nördlinger Ries. Die kompromisslose Haltung gegenüber den Juden, die in den Augen des Grafen durch ihre betrügerischen Handelsgeschäfte für den Ruin des gesamten Landes verantwortlich seien, und die unverhüllte Ausweisungsdrohung waren eines "absolutistischen" Territorialfürsten würdig, dessen Wille - "L'état c'est moi" - umgehend in die Tat umgesetzt werden sollte. Vor diesem Hintergrund waren die Juden - scheinbar - nur die wehrlosen Opfer der antijüdischen Stereotype ihrer christlichen Umwelt und eines unumschränkt herrschenden Obrigkeitsstaats.

    Hinter derartigen vermeintlich eindeutigen Deklarationen verbirgt sich allerdings eine völlig anders geartete und wesentlich komplexere Realität, in die Johannes Mordstein im Rahmen der Reihe "Generation Klio" einführen wird. Graf Johann Friedrich konnte 1740 keines seiner Ziele durchsetzen. Stattdessen kam der neue Judenschutzbrief, der das Leitmedium zur Regelung der rechtlichen Rahmenbedingungen in der Grafschaft Oettingen darstellte, weitgehend den in zahlreichen Bittgesuchen vorgetragenen Wünschen der Juden entgegen. Dieser Beispielsfall ist durchaus symptomatisch. Die Legislationspraxis war nicht von einer obrigkeitlichen Oktroyierung geprägt, sondern auf die kommunikative Partizipation der Normadressaten angelegt. Die Juden nutzten den ihnen eingeräumten Spielraum selbstbewusst aus und konnten auf diese Weise immer wieder für alle Seiten tragbare Kompromisse erzielen.

    Ausgehend von diesen Überlegungen unternimmt Johannes Mordstein im Rahmen seines Vortrags den Versuch, das qualitative Verhältnis zwischen Obrigkeit und Juden im 17. und 18. Jahrhundert im Spiegel der normativen Quellengrundlage des Herrschaftsmediums Judenschutzbriefe zu beschreiben. Welche Faktoren prägten das Beziehungsgefüge zwischen Herrschaft und Judengemeinden? Wie wirkten sich die Fundamentalvorgänge der Epoche - Herrschaftsintensivierung, Aufbau frühmoderner Staatlichkeit - auf die Lebenswirklichkeit der Juden aus? Wurden die Juden als Sonder- oder Randgruppe der frühneuzeitlichen Gesellschaft behandelt und/oder gab es Bestrebungen, sie in den allgemeinen Untertanenverband zu integrieren?
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    10. Februar 2005

    DIETMAR SCHIERSNER:
    POLITIK, KONFESSION UND KOMMUNIKATION. STUDIEN ZUR KATHOLISCHEN KONFESSIONALISIERUNG DER MARKGRAFSCHAFT BURGAU 1550-1650

    Wieso bin ich katholisch? Weshalb mein Nachbar evangelisch? Dietmar Schiersner möchte diese Frage für das Gebiet der ehemals vorderösterreichischen Markgrafschaft Burgau beantwortet wissen, jenes Gebiet westlich der Reichsstadt Augsburg mit seinem Hauptort Günzburg. Wie kam es - Stichwort "cuius regio, eius religio" -, dass diese Markgrafschaft am Ende des Dreißigjährigen Krieges bis auf den Marktflecken Burtenbach schließlich völlig katholisch war, obwohl unter anderem evangelische Ortsherren, so die Reichsstädte Ulm und Augsburg, die habsburgische Landesherrschaft nicht anerkannten? Welche Folgen hatte umgekehrt die katholische Konfessionsbildung für die Ausprägung der Landesherrschaft in der Markgrafschaft?

    Schiersner geht in seinem Vortrag diesen Fragen anhand von Fallstudien zu Burtenbach, Unterrohr, Burgwalden, Pfersee, Bocksberg, Laugna, Emersacker, Holzheim bzw. Steinheim, Lützelburg und schließlich Günzburg nach. Der Regentschaft Markgraf Karls von Burgau in Günzburg (1610-1618) wird dabei ebenfalls besondere Aufmerksamkeit zuteil. Die Untersuchungen werfen ein bezeichnendes Licht auf die habsburgische Herrschaftspraxis und ihre erfolgreichen Strategien der Kommunikation - nicht allein in der Markgrafschaft Burgau.


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Geschichte / Archäologie, Philosophie / Ethik, Religion
    regional
    Buntes aus der Wissenschaft, Forschungsergebnisse
    Deutsch


     

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