idw – Informationsdienst Wissenschaft

Nachrichten, Termine, Experten

Grafik: idw-Logo
Science Video Project
idw-Abo

idw-News App:

AppStore

Google Play Store



Instanz:
Teilen: 
14.01.2005 11:23

Neueste Forschungen zum Plötzlichen Kindstod

S. Nicole Bongard Kommunikation und Medien
Klinikum der Universität München

    Im Jahr 2003 ist durchschnittlich jeden Tag ein Säugling am Plötzlichen Kindstod gestorben. Unter dieser Todesursache versteht man den plötzlichen und unvorhersehbaren Tod eines Kindes unter 1 Jahr während des Schlafs. Dabei gibt es in der Regel keinerlei Vorwarnungen, da die Kinder aus völliger Gesundheit heraus versterben. Mittlerweile sind aber eine Reihe von Risikofaktoren, wie das Schlafen in Bauchlage und das Rauchen der Schwangeren / Stillenden, bekannt, bei deren Vermeidung das Risiko für das Kind verringert werden kann. Aufgrund einer verbesserten Vorsorge hat sich die Anzahl der am plötzlichen Kindstod verstorbenen Kleinkinder seit etwa 1990 bis zum Jahr 2003 etwa auf ein Drittel verringert.

    Bei der heutzutage im allgemeinen niedrigen Säuglingssterblichkeit in den Industrienationen ist der plötzliche Kindstod die häufigste Todesursache im 1. Lebensjahr nach der Neonatalperiode (ersten 4 Lebenswochen) und macht etwa 40% der Todesfälle aus, obgleich die absolute Häufigkeit bezogen auf alle Lebendgeborenen gering ist. Bis in die 90er Jahre ging man in der Bundesrepublik Deutschland von etwa 1,8 pro Tausend am plötzlichen Kindstod verstorbenen Kleinkindern aus, im Jahr 2003 war die Rate bereits auf etwa 0,5 pro Tausend gesunken. Das bedeutet, dass von 2.000 Säuglingen bzw. Kleinkindern nur noch eines am plötzlichen Kindstod verstirbt.
    In den ersten 2 Lebenswochen verstirbt ein Kind nur sehr selten am plötzlichen Kindstod, und in den folgenden 2 Wochen extrem selten. In den anschließenden 6 Lebensmonaten ereignen sich mehr als die Hälfte aller Todesfälle mit einem deutlichen Häufigkeitsgipfel zwischen dem 2. und 4. Lebensmonat. Etwa 60% der verstorbenen Kinder sind Jungen. Der Tod tritt immer im Schlaf ein, wobei man vermutet, dass die meisten Todesfälle in den frühen Morgenstunden auftreten. Die meisten Säuglinge versterben in den Wintermonaten.
    Die aktuelle Statistik weist 367 Plötzliche Kindstode als häufigste Todesart im Säuglingsalter für das Jahr 2003 aus. Dies sind 800 Todesfälle pro Jahr weniger als noch vor 13 Jahren. Im November 1991 wurde im Deutschen Ärzteblatt aufgrund von Ergebnissen der Westfälischen Kindstodstudie der NRW-Landesregierung auf das Risiko der Bauchlage hingewiesen. Dieser Hinweis wurde von den Medien und Eltern rasch aufgenommen und führte bereits im Jahr 1992 zu einem Rückgang dieser Todesfälle um 400.

    Danach verlief der Rückgang langsamer aber stetig. Nach 10 Jahren konnten weitere 400 Säuglinge pro Jahr vor dem plötzlichen Kindstod bewahrt werden. Dazu trugen weitere wissenschaftliche Untersuchungen wie die vom BMBF finanzierte deutschlandweite Studie (unter Leitung von Dr. med. Gerhard Jorch, Direktor der Klinik für Allgemeine Pädiatrie und Neonatologie der Otto-von-Guericke Universität Magdeburg) bei, die die Ergebnisse der westfälischen Kindstodstudie untermauerte und weitere Risikofaktoren belegte. Somit bestehen nun eine gesicherte wissenschaftliche Grundlage und ein von einer breiten Mehrheit gesundheitsberatender Berufe getragener Konsens hinsichtlich der Inhalte der Prävention des Plötzlichen Kindstodes. Die Studiendaten zeigen, dass weitere 200 Säugligen jährlich gerettet werden können, wenn die bisher bekannten vorbeugenden Maßnahmen noch konsequenter umgesetzt werden.

    Die mit Abstand wichtigste Maßnahme ist das Schlafen in Rückenlage. Auch die Seitenlage ist risikoreich, wenn ein Drehen in Bauchlage nicht zuverlässig verhindert wird. Zusätzlich tragen zur Risikosenkung die Verwendung eines Schlafsackes statt eines Überbettes und das Schlafen im Elternschlafzimmer - aber nicht im Elternbett - bei. Verzicht auf Zigarettenrauchen oder zumindest Verminderung der Anzahl gerauchter Zigaretten im Haushalt des Kindes sowie Stillen mindestens bis zum 4. Lebensmonat fördern nicht nur die Gesundheit des Säuglings, sondern tragen auch zum Schutz vor dem Plötzlichen Kindstod bei.

    Durch einfache und kostenlose vorbeugende Maßnahmen wurden seit 1992 schätzungsweise 7000 Säuglinge in Deutschland vor dem Plötzlichen Kindstod bewahrt. Es handelt sich somit um den wirksamsten Beitrag zur Kindergesundheit des vergangenen Jahrzehnts.

    Diese Erfolgsgeschichte hat aber auch eine bittere Seite: Die Bauchlage als Hauptrisikofaktor wurde nämlich erst 1971 in die Säuglingspflege eingeführt. Der daraufhin folgende Anstieg plötzlicher Säuglingstodesfälle wurde in Westdeutschland nicht zur Kenntnis genommen. In Ostdeutschland wurde die Bauchlage nach Auftreten einzelnen Todesfällen in Kinderkrippen zwar auf dem Verordnungswege untersagt, drang aber nicht in das Wissen der medizinischen Fachwelt ein. Risiken und Nebenwirkungen von Gesundheitsempfehlungen gebührt die gleiche Aufmerksamkeit wie der von Medikamenten.

    AUSZEICHNUNG FÜR NEUESTE FORSCHUNG

    Im November 2004 fand das Wissenschaftliche Symposium "Prävention von Anfang an - Wunsch und Wirklichkeit" der Stiftung Kindergesundheit in München statt. Erstmalig wurde eine bundesweite Standortbestimmung geschaffen, die die bisherigen Erfolge, aber auch eklatante Missstände in der Vorbeugung von Kinderkrankheiten aufzeigte. Im Rahmen des Symposiums wurde erstmals der Meinhard von Pfaundler Präventionspreis der Stiftung Kindergesundheit vergeben. Professor Dr. med. Gerhard Jorch, Direktor der Klinik für Allgemeine Pädiatrie und Neonatologie der Otto-von-Guericke Universität Magdeburg erhielt die Auszeichnung in Anerkennung seiner wissenschaftlichen und präventivmedizinischen Verdienste bei der Bekämpfung des plötzlichen Kindstodes.

    Bei Rückfragen steht Ihnen zur Verfügung:
    Professor Dr. Berthold Koletzko
    Dr. von Haunersches Kinderspital am Klinikum der Universität München
    Vorsitzender der Stiftung Kindergesundheit
    Telefon 089-5160-2825


    Weitere Informationen:

    http://www.kindergesundheit.de


    Bilder

    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Ernährung / Gesundheit / Pflege, Gesellschaft, Medizin
    überregional
    Forschungsergebnisse, Forschungsprojekte
    Deutsch


     

    Hilfe

    Die Suche / Erweiterte Suche im idw-Archiv
    Verknüpfungen

    Sie können Suchbegriffe mit und, oder und / oder nicht verknüpfen, z. B. Philo nicht logie.

    Klammern

    Verknüpfungen können Sie mit Klammern voneinander trennen, z. B. (Philo nicht logie) oder (Psycho und logie).

    Wortgruppen

    Zusammenhängende Worte werden als Wortgruppe gesucht, wenn Sie sie in Anführungsstriche setzen, z. B. „Bundesrepublik Deutschland“.

    Auswahlkriterien

    Die Erweiterte Suche können Sie auch nutzen, ohne Suchbegriffe einzugeben. Sie orientiert sich dann an den Kriterien, die Sie ausgewählt haben (z. B. nach dem Land oder dem Sachgebiet).

    Haben Sie in einer Kategorie kein Kriterium ausgewählt, wird die gesamte Kategorie durchsucht (z.B. alle Sachgebiete oder alle Länder).