Jena. (12.03.99) In nahezu klassischer Vollendung runden sich die Zahlen: Zum 25. Mal findet nächste Woche (16.-21.03.), nun im 250. Geburtsjahr Johann Wolfgang Goethes, der Deutsche Kunsthistorikertag in Jena und Weimar statt. Ein Jahr vor dem (scheinbaren) Anbruch des dritten Jahrtausends erklärt sich leicht, daß sich die erwarteten 700 Wissenschaftler schwerpunktmäßig über Zeitenwenden zu verständigen suchen.
Natürlich ist die erste der 15 Themensektionen als höfliche Verbeugung vor dem Spiritus loci gemeint: Traditionslinien zwischen Aufklärung, Klassik, Frühromantik einerseits und Bauhausbewegung andererseits sollen aufgespürt werden und zeigen, daß die Moderne durchaus nicht als ein derart radikaler Aufbruch zu verstehen ist, wie etwa die Bauhaustheoretiker behaupteten. Exkursionen durch die ernestinische Doppelresidenz Jena-Weimar und ins Umland werden dies vertiefen.
Schweift der Blick zurück, so finden sich Wendezeiten allerorten, allenthalben: So stiftet Gastgeber Prof. Dr. Dieter Blume, Direktor des Kunsthistorischen Seminars an der Universität Jena und Mittelalter-Experte, zur Betrachtung der ersten Jahrtausendwende an; damals entstand im Zuge der Apokalypseerwartung eine neue Bilderwelt. Blume: "Der Weg in die Neuzeit beginnt schon eigentlich im 10. Jahrhundert." Hier zeugte rationales Denken im Verein mit dem ersehnten Weltuntergang als ,Erlösung aus dem diesseitigen Jammertal' eine intensive Neubesinnung - etwa auf die Passionsgeschichte Christi, die nun vielfach auch in Bilderzyklen dargestellt wurde.
Fast beschaulich mutet dieser Wandel an vor dem Blick ins 20. Jahrhundert. Die rasante Beschleunigung im Maschinenzeitalter verursacht immer raschere Brüche, Aufbrüche, Wendemanöver. So diskutieren die Kunsthistoriker die sechziger Jahre als ,Sattelzeit', bescherte sie doch dem europäischen Kontinent den Einbruch der ,american art', damit den ästheti-schen Wandel zu Fluxus und Minimalismus, und bis Joseph Beuys' "Jeder Mensch ist ein Künstler" war es dann nur noch ein kleiner Schritt.
Neue Medien, neue Möglichkeiten - der ,iconic turn' in virtuelle Realitäten, Werbewelten, Hyperfictions prägt nun die letzten zwei Jahrzehnte unseres Jahrtausends. "Mir ist vor dieser Bilderflut nicht bange", klärt Dieter Blume Blick und Sinn, "man muß nur das bewährte Methodenrepertoire der Kunstgeschichte anwenden, um zu begreifen, wie die neuen Bilder uns in ihren Bann ziehen." Der Unterschied zwischen einem mittelalterlichen Altar-Triptychon und der neuzeitlichen Plakatwand oder Video-Installation ist funktionell und zeichenhaft gering. Trotzdem fragt der Kongreß vorsorglich schon nach dem künftigen Verbleib der klassischen Medien.
Daß letztlich auch die eigene Profession von raschem Wandel nicht verschont bleibt, ist den Kunstexperten evident. Neben der klassischen Trias von Universität, Museum, Denkmalpflege treten Kunsthistoriker nun auch als Unternehmer auf. Es gibt immer mehr ,Freelancer', die in Projektarbeiten zum Beispiel Ausstellungen wissenschaftlich aufbereiten und mit allen Details schließlich ins Werk setzen. Die herkömmlichen Berufsfelder haben sich inhaltlich gewandelt. Dieter Blume: "Die sinnvolle Gestaltung von Freizeit ist heute die gesellschaftliche Aufga-be für die Kunstgeschichte. Ohne Kreativität, ohne ästhetisches Bewußtsein wäre diese Freiheit arm." Insofern ist ihm um die Zukunft seines Faches nicht angst. Frohgemut erwartet er die Kollegen in Jena.
Ansprechpartner:
Prof. Dr. Dieter Blume
Tel.: 03641/944171 oder 944150, Fax: 944152
Friedrich-Schiller-Universität
Referat Öffentlichkeitsarbeit
Dr. Wolfgang Hirsch
Fürstengraben 1
07743 Jena
Tel.: 03641/931031
Fax: 03641/931032
e-mail: h7wohi@sokrates.verwaltung.uni-jena.de
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Kunst / Design, Musik / Theater
überregional
Buntes aus der Wissenschaft, Wissenschaftliche Tagungen
Deutsch
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