Greifswalder Wissenschaftler helfen beim Wiederaufbau
ziviler medizinischer Strukturen im Irak
Unter der wissenschaftlichen Leitung des Instituts für Community Medicine an der Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifwald findet vom 7. bis 16. Februar 2005 in der jordanischen Hauptstadt Amman eine Summer School statt, an der 20 irakische Ärzte und Naturwissenschaftler teilnehmen.
Ziel dieser intensiven Schulung, an der sich auch Wissenschaftler der Universitäten Bremen und Frankfurt am Main beteiligen, ist der Wiederaufbau ziviler medizinischer Strukturen im Bereich der Epidemiologie nach internationalen Standards. Die Epidemiologie befasst sich mit Krankheiten im Hinblick auf ihre Häufigkeit, ihre Verteilung in der Gesamtbevölkerung, ihre Zuordnung zu bestimmten Bevölkerungsgruppen, um daraus entsprechende Vorbeugungsmaßnahmen ableiten zu können. In der Summer School sollen gemeinsam mit den Dozenten die epidemiologischen Methoden entwickelt werden, die für eine aussagekräftige Untersuchung der betroffenen Bevölkerung und Umwelt im Nachkriegs-Irak nötig sind.
Die Summer School wird vom Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD) finanziert, der vom Auswärtigen Amt Deutschlands im Rahmen des zivilen Wiederaufbaus beauftragt worden ist, im kriegszerstörten Irak Hochschul-Sonderprogramme für den wissenschaftlichen Austausch einzurichten. Zusätzlich zu den Summer Schools wird seit Dezember 2004 bis 2006 ein Stipendienprogramm durchgeführt, über das rund 350 irakische Studierende und Wissenschaftler zu Bildungsaufenthalten nach Deutschland kommen können. Anfang Dezember letzten Jahres sind die ersten 18 irakischen Studenten aus den Fachbereichen Archäologie, Natur-, Ingenieur- und Wirtschaftswissenschaften sowie Medizin und öffentliche Gesundheit für dreijährige Studienaufenthalte in Deutschland eingetroffen.
Die Schwerpunkte der Summer School werden in den Bereichen Expositionsermittlung (Belastungsmessungen) und Methoden der Umweltepidemiologie liegen. Die Themen sind mögliche gesundheitliche Auswirkungen der Kriegs- und Umweltschäden in der Bevölkerung, sind also von der derzeitigen Situation im Irak bestimmt. In Folge zweier Kriege sowie des langjährigen Wirtschaftsembargos wurde die zivile Infrastruktur im Irak systematisch zerstört. Die im Krieg eingesetzten Waffen und das Inbrandsetzen von Ölquellen verursachten darüber hinaus große Umweltschäden.
Die Gesundheit der betroffenen irakischen Zivilbevölkerung ist dadurch möglicherweise erheblich beeinträchtigt und auch in Zukunft gefährdet. Die Gesundheitsrisiken durch die Verwendung von Chemiewaffen und uranhaltiger Munition sowie brennende Ölförderanlagen müssen erfasst und in epidemiologischen Studien mit wissenschaftlichen Methoden analysiert werden. Irakische Ärzte des Kinderkrankenhauses in Basra berichteten beispielsweise von einem Anstieg der Krebshäufigkeit bei Kindern. Es wird befürchtet, dass die in der Umgebung von Basra eingesetzte Uranmunition Ursache dieser angestiegenen Zahl der Krebserkrankungen sein könnte.
Erschwerend kommt für die Zivilbevölkerung hinzu, dass die Einrichtungen der medizinischen Versorgung nur eingeschränkt arbeiten können und zum Teil stark beschädigt oder ganz zerstört worden sind. In den Krankenhäusern fehlen Basismedikamente und medizinisches Material wie Spritzen, Infusionssets, Handschuhe oder Nahtmaterial und auch Blutkonserven. Kontaminiertes Trinkwasser und offene Abwässerkanäle führen zudem bei vielen Patienten in Krankenhäusern zu Infektionen.
"Die fehlende technische Infrastruktur im Irak stellte für die Organisatoren im Vorfeld der Summer School durchaus eine Herausforderung dar", so der wissenschaftliche Leiter, der Greifswalder Universitätsprofessor und Versorgungsforscher Wolfgang Hoffmann. "Wir hoffen sehr, dass alle irakischen Teilnehmer, die aus verschiedenen Regionen Iraks über den Flughafen Bagdad anreisen, gesund die jordanische Hauptstadt erreichen werden. Die Dozenten werden nicht nur eine wissenschaftliche Fortbildung vermitteln und den irakischen Ärzten helfen, eigene Studien durchzuführen und Krebsregister aufzubauen. Unter diesen besonderen Bedingungen wird diese Summer School auch bei den Dozenten den wissenschaftlichen wie persönlichen Horizont erweitern."
Hintergrund: Institut für Community Medicine Greifswald
Community Medicine (CM) ist eine bevölkerungsbezogene medizinische Wissenschaft mit starkem Praxisbezug. Im Zentrum steht die Analyse, Intervention und Evaluation auf der regionalen Bevölkerungsebene. Basiswissenschaften der CM sind Human- und Zahnmedizin, Epidemiologie und Biometrie, Sozialmedizin, Demographie, Gesundheitspsychologie und Medizinische Informatik. Forschungsschwerpunkte der CM liegen in der analytischen Epidemiologie und Risikofaktorenforschung, Versorgungsforschung, Gesundheitssystemforschung und Transferforschung. Als Ergebnis bevölkerungsbezogener Forschung und Lehre in der Region sollen neuartige Modelle im Bereich der rationalen Gesundheitsförderung, der ambulanten und stationären Versorgung sowie der Rehabilitation und Pflege entwickelt und in die Praxis umgesetzt werden. Ziele der CM sind die Verbesserung der Lebensqualität der Bevölkerung und die langfristige Sicherung der medizinischen Versorgung.
Ansprechpartner
Institut für Community Medicine
Abt. Versorgungsepidemiologie und Community Health
Leiter: Prof. Dr. med. Wolfgang Hoffmann, MPH
Ellernholzstraße 1 - 2, 17487 Greifswald
T +49 (0) 3834/86 77 50
F +49 (0) 3834/86 77 52
E wolfgang.hoffmann@uni-greifswald.de
http://www.klinikum.uni-greifswald.de
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Biologie, Ernährung / Gesundheit / Pflege, Gesellschaft, Medizin, Meer / Klima, Umwelt / Ökologie
überregional
Forschungs- / Wissenstransfer
Deutsch
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