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23.03.1999 07:10

Arbeitsmarktpolitische Herausforderungen im Ruhrgebiet

Joachim Schmidt Kommunikation
Rheinisch-Westfälisches Institut für Wirtschaftsforschung e.V.

    Auf das Ruhrgebiet entfielen Ende 1998 286.156 gemeldete Arbeitslose, bezogen auf Deutsch-land waren dies immerhin 6,8 vH. Läßt man einmal das Land Sachsen außer Acht, kannte das Ruhrgebiet damit mehr Arbeitslose als Berlin oder die anderen neuen Bundesländern. Allein der Arbeitsamtsbezirk Dort-mund wies fast so viele Arbeitslose auf wie das Saarland. Höhe und Ent-wicklung des Arbeitsmarktes Ruhrgebiet bestimmen somit jene des Landes Nordrhein-Westfalen und auch jene Deutschlands.
    Könnte man die Arbeitslosenzahl Nordrhein-Westfalens, die sich Ende Dezember 1998 auf 846.705 gemeldete Fälle belief, halbieren, würde die Arbeitslosenquote (bezogen auf zivile Er-werbspersonen) des Bundesgebiets West, die im Dezember 1998 noch 9,3 vH betrug, rechnerisch auf 7,9 vH sinken. Würde man gleiches für das Ruhrgebiet machen, würde die Nordrhein-Westfalens (10,5 vH) rechnerisch auf 8,7 vH fallen. Läßt man einmal Nordrhein-Westfalen, Bay-ern, Niedersachsen, Sachsen und Baden-Württemberg außer Acht, würde die Halbierung der Ar-beitslosenzahlen des Reviers rechnerisch mehr bringen als die Halbierung der offiziellen Werte in den restlichen Ländern einschließlich der neuen Bundesländer, deren Arbeitslosenzahlen "geschönt" sind und etwa 15 bis 20 vH zu niedrig ausgewiesen werden. Dies verdeutlicht die Be-deutung des Ruhrgebiets für den Arbeitsmarkt in Deutschland.
    Die Arbeitsmarktprobleme des Landes Nordrhein-Westfalen werden entscheidend durch das Ruhrgebiet geprägt. Rechnet man aus den Landeswerten die Arbeitslosen bzw. sozialversiche-rungspflichtig Beschäftigten des Ruhrgebiets heraus, schwinden die Unterschiede in der Entwick- lung zwischen dem Bundesgebiet West und dem Rest Nordrhein-Westfalens weitgehend.
    Die Arbeitsmarktprobleme des Ruhrgebiets kommen vor allem in den konjunkturellen Auf-schwungjahren zum Vorschein. Der Abbau der Arbeitslosigkeit erfolgt später und schwächer. Der konjunkturell determinierte Anteil der Arbeitslosigkeit des Reviers ist in den letzten Jahren ge-sunken und liegt grob geschätzt nur noch bei ca. 15 vH.
    So hat die Trendwende am Arbeitsmarkt im Jahre 1998 das Ruhrgebiet nur unterdurchschnittlich erfaßt. Vergleicht man z.B. die Dezemberwerte 1998 mit den entsprechenden Vorjahreswerten, ging die Zahl der Arbeitslosen in Deutschland um 7,2 vH, in den neuen Bundesländern um 9,8 vH, in den alten um 5,9 vH, in Nordrhein-Westfalen um 4,4 vH und im Ruhrgebiet um 3,7 vH zurück. Bayern verzeichnete einen Rückgang um 7,9 vH, Baden-Württemberg erfuhr sogar einen um 9,6 vH. Mit anderen Worten: Die Zahlen zeigen flächendeckend eine konjunkturbedingte Ar-beitsmarktwende in Deutschland. Sie fiel in Nordrhein-Westfalen und dem Ruhrgebiet jedoch geringer aus als in Westdeutschland oder in Bayern und Baden-Württemberg. Die größten Abbau-raten, und zwar mit Werten zwischen 10 vH und 17 vH, gab es hier in Süddeutschland. Zu nen-nen sind etwa die Arbeitsamtsbezirke Villingen-Schwenningen (-16,9 vH), Ingolstadt (-16,7 vH), Göppingen (-14,4 vH), Rottweil (-14,1 vH), Waiblingen (-13,5 vH) oder Stuttgart (-13,4 vH). Hier war es vor allem der expandierende Industriebereich, der Erwerbssuchende aufnahm und die Arbeitslosigkeit absinken ließ. Relativ bescheiden fiel demgegenüber der Umkehrprozeß in Nord-rhein-Westfalen und im Ruhrgebiet aus. Typische Beispiele sind die Bezirke Gelsenkirchen (-0,02 vH), Solingen (-0,6 vH), Hamm (-1,6 vH), Recklinghausen (-1,8 vH), Köln (-2,5 vH), Bo-chum (-3,0), Wuppertal (-3,1 vH), aber auch Bonn (-3,6). Diese Bezirke liegen, was die Redukti-on der Arbeitslosigkeit betrifft, noch schlechter als das Ruhrgebiet insgesamt.
    Auch ein Vergleich der offenen Stellen mit der Zahl der Arbeitslosen bestätigt dieses regionale Gefälle, wobei zu beachten ist, daß nur knapp 40 vH der offenen Stellen den Arbeitsämtern ge-meldet werden. Ende 1998 lag die Relation "gemeldete offene Stellen/gemeldete Arbeitslose" in den Regionen Freising, Stuttgart, Mainz, München, Villingen-Schwenningen, Rottweil, Nagold, Ulm, Koblenz und Ludwigshafen über 0,2, d.h. entsprechend hochgerechnet entfiel auf zwei Ar-beitslose etwa eine offene Stelle. Dies bedeutet, daß der Arbeitsmarkt - vor allem was qualifi-zierte Kräfte betrifft - "leergefegt" ist. Der Durchschnittswert in Westdeutschland betrug 0,1, jener des Ruhrgebiets 0,07, der Landeswert entsprach weitgehend dem Westdeutschlands. Die schlechtesten Relationen innerhalb des Ruhrgebiets wiesen mit 0,04 die Bezirke Duisburg und Recklinghausen auf, es folgten Gelsenkirchen mit 0,05 bzw. Bochum und Dortmund mit 0,06. Hochgerechnet entfiel damit im Ruhrgebiet auf rund 6 Arbeitslose nur eine offene Stelle.
    Im Ruhrgebiet hat sich ein Arbeitslosensockel aufgebaut, der durch eine hohe Vermittlungsferne gekennzeichnet ist. Zwei Problemgruppen treten hierbei besonders hervor: Bei der ersten handelt es sich um Arbeitslose, die durch hohes Alter, körperliche Behinderung und Qualifizierungsdefi-zite gekennzeichnet sind; sie sind kaum mehr vermittelbar. Ihr Anteil an den Arbeitslosen beträgt ca. 20 vH. Knapp 7 vH aller Arbeitslosen des Reviers sind Sozialplan-Arbeitslose, die aus sozial-rechtlichen Gründen dem Arbeitsmarkt nicht mehr zur Verfügung stehen. Die zweite Problem-gruppe bilden jüngere Arbeitslose mit geringer bzw. sogar fehlender Erwerbsmotivation, beacht-lichen Qualifikationsdefiziten und häufig ausländischer Herkunft. Unter arbeitsmarktpolitischen Aspekten muß dieser Gruppe besondere Aufmerksamkeit zugewendet werden.
    (aus einem Vortrag von Prof. Dr. Paul Klemmer im Rahmen der gemeinsamen Veranstaltung der Essener Wirtschaftsförderungsgesellschaft zusammen mit dem RUFIS und dem RWI )
    Ihre Ansprechpartner zu dieser Veröffentlichung: Prof. Dr. Paul Klemmer, Tel.: -228
    Joachim Schmidt (Pressestelle), Tel.: -292


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Gesellschaft, Wirtschaft
    überregional
    Forschungsergebnisse
    Deutsch


     

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