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09.02.2005 12:00

Wenn Kobras spucken, bleibt kein Auge trocken

Frank Luerweg Dezernat 8 - Hochschulkommunikation
Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn

    Speikobras spucken ihr Gift etwaigen Angreifern ins Gesicht - nach manchen Berichten sogar über eine Entfernung von mehreren Metern. Erstaunlich häufig trifft der ätzende Toxincocktail die Augen des Gegners und kann dort zur Erblindung führen. Zoologen der Universität Bonn haben herausgefunden, wie die Schlangen ihre Trefferquote maximieren: Während sie das Gift mit hoher Geschwindigkeit aus ihren Fangzähnen herausschießen, bewegen sie den Kopf kreisend oder wippend hin und her. Der ganze Vorgang dauert durchschnittlich nur eine zwanzigstel Sekunde und ist mit bloßem Auge nicht zu sehen. Die Kopfbewegung bewirkt, dass sich das Gift auf dem Ziel verteilt. Eine Kobraart schaffte es so, bei jedem Spucken mindestens ein Auge zu treffen. Die Wissenschaftler haben ihre Ergebnisse beim international renommierten Journal of Comparative Physiology zur Veröffentlichung eingereicht.

    Die Rote Mosambik-Speikobra richtet sich auf und fixiert das Gesicht, das sich vor ihr hin- und herbewegt. Einige Sekunden steht sie so; dann zuckt ihr Kopf blitzartig nach vorne. Für einen Moment sind in ihrem weit aufgerissenen Maul die Fangzähne vor dem blassrosafarbenen Schlund zu sehen, während sie ihr Gift dem Feind mit Hochdruck entgegenspuckt. Auf dem Kunststoffvisier erscheinen zwei spiralförmige rote Muster. Die Augen dahinter blicken erstaunlich unbeeindruckt. "Ich habe das Visier vorher mit Rhodamin bestäubt", erklärt Katja Tzschätzsch nüchtern, "das ist ein Pigment, das Flüssigkeiten rot einfärbt. So sind die Giftspuren besser zu erkennen."

    Die angehende Lehrerin hat in ihrer Examensarbeit untersucht, wohin Speikobras beim Spucken zielen. "In der Literatur heißt es oft: Die spucken auf die Augen", erklärt ihr Betreuer Dr. Guido Westhoff, Wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Arbeitsgruppe von Professor Dr. Horst Bleckmann. "So richtig untersucht hat das bislang aber noch niemand." Der Toxincocktail besteht einerseits aus Nervengiften, enthält aber auch Komponenten, die das Gewebe schädigen. Durch einen feinen Kanal in ihren Giftzähnen können die Schlangen die Flüssigkeit unter hohem Druck wegspritzen - ähnlich wie die Kugel in einem Gewehrlauf. Treffen sie dabei ein Auge, reagiert die empfindliche Hornhaut mit starken brennenden Schmerzen. Im ungünstigsten Fall führen die Verätzungen schließlich zur Erblindung.

    Als Versuchstiere dienten Katja Tzschätzsch vier Mosambik- und sechs Schwarzhals-Speikobras aus dem Tierhaus am Poppelsdorfer Schloss. Bei ihren Experimenten trat sie ihnen entweder - mit einem Plastiksichtschutz bewehrt - selbst gegenüber oder konfrontierte sie mit verschiedenen Fotos. Für beide Arten hielt sie den Spuckvorgang zudem mit einer Hochgeschwindigkeits-Videokamera fest. "Die Schlangen spucken tatsächlich nur auf sich bewegende Gesichter", so ihr erstes Ergebnis; "Bewegungen mit der Hand reichten dazu bei keinem der Tiere aus." Von den Fotos ließen sich nur zwei Kobras stimulieren. Die spuckten aber sogar dann, wenn Tzschätzsch auf den Bildern ein Auge wegretuschierte. Selbst wenn beide Augen fehlten, zeigte sich eine der Schwarzhals-Speikobras noch angriffslustig. "Für wirklich aussagekräftige Ergebnisse bräuchten wir aber eine größere Stichprobe."

    Wie treffsicher beide Arten sind, zeigte die Auswertung der Giftspuren auf den Fotos und dem Visier: Die Schwarzhals-Speikobras trafen bei acht von zehn Versuchen mindestens ein Auge, die Roten Mosambik-Speikobras waren sogar zu 100 Prozent erfolgreich. Die Spuren der beiden Arten unterscheiden sich allerdings deutlich: Währen die Schwarzhals-Speikobra ihr Gift eher versprüht, erinnert die Toxin-Attacke ihrer rot gefärbten Verwandten an den Schuss aus einer doppelläufigen Wasserpistole. Ausschlaggebend für die hohe Trefferquote ist ein Verhaltensmuster, das die Wissenschaftler bei beiden Arten beobachten konnten. "In der Superzeitlupe kann man deutlich erkennen, dass die Schlangen ihren Kopf beim Abschuss des Toxins schnell bewegen", erklärt Dr. Westhoff. "Ganz ähnlich wie wir es machen, wenn wir beim Blumengießen mit dem Schlauch das ganze Beet wässern möchten." Dadurch verteilt sich das Gift über eine größere Fläche; die Chance, dass auch ein Auge getroffen wird, steigt.

    Mit einem Vorurteil möchte der Zoologe dann noch aufräumen: "Kobras spucken nur, wenn sie sich bedroht fühlen, nicht, um Beute zu machen", sagt er; "alles andere ist Legende." Ihre Beute erlegen sie wie andere Giftschlangen auch, indem sie ihnen mit einem Biss ihr Gift injizieren, das dann im Kreislauf seine tödliche Wirkung entfaltet. Menschen gehören nicht zu ihrem Beutespektrum; dennoch sind die Tiere gefährlich - selbst wenn sie noch sehr jung sind. Westhoff: "Ich bin schon einmal von einer gerade geschlüpften Speikobra attackiert worden - die hat mich praktisch aus dem Ei angespuckt."

    Bilder zu dieser Pressemitteilung gibt's im Internet unter http://www.uni-bonn.de/Aktuelles/Presseinformationen/2005/046.html. Dort gibt es auch einen sechsminütigen Film über das Speikobra-Projekt.

    Achtung: Zu dieser Pressemitteilung steht Video-Footage-Material auf Betacam SP zur Verfügung. Interessierte Redaktionen können sich mit der Abteilung Presse und Kommunikation (Tel.: 0228/73-4728; Fax: 0228/73-7451; E-Mail: wissen@uni-bonn.de) in Verbindung setzen.

    Kontakt:
    Dr. Guido Westhoff
    Institut für Zoologie der Universität Bonn
    Telefon: 0228/73-5476; E-Mail: gwesthoff@uni-bonn.de


    Weitere Informationen:

    http://www.uni-bonn.de/Aktuelles/Presseinformationen/2005/046.html - Bilder und Kurzfilme


    Bilder

    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Biologie, Informationstechnik
    überregional
    Forschungsergebnisse
    Deutsch


     

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