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01.04.1999 09:30

Hautzellverpflanzung : Therapie für Narben (Keloid) nach Verbrennung

Dr. med. Silvia Schattenfroh GB Unternehmenskommunikation
Charité-Universitätsmedizin Berlin

    AUS DER MEDIZIN FÜR DIE MEDIEN Nr.8 1999

    Etwa 23 000 Kinder in der Bundesrepublik erleiden jedes Jahr Verbrennungen mittleren Grades, oftmals durch Verbrühungen oder durch offenes Feuer beim Grillen im Freien. Nach Abheilen der Wunden bleiben oft großflächige Narben zurück, nicht selten gekennzeichnet durch überschüssige Hautwucherungen. Diese sogenannten Keloide sind nicht nur kosmetisch störend und psychologisch problematisch, sondern beeinträchtigen auch die Funktion der Haut und nicht selten auch die Beweglichkeit der Gelenke. Beugung und Streckung, Innen- und Außendrehung sind wegen der harten und unbeweglichen Keloide nur eingeschränkt oder gar nicht mehr möglich.
    Für das Krankheitsbild der "Narbenkeloide nach Verbrennung" ist an der "Klinik für Kinderchirurgie" der Charité ein neues Behandlungsverfahren entwickelt worden, das inzwischen bei zwei Kindern angewandt wurde. Es beruht auf der Verpflanzung von im Labor gezüchteten, patienteneigenen Hautzellen.
    In Kooperation mit dem auf Zellzüchtung, insbesondere auf die Züchtung von bestimmten Hautzellen (Keratinozyten) spezialisierten Laborarzt Andreas Kage aus dem "Institut für Laboratoriumsmedizin und Pathobiochemie" hat der Chirurg Albrecht Bettermann zwei Kinder, einen Jungen von jetzt 11 und ein Mädchen von 9 Jahren operiert. Beide hatten in früher Kindheit starke Verbrennungen erlitten. Der Junge trug vor allem Narbenstränge am Rücken und in der Flanke davon. Bei dem Mädchen war hauptsächlich ein Schultergelenk betroffen, das durch die Narbenkeloide nur noch eingeschränkt beweglich war. Als Folge der Keloide hatten beide Kinder auch bereits Haltungsschäden entwickelt.
    In der Klinik wurde ihnen zunächst je ein etwa 2 Quadratzentimeter großes Hautstück entnommen. Dr. Kage züchtete daraus Kereatinozyten mit einem etwa 5 prozentigen Anteil von Bindegewebszellen (Fibroblasten) auf einem Nährmedium, bis sich im Laufe von 4 bis 6 Wochen ein Zellrasen in einer Ausdehnung von 10 mal 10 = 100 Quadratzentimetern gebildet hatte. Zu diesem Zeitpunkt entnahm dann Dr. Bettermann aus dem Keloid-Narbenbereich der Kinder ein gleich großes Gewebestück einschließlich des Unterhautfettgewebes.
    Bei dem gut genährten Jungen entstand so eine etwa 2 cm tiefe, flächige Gewebelücke, die bei dem schlanken Mädchen nur einige Millimeter tief ausfiel. In die Lücke, direkt auf die Muskulatur, wurden die auf eine Kollagenmembran aufgebrachten Hautzellen eingepaßt und mit einer porösen, luftdurchlässigen Silikonschicht abgedeckt, die nach etwa 14 Tagen abgenommen wurde. Bis dahin hatten sich die transplantierten Zellen darunter in mehreren hundert Zellschichten massiv vermehrt. Etwa 6 Wochen später wurde eine zweite Schicht von Keratinozyten aufgebracht und der Hautbereich lediglich steril verbunden. Die Zellen wuchsen weiter, bis sie das Niveau der angrenzenden Haut erreicht hatten. Bei dem Mädchen war dieser Zustand schneller erreicht als bei dem Jungen.
    Die Kinder sind schulfähig und ihre neue Haut soll nicht geschont, sondern durch Belastung konditioniert werden. Das heißt, sie sollen sich ganz normal verhalten, dürfen sich auch der Sonne aussetzen oder schwimmen gehen. Die Haut ist jetzt, ein halbes Jahr nach der Transplantation, oberflächlich glatt, von rötlicher Farbe, weich und verschieblich und fettet selbständig. Die Kinder haben ihren Haltungsschaden ausgeglichen und das Mädchen kann sein Schulter-Armgelenk wieder weitgehend frei bewegen. Die Kinder sind von der Qualität der neuen Haut so angetan, daß sie auch an weiteren Narbenpartien behandelt werden wollen. Dies könnte ambulant oder innerhalb von 1-2 Tagen eines Klinikaufenthaltes geschehen, meinen die Ärzte.
    Daß die Transplantation auch ein halbes Jahr nach dem Eingriff nicht zu erneuter Narbenbildung mit Keloidcharakter geführt hat, war nicht unbedingt vorauszusehen. Denn üblicherweise entwickelt sich, wenn im Keloidbereich operiert wird, in Kürze erneut wucherndes Narbengewebe. Daß dies in den beiden Fällen ausgeblieben ist, weist auf die funktionelle Verbesserung dieser Form der Behandlung hin.
    Über die tatsächliche Zusammensetzung der neuen Haut können die Ärzte nichts Genaues sagen. Denn die dafür notwendige Entnahme einer Gewebeprobe zu feingeweblicher Untersuchung war nicht Gegenstand der Erlaubnis der Ethikkommision, die ihre Zustimmung nur zu dem "individuellen Therapieverfahren" bei den Kindern gegeben hatte. Die Ärzte nehmen aber an, daß es sich um ein Mischgewebe handelt, in das wahrscheinlich auch Zellen aus der Umgebung eingewachsen sind. Den Zellcharakter zu studieren, ohne den Kindern durch Stanzbiopsien Verletzungen zuzumuten, ist zur Zeit noch nicht möglich.
    Dennoch läßt sich heute schon sagen, daß die Verpflanzung von Keratinozyten bei Keloid wirksam und zumutbar ist. Noch wird die Behandlung im Rahmen der Klinikforschung betrieben und bezahlt. Es ist aber zu erwarten, daß sich die Zelltransplantation auch bei Erwachsenen zur Behandlung von Keloiden eignet. Damit würde sich für das Verfahren ein weites Feld eröffnen, denn Keloide sind verbreitet und bisher nur unbefriedigend therapierbar.
    Der Erfolg der Hautzelltransplantation beruht nach Ansicht von Bettermann und Kage auch auf der Verbesserung der Methoden der Zellzüchtung, mit der sich Kage schon seit 9 Jahren befaßt. In dieser Zeit sei die Wachstumstimulation durch Zytokine erleichtert worden, sagt Kage. Dadurch gelingt das Anwachsen dieser Zellen auch bei abwehrgeschwächten Patienten, die aus anderen Gründen als der Beseitigung von Narbenkeloiden Hauttransplantate benötigen. Über den Einsatz von Keratinozyten bei schwer kranken Kindern, die beispielsweise durch Behandlung mit Zytostatika belastet sind, wird Bettermann auf dem diesjährigen Deutschen Chirurgenkongreß berichten, der direkt nach Ostern in München stattfindet.
    Silvia Schattenfroh

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    Charité
    Medizinische Fakultät der Humboldt-Universität zu Berlin

    Dekanat
    Pressereferat-Forschung
    Dr. med. Silvia Schattenfroh
    Schumannstraße 20/21
    10117 Berlin

    FON: (030) 2802-2223
    FAX: (030) 2802-3625
    e-mail: silvia.schattenfroh@charite.de


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Ernährung / Gesundheit / Pflege, Medizin
    überregional
    Forschungsergebnisse
    Deutsch


     

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