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14.04.1999 12:12

Nur eine glatte "Null" für den Gummihandschuh - Neues Meßverfahren für Bild und Spiegelbild

Dr. Andreas Archut Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG)

    Die Hände eines Menschen gleichen sich wie Bild und Spiegelbild; dennoch sind sie nicht gleich. Während die meisten Menschen mit der rechten Hand passabel schnell und lesbar schreiben können, gerät ihnen die Schrift zum Krickelkrakel, wenn sie das Schreibgerät in die Linke nehmen. Ein ganz ähnliches Phänomen beobachtet man in der Natur: zu vielen Molekülen gibt es ein Spiegelbild, das wie im Falle der menschlichen Hände zwar augenscheinlich gleich aufgebaut ist, aber chemisch anders reagieren kann. Solche ungleichen Paare nennt der Chemiker "Enantiomere" (vom griechischen enantion = Gegenteil), das Phänomen der Spiegelbildlichkeit als solches bezeichnet er als "Chiralität".

    Ihren kleinen Unterschied offenbaren Enantiomere immer dann, wenn sie mit anderen chiralen Substanzen wechselwirken. So weiß jeder, daß ein linker Handschuh nur auf eine linke Hand paßt. Nicht anders verhalten sich zum Beispiel Arzneistoffe: Ihre Wirkung beruht wie beim Handschuh auf der richtigen Paßform. Der Wirkstoff kann sich im Körper nur dann an chirale "Andockstellen", sogenannte Rezeptoren, anlagern, wenn er die entsprechende Struktur hat. Das Spiegelbild des Medikaments wäre dagegen wirkungslos oder sogar schädlich. Ein klassisches Beispiel ist das Schlafmittel Contergan®: Während sein eines Enantiomer bei Schwangeren embryonale Mißbildungen verursacht, hat das andere keine gefährlichen Nebenwirkungen.

    Chemiker in dem von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderten Bonner Sonderforschungsbereich "Wechselwirkungen in Molekülen" haben nun ein Rechenverfahren entwickelt, das der Chiralität eines Moleküls mit Hilfe der Quantenmechanik einen Zahlenwert zuordnet, der das Ausmaß der Chiralität angibt. Seit 1989 untersuchen die Bonner Forscher aus der anorganischen, organischen, physikalischen und theoretischen Chemie sowie aus der Physik die Eigenschaften chiraler Moleküle. Bislang konnte man mittels theoretischer Methoden nur voraussagen, ob ein Molekül überhaupt chiral ist, oder ob nicht. Dagegen ließe sich mit dem neuen theoretischen Meßverfahren beispielsweise die Wirksamkeit potentieller Medikamente im voraus abschätzen, bevor sie überhaupt im Labor hergestellt und getestet worden sind. Dies würde zu einer erheblichen Vereinfachung bei der Suche nach neuen Wirkstoffen führen.

    Die klassischen Theorien über die Chiralität basieren lediglich auf der räumlichen Verteilung der Atome in einem Molekül. Sie lassen die Elektronen, die Atomkerne umgeben und die chemischen Eigenschaften eines Moleküls bestimmen, unberücksichtigt. Diese Elektronen werden durch sogenannte Wellenfunktionen beschrieben, die den Gesetzen der Quantenmechanik gehorchen. Hier setzen die Bonner Forscher an: In einem ersten Schritt berechnen sie für das Molekül mit Standardverfahren der Quantenchemie eine Wellenfunktion. Ein eigens entwickeltes Computerprogramm berechnet dann daraus in einem zweiten Schritt das Chiralitätsmaß, das auf einer Skala von 0 ("nicht chiral") bis 100 ("maximal chiral") liegt. Würde man das Verfahren auf Handschuhe anwenden, erhielte man je nach Paßform bei einem klassischen Fingerhandschuh einen hohen Zahlenwert, bei einem Fäustling (bei dem sich Bild und Spiegelbild weniger unterscheiden) wohl nur einen mittleren. Ein Gummihandschuh, wie er im Autoverbandkasten enthalten ist, erhielte dagegen eine "Null", denn er paßt der rechten Hand genauso wie der linken.

    Weitere Informationen erteilt PD Dr. Stefan Grimme, Institut für Physikalische und Theoretische Chemie der Universität Bonn, Telefon (0228) 73-3332, E-Mail: grimme@thch.uni-bonn.de


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Biologie, Chemie, Ernährung / Gesundheit / Pflege, Informationstechnik, Mathematik, Medizin, Physik / Astronomie
    überregional
    Forschungsergebnisse
    Deutsch


     

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