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26.02.1998 00:00

Wirkungsweise neuartiger Keimkiller entschlüsselt

Dorothea Carr Dezernat 8 - Hochschulkommunikation
Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn

    Mersacidin -Hoffnungstraeger gegen antibiotikaresistente Krankheitserreger

    Jahrzehntelang galten Antibiotika als Wunderwaffe gegen fast alle Arten von bakteriellen Krankheitserregern. Deshalb wurden sie gerne und oft verordnet, die Forschung auf diesem Gebiet fast eingestellt. Ein fataler Irrtum - wie sich laengst gezeigt hat: Immer haeufiger traten Keime auf, die sich als resistent gegen gaengige Antibiotika erwiesen. Auf der Suche nach Substanzen mit anderen Wirkungsmechanismen stiessen Wissenschaftler vor einiger Zeit auf die Gruppe der Lantibiotika. Doch erst jetzt konnte durch Forschungen am Institut fuer Medizinische Mikrobiologie und Immunologie der Universitaet Bonn die typische Wirkungsweise einer dieser Substanzen entschluesselt und die hohe Wirksamkeit des Lantibiotikums Mersacidin gegen multiresistente Keime nachgewiesen werden.

    Wie ueberall auf der Welt konnten auch die Wissenschaftler des Bonner Instituts, an dem sich auch das nationale Referenzzentrum fuer Staphylokokken befindet, seit einigen Jahren eine beunruhigende Entwicklung verfolgen: Anfang der 40er Jahre liessen sich noch nahezu alle Staemme von Staphylococcus aureus, Erregern, denen eine Reihe von eitrigen und endzuendlichen Erkrankungen zugeschrieben wird, mit dem Antibiotikum Penicillin behandeln. Bereits zehn Jahre spaeter tauchten erste resistente Bakterienstaemme auf. Durch die Entwicklung von Penicillinderivaten, z. B. Methicillin, konnte diesem Phaenomen einige Jahre wirkungsvoll begegnet werden. Mittlerweile sind jedoch bereits 15% der Staphylokokken resistent gegen Methicillin und mit gaengigen Medikamenten nicht mehr zu bekaempfen - sie sind multiresistent. Lediglich ein einziges Antibiotikum, das Vancomycin, ist gegenwaertig noch gegen alle multiresistenten Staphylokokkenstaemme wirksam. Man hat aber bereits andere Krankheitserreger gefunden, denen auch dieses Antibiotikum nichts mehr anhaben kann. Damit wird deutlich: Es tickt eine biologische Zeitbombe. Schuld an dieser Entwicklung sind neben ungenuegendem Wissen auch Unachtsamkeit im Umgang mit Antibiotika, mangelnde Hygiene und Verwendung verwandter Antibiotika in der Tierzucht. So konnten sich Resistenzen sehr leicht ausbreiten.

    Auf der Suche nach Alternativen erwiesen sich insbesondere die sogenannten Lantibiotika als vielversprechend. Das sind antibakteriell wirkende Eiwei stoffe, die von verschiedenen, gram-positiven Bakterien gebildet werden. Ihren Namen erhielten sie von der in das Eiweiss eingebauten Aminosaeure Lanthionin. Gemaess ihrer Struktur und Wirkungsweise werden sie in zwei Gruppen unterteilt: Die Typ A-Lantibiotika sind von ihrer molekularen Struktur her lange, gering verbrueckte Ketten. Einige sehr interessante natuerliche Konservierungsmittel, aber auch Substanzen, die gegen Akne wirken, gehoeren in diese Gruppe. Die Typ B-Lantibiotika, zu denen auch Mersacidin zaehlt, sind dagegen kugelaehnliche Molekuele, deren Wirkung auf einer Hemmung von bestimmten Enzymreaktionen beruht. Im Gegensatz zu den Antibiotika ist die Zusammensetzung eines Lantibiotikums direkt an den genetischen Code des Erzeugers gebunden. Es kann deshalb mit molekulargenetischen Methoden veraendert werden.

    Den Bonner Wissenschaftlern gelang der Nachweis, da Mersacidin die enzymatischen Reaktionen, mit denen die Bakterien ihre Zellwaende aufbauen, ueber einen bislang unbekannten Mechanismus, unterbricht. So kommt es, dass sich bereits nach kurzer Zeit die Zellwaende der behandelten Bakterien aufloesen. Dies laesst sich sehr gut unter dem Elektronenmikroskop beobachten. Im Maus- und Rattenversuch konnten die Forscher nachweisen, da die therapeutische Wirksamkeit dieses Lantibiotikums sogar hoeher liegt als die von Vancomycin. Hinzu kommt, da Mersacidin praktisch ausschlie lich gegen Staphylokokken wirkt - also die natuerliche Bakterienflora wenig beeintraechtigt.

    Um bestimmte Lantibiotika-Varianten zu erhalten, veraendern die Bonner Mikrobiologen im Gencode der Bakterien gezielt einzelne Aminosaeuren. Mittlerweile verfuegt man ueber Bakterienstaemme fuer die gezielte Produktion spezieller Lantibiotika. Ihr Einsatzbereich ist vielfaeltig: hochwirksamer Antibiotikaersatz, physiologisch abbaubare Konservierungsstoffe, Stoffe gegen Zahn-Plaque und Akne. Doch die Lantibiotika beginnen gerade erst, sich ihren Platz in der Pharmazie und Lebensmittelindustrie zu erobern.

    Ansprechpartner: Prof. Dr. Hans-Georg Sahl, Tel.: 0228 - 2875704


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Ernährung / Gesundheit / Pflege, Medizin
    überregional
    Forschungsprojekte
    Deutsch


     

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