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Wissenschaft
Technische Innovationen lassen eine alte Vision der Radiologen Wirklichkeit werden: Die Untersuchung des ganzen Körpers mit bildgebenden Methoden in einem Untersuchungsgang. Auf dem Deutschen Röntgenkongress in Berlin präsentieren zahlreiche Forschergruppen die Ergebnisse ihrer Untersuchungen. Bei einigen Erkrankungen zeichnet sich der Nutzen schon eindeutig ab. Bei anderen steht dieser noch auf dem Prüfstand der Wissenschaft.
Bei zahlreichen Erkrankungen - fortgeschrittenen Krebsleiden, Blutkrankheiten oder Atheroskerlose - ist nicht nur ein einzelnes Organ betroffen. Oft sind Untersuchungen verschiedener Organsysteme erforderlich, die hintereinander erfolgen und dadurch zeitaufwändig sind. In manchen Fällen wäre es darum sinnvoll, wenn der ganze Körper oder zumindest größere Körperregionen mit bildgebenden Verfahren in einem Schritt untersucht werden könnten.
Dieser alte Wunschtraum der Radiologen ist in den letzten Jahren Dank technischer Innovationen Wirklichkeit geworden. "Wir wollen nicht grundsätzlich immer den ganzen Körper untersuchen, sondern in erster Linie Organsysteme", erklärt Priv.-Doz. Dr. Stefan Schönberg, Leiter des Funktions-bereichs Magnetresonanz-Tomographie am Institut für klinische Radiologie der Ludwig-Maximilians-Universität München. Dies kann gleichwohl - etwa im Fall der Atherosklerose - auf ein Ganzkörperbild hinauslaufen. Doch in vielen Fällen wollen die Radiologen nur bestimmte Körperregionen untersuchen, wo sich bestimmte Erkrankungen typischerweise manifestieren. Ein Beispiel dafür sind Tumoren, die ihre Tochtergeschwülste (Metastasen) bevorzugt in bestimmte Organe absiedeln. "Diesease specific Imaging" nennen das die Fachleute, also krankheitsspezifische Bildgebung.
Vor allem die Weiterentwicklung der Magnetresonanz-Tomographie (MRT) hat diese neuen Perspektiven in der Bildgebung eröffnet. Der entscheidende Vorteil dieser Methode - sie kommt ohne ionisierende Strahlung aus - wurde ergänzt durch weitere Neuerungen. Eine davon ist die parallele Bildgebung, bei der die Bildinformationen aus größeren Körperabschnitten gleichzeitig verarbeitet werden können. Dies hat die Untersuchung enorm beschleunigt: Einmal Körpertransparenz in 60 Minuten.
Allerdings hat Tempo auch nachteilige Konsequenzen: "Die Bilder werden rauschiger", weiß Schönberg. Doch auch dafür gibt es eine Lösung: Die Stärke des Magnetfelds wird erhöht. Die Geräte der neuesten Generation arbeiten inzwischen mit 3 Tesla.
Ein weiterer Vorteil der MRT kommt hinzu: Sie kann mehr liefern als morphologische Informationen: "Mit MRT können wir morphologische und funktionelle Informationen in einem Untersuchungsgang erhalten und integrieren." Sichtbar wird also nicht nur beispielsweise bei einem Schlaganfall das verschlossene Blutgefäß im Gehirn, sondern auch der Schaden, den der Sauerstoffmangel im umgebenden Gewebe angerichtet hat.
Zwar sind die Bilder aus dem Körperinnern von faszinierender Präzision, gerieren die Computer Innenansichten des Körpers in rasendem Tempo, doch die Radiologen bewegen sich im neuen Gelände eher vorsichtig voran. Trotz aller Faszination, welche die neuen Einsichten haben, müssen die neuen Möglichkeiten sorgfältig auf Nutzen und Risiko für Patienten geprüft werden. "Dazu sind umfangreiche klinische Studien erforderlich", erklärt Schönberg. Bei vielen Untersuchungen, die auf dem Röntgenkongress präsentiert werden, handelt es sich um Pilotstudien, die zunächst der Orientierung und Einführung neuer technischer Verfahren dienen.
Bei einigen Indikationen, etwa dem Nachweis von Tumoren bei bestimmten Krebsleiden, sind die Vorteile der neuen Möglichkeiten gleichwohl offensichtlich: sie können die belastende, kostenträchtige und zeitaufwändige Stufendiagnostik ersparen. Dies ist beispielsweise beim multiplen Myelom der Fall, einer Krebserkrankung, die im Knochenmark entsteht und in das Knochengewebe vordringt. "Ich denke, dass hier bereits aus den vorliegenden Untersuchungen Konsequenzen für die Diagnostik und mittlerweile sogar für die Therapie gezogen werden sollten", fordert Schönberg.
Generell sind die Radiologen optimistisch, dass der Ganzkörper-Scan im Tumorstaging, bei dem die Ausbreitung eines Krebsleidens im Körper untersucht wird, seinen Stellenwert finden wird. Denn das therapeutische Vorgehen hängt von einer präzisen Beurteilung des Erkrankungsstadiums ab. Gleichwohl gibt es auch andere bildgebende Verfahren, die mit Erfolg in diesem Bereich eingesetzt werden, etwa die Kombination aus PET (Positronen-Emissions-Tomographie) und CT. "Wir haben Hinweise", sagt Schönberg, "dass die MRT etwa bei Leber, Gehirn und Knochen besser ist und die PET/CT bei Lymphknoten die genaueren Informationen liefert." Um den Stellenwert der Verfahren beurteilen zu können, sind allerdings kontrollierte Studien und nicht zuletzt auch Kosten-Nutzen-Rechnungen nötig.
Auch in der Früherkennung von Herz-Kreislaufrisiken könnte sich die MRT langfristig etablieren. Mit den neuen MRT-Geräten können die Radiologen das gesamte System transparent machen. Ein Untersuchungsgang liefert nicht nur Informationen über den Zustand der Blutgefäße im Körper, sondern erlaubt auch eine komplette Herzuntersuchung, bei der sowohl Funktion als auch die Durchblutung des Muskels erfasst werden. Integriert ist auch eine "orientiere Untersuchung des Zentralnervensystems, von Lunge und Bauchorganen. Schönberg: "Diese Untersuchung ist in akzeptabler Zeit möglich, ohne Kompromisse bei der räumlichen und zeitlichen Auflösung eingehen zu müssen."
Derzeit läuft an der Münchener Universitätsklinik eine große Studie in Kooperation mit den Betriebsärzten zweier großer Unternehmen. Die Mediziner wollen herausfinden, ob es sinnvoll ist, Probanden mit Risikofaktoren für Herz-Kreislauf-Erkrankungen zu screenen, die noch keine Symptome wie etwa Herzbeschwerden haben. Bislang wurden 250 Patienten untersucht - und die Radiologen wurden auch in mehreren Fällen fündig: Sie entdeckten stumm abgelaufene Herzinfarkte, gefährliche Gefäßverengungen und Tumore.
Doch es kommt bei solchen Untersuchungen nicht nur auf die diagnostische Genauigkeit an: "Die Ganzkörperuntersuchung darf nicht als amüsantes "Ganzkörper-Fernsehen" missverstanden werden, der eher dem Wellnessbereich zugeordnet werden kann", warnt Schönberg. Zwar ist es beruhigend, wenn der Arzt keine pathologischen Veränderungen diagnostizieren kann. Doch selbst wenn er eine Veränderung feststellt, hat das weitere Vorgehen unter Umständen gravierende Konsequenzen für den Patienten. Problematisch ist es, wenn falsch-positive Befunde zu unnötigen und sogar invasiven Folgeuntersuchungen und überflüssigen Therapien führen.
Auch die schönsten Bilder aus dem Körperinneren sind nur dann hilfreich, wenn sich daraus prophylaktische oder therapeutische Konsequenzen ergeben, welche die Lebensqualität der Patienten positiv beeinflussen und Erkrankungsraten sowie Sterblichkeit reduzieren. Denn im anderen Fall wäre die Ganzkörper-Diagnostik nur überflüssig, teuer und belastend. "Erst wenn diese Untersuchungen vorliegen", so Schönberg, "kann entschieden werden, ob derartige Untersuchungen zu Lasten der Solidargemeinschaft sinnvoll sind."
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Merkmale dieser Pressemitteilung:
Ernährung / Gesundheit / Pflege, Medizin
überregional
Buntes aus der Wissenschaft, Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Tagungen
Deutsch
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