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Als unverständlich bezeichneten Fachexperten aus dem gesamten Bundesgebiet auf der am 21. April 1999 vom Bildungsausschuß des Landtages anberaumten Anhörung, die aufgrund einer zweiten Volksinitiative zustande kam, die bereits zwei Jahre andauernde Immatrikulationssperre für Zahnmedizinstudenten in Rostock. Folgende Gesichtspunkte wurden im 3stündigen Anhörungsverfahren dargelegt.
Die Reaktivierung des in Rostock bestehenden Studienganges Zahnmedizin ist - so der Rektor der Universität Rostock, Prof. Dr. Günther Wildenhain - z. Zt. ohne zusätzliche Finanzmittel möglich, da die räumlichen und apparativen Voraussetzungen gegeben sind und eine Stellengarantie für die beschäftigen Mitarbeiter noch bis zum Jahre 2004 besteht. Der Dekan der Rostocker Medizinischen Fakultät, Prof. Dr. Gerhard Hennighausen, und Prof. Dr. Heinrich von Schwanewede als Vertreter der Volksinitiative verwiesen darauf, daß die Universität gemeinsam mit Kooperationspartnern - wie der Stadt Rostock, der Kassenzahnärztlichen Vereinigung, der Zahnärztekammer und der Bundesmarine - ein günstiges, kostenneutrales Finanzierungsprojekt für den weiteren Betrieb ihrer Zahnklinik erarbeitet hat. Der Ausbildungsinhalt des Studienganges Zahnmedizin in Rostock soll bei Verkleinerung der Studentenzahl durch Einführung eines Modellstudienprojektes "Zahnärztliche Assistenz" innovativ auf die Ausbildung von prophylaxeorientierten Absolventen ausgerichtet werden. Überschneidungen zum analogen Studiengang in Greifswald sollen vermieden und eine optimale Kooperation beider Zahnkliniken in Lehre und Forschung erreicht werden.
Prof. Dr. Dr. Willfried Wagner, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde, kritisierte die aus dem Jahre 1996 stammende Empfehlung des Bonner Wissenschaftsrates, dessen eingeladener Vertreter nicht erschienen war, in Mecklenburg-Vorpommern nur einen Ausbildungsstandort für Zahnmediziner zu erhalten. Diese sei ohne zahnmedizinischen Sachverstand getroffen worden, denn kleine Standorte mit praxisorientierter zahnärztlicher Ausbildung sind heute der europäische Weg. Prof. Dr. Detlef Heidemann, Vorsitzender der Hochschullehrervereinigung für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde, verwies darauf, daß die vom Wissenschaftsrat zugrunde gelegten Zahlen zur Situation der Zahnmedizin aus dem Jahre 1981 stammen und den aktuellen Gegebenheiten keine Rechnung mehr tragen. Prof. Dr. Albrecht Rossbach von der Medizinischen Hochschule Hannover legte aufgrund einer finanziellen Analyse dar, daß die Rostocker Zahnmedizin sich aus Einnahmen im wesentlichen selbst finanzieren kann. Der Direktor der Klinik für Mund- Kiefer- und Gesichtschirurgie der Ruhr Universität Bochum, Prof. Dr. Dr. Egbert Machtens, wies auf die Bedeutung Rostocks als überregionales Zentren für die Behandlung von Patienten mit Lippen-Kiefer-Gaumenspalten hin. Unverzeihlich sei es, das in Rostock vorhandene Patientengut nicht für die Ausbildung der Studierenden zu nutzen. Vertreter der Deutschen Fachschaft für Zahnmedizin betonten, daß der Studiengang Zahnmedizin in Rostock hinsichtlich der fächerübergreifenden Ausbildung richtungsweisend ist. Aus den Massenuniversitäten schaue man neidisch auf Rostock, da hier ein optimales Patientenangebot und Studenten-Ausbilder-Verhältnis neben einer moderne Ausstattung gegeben sei.
Zwischenzeitlich verlautete, die Entscheidung zum Erhalt der Rostocker Zahnmedizin bis zur in etwa zwei Jahren erfolgenden Novellierung des Landeshochschulgesetzes auszusetzen. Die Universitäten im Lande könnten dann selbst über die anzubietenden Studiengänge entscheiden. Diese Variante hat jedoch nach der Auffassung der Gutachter den gravierenden Nachteil, daß bei Fortbestand des Immatrikulationsstops für Zahnmediziner in Rostock diese Klinik personell und materiell so geschwächt wird, daß eine Reaktivierung des Studienganges nur mit hohem Kostenaufwand möglich ist, wie es Beispiele aus Nachbarländern belegen. Ein Kompromiß - so der Rostocker Rektor - wäre die sofortige Aufhebung der Immatrikulationssperre für Zahnmedizinstudenten bis zum Inkrafttreten des neuen Landeshochschulgesetzes. Bei einer Einstellung dieses Studienganges in Rostock - so die Experten - würde durch die damit verbundene Schließung der Universitätszahnklinik zudem eine erhebliche Beeinträchtigung der hochspezialisierten zahnärztlichen Versorgung im größten Ballungsgebiet unseres Bundeslandes resultieren. Außerdem würde ein deutlicher Qualitätsverlust der zahnärztlichen Fortbildung im Landesteil Mecklenburg eintreten. Zwangsläufig werden bei Schließung dieser Klinik in Rostock weitere Arbeitsplätze vernichtet, da durch Auslaufen des Poliklinikvertrages auch etwa 50 Krankenkassen-finanzierte Arbeitsplätze wegfallen würden.
Die Betrachtung all dieser Zusammenhänge bewog die geladenen Gutachter dem Bildungsausschuß des Landtages den Erhalt der Rostocker Zahnmedizin mit Nachdruck zu empfehlen. Parallel dazu soll der Wissenschaftsrat zu einer aktuellen, sachbezogenen Stellungnahme auf Expertenbasis aufgefordert werden.
Prof. Dr. Dr. Volker Bienengräber
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Ernährung / Gesundheit / Pflege, Medizin
überregional
Wissenschaftspolitik
Deutsch
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