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Wissenschaft
Für seine Arbeiten auf dem Gebiet der klebstofffreien Verbindung von
Werkstoffen wurde Prof. Eduard Arzt, Direktor am Max-Planck-Institut
für Metallforschung, der Wissenschaftspreis des Stifterverbandes für die
Deutsche Wissenschaft verliehen. Der Vizepräsident des Stifterverbandes,
Dr. Wulf H. Bernotat, überreicht den Preis am 23. Juni im Rahmen der
Jahresversammlung der Max-Planck-Gesellschaft in Rostock. Die mit
50.000 Euro dotierte Auszeichnung honoriert die außergewöhnlichen
Erfolge des Stuttgarter Wissenschaftlers und seines interdisziplinären
Teams bei der Umsetzung von Ergebnissen der Grundlagenforschung in
technische Anwendungen. Die Forscher haben herausgefunden, warum
Fliegen, Spinnen und sogar Geckos selbst auf Glas sicheren Halt finden
und daraus technisch einsetzbare Haftsysteme entwickelt.
Verbindungstechniken wie Schweißen oder Kleben sind kostenintensive
Prozesse, und einmal auf diese Weise verbundene Bauteile lassen sich bei
Reparaturen oder einem späteren Recycling nicht mehr ohne Materialverlust
voneinander lösen. Herkömmliche Klettverschlüsse benötigen einen
Haftpartner und verfilzen mit der Zeit. Die Haftsysteme von Eduard Arzt
dagegen erlauben reversible, feste Verbindungen von Werkstoffen ohne
Schweißen oder Kleben.
Der Max-Planck-Wissenschaftler untersucht mit seiner Arbeitsgruppe
Haftungsphänomene biologischer Systeme, bildet sie in mathematischen
Modellen ab und entwickelt daraus technisch einsetzbare Lösungen.
Ausgangspunkt sind die Forschungsarbeiten des Biologen Dr. Stanislav Gorb
über die Fähigkeit von Fliegen und Eidechsen, kopfüber selbst auf glatten
Flächen laufen zu können. Die Laufflächen dieser Tiere sind mit feinsten
Härchen überzogen, die extrem hohe Adhäsionskräfte besitzen. Aus der
Analyse der Zusammenhänge zwischen Struktur und Haftverhalten auf glatten
und rauen Flächen entwickelten die Materialwissenschaftler um Eduard Arzt
allgemeine Gesetze für das Verhalten solcher Verbindungssysteme.
"Der Vergleich verschiedener Tiere von Fliegen bis hin zu Geckos zeigt, dass
die Härchen an den Laufflächen um so feiner und zahlreicher sind, je schwerer
das Tier ist," sagt Arzt. Kleineren Fliegen und Käfern reichen einfache
Härchen mit Durchmessern von ein paar Mikrometern, während die sehr viel
schwereren Geckos fein verzweigte Härchen mit Enddurchmessern von 200
Nanometern (millionstel Millimeter) ausbilden. "Auch die Form der Härchen
spielt eine wichtige Rolle. In der Natur haben sich vor allem kugelförmige,
kegelförmige und haarartige Endstrukturen bewährt. Für technische Systeme
sind hier der Fantasie kaum Grenzen gesetzt."
In Versuchen mit den unterschiedlichsten biologischen Vorbildern überprüften die Forscher ihre
theoretischen Ergebnisse und entwickeln nun Verfahren, mit denen sich technische Oberflächen mit den
entsprechenden Eigenschaften erzeugen lassen. Die Wissenschaftler modifizieren die Kontaktflächen so,
dass ein Wald kleiner Säulen entsteht. Abhängig von strukturellen Eigenschaften dieser modifizierten
Oberflächen - wie Dicke der Säulen, Abstände, Elastizität und Form - lassen sich die Hafteigenschaften
exakt einstellen. Ähnlich wie beim natürlichen Vorbild können sogar keulenförmige Säulen hergestellt
werden, die wie Streichhölzer einen leicht verdickten Kopf besitzen.
Das patentierte Verfahren ist für die Industrie hoch interessant, da der Verbindung von Werkstoffen in der
modernen Technologie eine immer stärkere Bedeutung zukommt. Wie beim Vorbild Libelle, die ihren
Kopf mit einem speziellen "Klettverschluss" stabilisiert, lassen sich mit den neuen Haftsystemen
Verbindungen tausendfach fixieren und wieder lösen. Im Gegensatz zu konventionellen Klebebändern
verschmutzen die neuen Haftstrukturen nicht so leicht. Und im Vergleich zu herkömmlichen
Klettverschlüssen benötigen sie kein speziell strukturiertes Gegenüber mehr. Schließlich können die
Stuttgarter Max-Planck-Forscher die Haftkräfte in einem breiten Bereich genau auf die technischen
Anforderungen einstellen, was ihrer Technik vielfältige Einsatzmöglichkeiten im Alltag erschließt.
Hinweis für TV-Journalisten:
Zu den Arbeiten der Forschungsgruppe des Preisträgers gibt es Filmmaterial (Magazinfassung plus
Footage, DigiBeta), das direkt beim Referat für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit angefordert werden
kann (Tel.: 089 2108-1276, e-Mail: presse@gv-mpg.de). Sie können die Filme auf unserer Website
www.filme.mpg.de ansehen.
Patentlösungen: Lernen von den Fliegen
LZ: 00:6:20
Autorin: Anne Hoffmann, Berlin
Fliegen laufen Wände hoch, Spinnen sitzen an der Fensterscheibe, Geckos krabbeln die Zimmerdecke
entlang: Was hält sie dort fest? Forscher am Max-Planck-Institut für Metallforschung in Stuttgart haben
herausgefunden, was viele Tiere buchstäblich die Wände hochgehen lässt. Langfristiges Ziel der
Stuttgarter Forscher: Sie wollen ein Verfahren finden, wie man Bauteile ohne Klebstoff fest miteinander
verbinden, aber trotzdem leicht wieder lösen kann. Das könnte die Zukunft der Konstruktionstechnik
revolutionieren, vom Flugzeugbau bis zur Mikrotechnik. Ihre Ergebnisse haben die Max-Planck-Forscher
jetzt zum Patent angemeldet.
Der Klettverschluss der Zukunft
LZ: 00:04:00
Autor: Jörg Moll, Berlin
Der Film taucht ein in die mikroskopisch kleine Welt der Insekten. Libellen bedienen sich einer Art
Klettverschluss, um ihren Kopf am Körper zu fixieren, bei Rosenkäfern sind die Deckflügel auf diese
Weise am Rücken befestigt. Die Tiere können diesen Klettverschluss Tausende Male benutzen, ohne dass
er sich abnutzt. Im Film wird erläutert, wie diese technische Leistung der Insekten die Materialforscher
inspirierte. So werden wir diesen immer perfekt schließenden und niemals verfilzenden
Mikroklettverschlüssen wahrscheinlich schon bald in unserem Alltag begegnen.
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Biologie, Informationstechnik, Werkstoffwissenschaften
überregional
Personalia, Wissenschaftspolitik
Deutsch
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