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Wissenschaft
Pressemitteilung der GhK 36/98, 21. April 1998
Wissenschaftspreis 1997 der nordhessischen Wirtschaft Dr.-Ing. Georg Lührs ausgezeichnet
Kassel. Mit dem Wissenschaftspreis 1997 der nordhessischen Wirtschaft wurde Dr.-Ing. Georg Lührs ausgezeichnet. Die Industrie- und Handelskammer Kassel (IHK) vergibt diesen Preis an die Universitäten ihres Kammerbezirkes, die Universität Gesamthochschule Kassel (GhK) und die Universität Marburg. Sie zeichnet damit herausragende Arbeiten aus Technik und Wirtschaftswissenschaften aus, die innovative Aspekte für die Wirtschaft beinhalten. Lührs erhielt die Auszeichnung für seine Doktorarbeit im Fachbereich Maschinenbau mit dem Titel "Randwertaufgaben der Viskoplastizität. Modellierung, Simulation und Vergleich mit experimentellen Daten aus zyklischen Prozessen und Umformvorgängen". Der mit 5.000 Mark dotierte Preis wurde am 21. April im Rahmen der von IHK und GhK gemeinsam getragenen Veranstaltung "Wissenschaft und Wirtschaft im Gespräch" verliehen. Mit seiner Promotion hat Lührs einen wichtigen Beitrag zur Qualitätssicherung industri-eller Prozesse im Bereich großer Umformungen, wie sie beispielsweise in der Autoindustrie bei der Fertigung von Karosserieteilen vorkommen, geleistet. Lührs hat in seiner experimentellen und theoretischen Arbeit überraschende Erkenntnisse gewonnen: Anders, als bislang angenommen, verändern sich Stahlproben bei zyklischen - also wiederkehrenden Beanspruchungen - etwa durch Zug oder Druck nicht gleichmäßig über den Meßbereich der Probe. Die ingenieurmäßige Berechnung von so verursachten Materialveränderungen ging bislang davon aus, daß nach einer anfänglichen Materialveränderung durch Zug- und Druckeinwirkungen die Dehnung und Spannung im Stahl homogen (gleichförmig) bleiben. Lührs hat in numerischen Vorversuchen zu seiner Promotion an Stahlstäben, auf die Zug und Druck einwirkten, festgestellt, daß bei zyklischen Beanspruchungen des Materials zunehmende Inhomogenität von Dehnung und Spannung in verschiedenen Bereichen des Materials entsteht. Er konnte dies überraschende Ergebnis experimentell absichern und im Computer simulieren. Hierzu hat er ein Materialmodell der Viskoplastizität großer Deformationen entwickelt und dieses in eine geeignete Rechnermethode, einen Finite-Elemente-Algorithmus, umgesetzt. Damit hat Lührs eine Arbeit herausragender Qualität vorgelegt, so sein "Doktorvater", Prof. Dr. Peter Haupt (Institut für Mechanik). Sie spanne einen weiten Bogen, der mit einer präzisen Darstellung des theoretischen Hintergrundes beginnt und in praxisbezogene ingenieurwissenschaftliche Anwendungen mündet. Mittlerweile ist dieses Ergebnis auch in ein von mehreren Universitäten entwickeltes Finite-Elemente-Programm eingeflossen, ein Computerprogramm, das von der Volkswagenstiftung finanziert wurde.
Die Arbeit über Randwertaufgaben der Viskoplastizität ist für die Qualitätssicherung anspruchsvoller mechanischer Prozesse wichtig. Mechanische Prozesse in der industriellen Produktion - z.B. das Formen von Werkteilen - setzen zu deren qualitativer Absicherung ein wirkliches Verständnis der zugrunde liegenden Vorgänge voraus. Hier sind Kenntnisse des Materialverhaltens eine wichtige Voraussetzung, um eine Verbesserung des Produktionsprozesses und der Qualität der Werteteile zu erzielen. Daher ist es wichtig zu wissen und berechnen zu können, wie sich beispielsweise bei großen Deformationsprozessen - etwa dem Pressen von Stahl-Karosserieteilen - das Material an jedem einzelnen Punkt verhält. Das von Lührs entwickelte Berechnungsverfahren verknüpft die bekannten Bilanzgleichungen mit einem Materialmodell der Viskoplastizität im Kontext einer finiten Elementeformulierung. Damit sind große Deformationen, wie sie in Umformvorgängen auftreten, berechenbar. Mit der Vergabe des Preises der nordhessischen Wirtschaft an Dr. Lührs wurde ein Absolvent der GhK ausgezeichnet, der sozusagen einen Prototyp der Kasseler Universität repräsentiert", so Hochschulpräsident Prof. Dr. Hans Brinckmann. Lührs, der eine Lehre als Werkzeugmacher absolvierte und anschließend die Fachhochschulreife erwarb, habe die Chancen, die die gestuften Studiengänge der GhK bieten, so Brinckmann weiter, voll genutzt: Der Zugang zum Studium mit dem ersten Diplomabschluß steht in Kassel Bewerbern mit Abiturzeugnis oder Fachhochschulreife gleichermaßen offen. Nach Abschluß des wissenschaftlichen Kurzstudiums mit dem Diplom I (vergleichbar Fachhochschul-Diplom) könne bei entsprechenden Leistungen ohne Zeitverlust die zweite Studienstufe sofort angeschlossen werden, die mit dem Diplom II (entspricht dem Diplom von Universitäten oder Technischen Hochschulen) abschließe. Danach stünden alle Möglichkeiten einer wissenschaftlichen Weiterentwicklung wie die Dissertation bis hin zur Habilitation offen. "Vielleicht können wir in der GhK eines Tages auch den Abschluß Ihrer Habilitation feiern?" regte Brinckmann den 33 Jahre jungen Diplom-Ingenieur an, der jetzt in einem Ingenieurbüro in Kassel tätig ist.
Informationen zum Thema erteilt A.Ulbricht-Hopf, T: (0561)804-2474
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Maschinenbau
überregional
Es wurden keine Arten angegeben
Deutsch
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