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Eines der umfangreichsten geheimen Tagebücher aus der Zeit des Nationalsozialismus wird nun von der Arbeitsstelle Holocaustliteratur an der Justus-Liebig-Universität Gießen (JLU) veröffentlicht.
Das insgesamt zehn Bände umfassende Tagebuch des ehemaligen Laubacher (Oberhessen)Justizangestellten Friedrich Kellner wurde über Jahre hinweg im Verborgenen zusammengetragen. Das besondere daran ist die Collagentechnik, mit der der Autor zum Beispiel aufgeklebte Zeitungsausschnitte mit Kommentaren und Hintergrundinformationen ergänzt. "Das Tagebuch deckt auf, was man als 'Normalbürger' des Dritten Reichs von den Verbrechen, aber auch der alltäglichen Ideologisierung wissen konnte, wenn man denn wollte", wie Dr. Sascha Feuchert, der stellvertretende Leiter der Arbeitsstelle Holocaustliteratur, erklärt. Deshalb wäre der Autor mit Sicherheit im Konzentrationslager verschwunden, wenn das Tagebuch entdeckt worden wäre, so Feuchert weiter. Tatsächlich war Friedrich Kellner nach seinem Einsatz für verfolgte Juden in der Reichspogromnacht bereits mit dem Konzentrationslager gedroht worden.
Der Enkel Kellners, Professor Scott Kellner aus Texas, hatte eine Ausstellung der Tagebücher in der George Bush Presidential Library and Museum in College Station, Texas, (http://bushlibrary.tamu.edu/exhibits/kellner.php) organisiert, wie auch 'Der Spiegel' in der Ausgabe 14/2005 vom 4. April berichtete.
Mitte Mai wurde dann zwischen der Arbeitsstelle Holocaustliteratur und Scott Kellner ein Vertrag geschlossen, der der Arbeitsstelle die alleinigen Rechte an der Veröffentlichung in Deutschland zusichert. Und das hat sich für den Enkel Kellners bereits gelohnt: Nach nur zwei Wochen Forschungsarbeit ist es der Arbeitsstelle gelungen, das jahrzehntelang verschollene zehnte Tagebuch des ehemaligen Laubacher Justizangestellten zu ermitteln. In einem Gespräch mit Ludwig Heck, einem Freund Friedrich Kellners aus der Zeit des Zweiten Weltkrieges, konnte aufgeklärt werden, dass sich unter einigen Unterlagen Kellners, die Heck vor langer Zeit in Verwahrung genommen hatte, auch das erste Tagebuch befand, dessen erste eigentliche Eintragung vom August 1939 datiert.
Die bisher bekannten neun anderen Tagebücher hatte Friedrich Kellner vom 1. September 1940 bis zum 17. Mai 1945 verfasst. Kellner wollte sein Tagebuch als Widerstand gegen den nationalsozialistischen Terror verstanden wissen. Bereits im September 1938 hatte Friedrich Kellner eine Notiz zu Papier gebracht, in der er begründete, warum er das Tagebuch schreiben wollte. Er sah es als Hilfe für kommende Generationen an, damit sich Zustände, wie sie damals in Deutschland herrschten, nie wiederholen könnten.
Die eigentliche Arbeit an Friedrich Kellners Tagebüchern soll im März 2006 beginnen. Erst einmal muss jedoch die Finanzierung des Projekts sichergestellt werden. Dazu soll ein Unterstützungsantrag bei einer Stiftung gestellt werden; zunächst will sich die Arbeitsstelle Holocaustliteratur an die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) wenden.
Kontakt:
Charlotte Kitzinger M.A.
Arbeitsstelle Holocaustliteratur
Otto-Behagel-Straße 10B
35394 Gießen
Telefon: 0641/99-29093
Fax: 0641/99-29094
E-Mail: Charlotte.Kitzinger@germanisitk.uni-giessen.
http://www.holocaustliteratur.de/kellner
http://bushlibrary.tamu.edu/exhibits/kellner.php
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Geschichte / Archäologie, Sprache / Literatur
überregional
Forschungsprojekte, Wissenschaftliche Publikationen
Deutsch
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