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02.06.1999 12:55

Antarktischen Vögeln genau auf den Schnabel geschaut

Dr. Wolfgang Hirsch Abteilung Hochschulkommunikation/Bereich Presse und Information
Friedrich-Schiller-Universität Jena

    Jenaer Ornitho-Ökologen forschen im Reich der Kälte

    Jena/Potter Cove. "Gegen Kälte kann man sich schützen." Recht lapidar antwortet Dr. Hans-Ulrich Peter, Ökologe an der Friedrich-Schiller-Universität, auf die Frage, wie er und sein Team sich auf die lebensfeindlichen Umstände in den Polarregionen einstellen. "Unangenehm sind die Verhältnisse nur für uns Menschen, die Tiere dort sind sehr viel besser angepaßt." Seit 1993 arbeiten die Jenaer Wissenschaftler in einem deutsch-argentinischen Projekt, um die Lebenswelt des Küsten-Ökosystems Potter Cove zu erforschen, einer Bucht der King George Insel in der Antarktis, 900 Kilometer südlich von Kap Horn.

    Karg und unwirtlich ist dieses Gebiet. Die Insel, fast so groß wie Rügen, wird zu 95 Prozent von Gletschern bedeckt, nur ein kleiner Teil ist im Sommer schneefrei. "Das sind die Gebiete, die uns interessieren", sagt Peter. Im Mai kehrte die Jenaer Gruppe von einem mehrmonatigen Forschungsaufenthalt aus dem antarktischen Sommer zurück. Sommer: Das bedeutet Spitzentemperaturen von bis zu acht Grad im Schatten.

    Finanziert von der Deutschen Forschungsgemeinschaft, arbeiten Hans-Ulrich Peter und seine Studenten als einzige deutsche Ornithologen kontinuierlich in der Antarktis. In mehreren Projekten untersuchen sie die "Life History" - die Überlebensstrategien - von Raubmöwen, Buntfußsturmschwalben, Schwarzbauchmeerläufern, Antarktisseeschwalben und Dominikanermöwen. "Erst wenn wir genau wissen, wie sich die Tiere regulär verhalten, können wir auch die direkte und indirekte Einfluß-nahme des Menschen auf ihre Umwelt messen und beschreiben", erläutert Peter.

    So stieg zum Beispiel durch die Überfischung der Bartenwalbestände zeitweilig das Nahrungsangebot an Krill merklich an; der kleine, eiweißreiche Leuchtkrebs dient auch der Buntfußsturmschwalbe als Hauptnahrungsquelle. Hingegen reagieren viele Vogelarten äußerst allergisch auf äußere Störungen. Schon ein einziger Hubschrauberüberflug genügt, und in Scharen verlassen Vogelbrutpaare ihre Gelege.

    Angesichts des selbst in dieser Erdregion anwachsenden Fremdenverkehrs wird die Jenaer Forschung wichtige Daten liefern, um Managementpläne für Schutzgebiete zu erarbeiten. Gesammelt werden die Ergebnisse, etwa Brutpaarstatistiken, in einer internationalen Datenbank, die das Bird Biology Subcommittee des Scientific Committee of Antarctic Research (SCAR) jetzt einrichtet. Hans-Ulrich Peter ist der einzige deutsche Vertreter.

    In mühsamer Kleinarbeit tragen die Wissenschaftler ihre Erkenntnisse zusammen. Promotionsstudent Steffen Hahn befaßt sich mit der "Nahrungserwerbseffizienz" der Skuas, bussardgroßen Raubmöwen, die an der Spitze der Nahrungspyramide stehen. Tägliche Standardarbeit vor Ort: Hahn wiegt Pinguin-kadaver bevor und nachdem eine Skua davon gefressen hat. "Nur so kann ich grammgenau feststellen, wieviel Nahrung eine Raubmöwe aufgenommen hat", erklärt er. "Ich schaue den Vögeln genau auf den Schnabel."

    Inzwischen weiß Hahn, daß es unter Skuas eine soziale ,Hackordnung' gibt, die ähnlich funktioniert wie auf dem Hühnerhof. Der Nahrungswettstreit ist in der Vogelgesellschaft offenbar genau geregelt. Dabei ist mit den bis zu zwei Kilo schweren Vögeln nicht zu spaßen: Forscher, die einem Skuagelege zu nahe kommen, werden aus der Luft mit scharfen Schnabelhieben attackiert.

    Etwas beschaulicher geht es für Petra Quillfeldt und Tim Schmoll zu, die sich die Buntfußsturmschwalbe, "den vermutlich häufigsten Seevogel der Welt", als Studienobjekt ausgesucht haben. Die Nistplätze der Potter-Cove-Population liegen in schwer zugänglichen Felsspalten; trotzdem fangen und beringen die beiden jungen Ökologen die Vögel, um ihre exemplarische Sturmschwalbenkolonie genau im Auge zu behalten.

    Anders als viele heimische Vogelarten bleiben die antarktischen Sturmschwalben ihrem Partner sehr treu. "Anhand genetischer Untersuchungen, dem sogenannten DNA-Fingerprinting, haben wir mit Hilfe Bonner Kollegen nachgewiesen, daß soziale und genetische Vaterschaft praktisch immer übereinstimmen", erklärt Tim Schmoll, der über dieses Thema seine Diplomarbeit schreibt.

    Die Promotionsstudentin Petra Quillfeldt untersucht die Zusammenhänge zwischen Nahrungsökologie und Überlebensstrategie bei Buntfußseeschwalben. Die Brutpaare haben nur ein Ei und kümmern sich gemeinsam um ihr Küken. Aber einige Küken wachsen sichtlich schneller heran als ihre Altersgenossen, hat Quillfeldt herausgefunden. Wie es einige Altvögel verstehen, die Futtermenge zu erhöhen, will sie nun näher untersuchen.

    Aber vorerst ist die Arbeit vor Ort durch den antarktischen Winter unterbrochen. "Wir sind regelrechte Saisonarbeiter", schmunzelt Hans-Ulrich Peter, "frühestens im Dezember fahren wir wieder hin." Die größte Sommerhitze in unseren Breiten bleibt seinem Team allerdings auch in diesem Jahr erspart. Am 13. Juli brechen sie mit 13 Studenten zu einem vierwöchigen Praktikum nach Grönland und Island auf. "Natürlich forschen wir bipolar", so Peter, "die Vogelpopulationen beider Polargebiete lassen sich durchaus miteinander vergleichen."

    Ansprechpartner:
    Dr. Hans-Ulrich Peter
    Tel.: 03641/949415, Fax: 949402
    e-mail: bpe@uni-jena.de

    Friedrich-Schiller-Universität
    Referat Öffentlichkeitsarbeit
    Dr. Wolfgang Hirsch
    Fürstengraben 1
    07743 Jena
    Tel.: 03641/931031
    Fax: 03641/931032
    e-mail: h7wohi@sokrates.verwaltung.uni-jena.de


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Biologie, Informationstechnik, Meer / Klima, Umwelt / Ökologie
    überregional
    Forschungsprojekte
    Deutsch


     

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