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29.06.2005 10:48

Die politische Kultur in den postsozialistischen Ländern

Axel Burchardt Abteilung Hochschulkommunikation/Bereich Presse und Information
Friedrich-Schiller-Universität Jena

    Neue Publikation des CEJ an der Universität Jena befördert Gedankenaustausch über Demokratie und Bürgerbewusstsein

    Jena (29.06.05) Mit Selbstbewusstsein und Zivilcourage haben die Menschen in Mittel- und Osteuropa vor knapp 20 Jahren Geschichte geschrieben. Mit Glasnost und Perestroika haben sie autoritäre sozialistische Staatsregierungen in der Sowjetunion, in Ungarn, Tschechien, Bulgarien, Polen und der DDR vom Sockel gestoßen. Mit historischen Maßstäben gemessen geschah das praktisch im Handumdrehen. Um vieles schwerer und komplizierter scheint in jenen Ländern jedoch der Aufbau einer institutionell und kulturell verankerten Demokratie sowie eines bürgerschaftlichen Bewusstseins zu sein, das für die neue Zivilgesellschaft Verantwortung übernimmt. Vielfältige Beispiele dafür finden sich in dem handlichen Taschenbuch mit dem Titel "Bürgerbewusstsein und Demokratie in Mittel- und Osteuropa", das das "Collegium Europaeum Jenense an der Friedrich-Schiller-Universität Jena" (CEJ) jetzt herausgegeben hat. In der knapp 120 Seiten starken Publikation liefern Politikwissenschaftler, Ex-Politiker und Intellektuelle eine aktuelle, facettenreiche Zustandsbeschreibung der politischen Kultur in den postsozialistischen Ländern.

    So beschäftigt sich der Jenaer Soziologe Heinrich Best mit einer besonders wichtigen Gruppe von Akteuren im Demokratisierungsprozess, mit den politischen Eliten. Best beschreibt das Phänomen der Deprofessionalisierung der politischen Eliten in den postsozialistischen Ländern. Grund dafür ist nach Best das Wahlverhalten der Bürger, die durch häufige Abwahl von Abgeordneten die Bildung von Berufspolitiker-Kartellen verhindern. Der Jenaer Soziologe zeigt jedoch auch Gegenstrategien, wie enge Verbindungen zur Wirtschaft und zu gesellschaftlichen Gruppen außerhalb der politischen Sphäre auf, durch die Mandatsträger einen politischen Absturz abmildern.

    Mit der Herausbildung demokratischer Wertevorstellungen beschäftigt sich Anatoli Michailov, Rektor der Europäischen Humanistischen Universität Minsk, die von der Lukaschenko-Regierung 2004 geschlossen wurde. Der Philosoph konstatiert, dass der "anfängliche Enthusiasmus" und die "sogar euphorischen Vorstellungen" über die Möglichkeiten der Demokratisierung in seinem Land heute "überwiegend verschwunden" sind. Grund dafür seien die tiefgreifenden sozialen Erschütterungen. Um zu verhindern, dass diese eine gefährliche Destabilisierung des sozialen Lebens nach sich ziehen, müssten dringend realistische Strategien ausgearbeitet werden. Dafür fehle es jedoch in Weißrussland an intellektuellem Potenzial und an neuen institutionellen Strukturen, also Hochschulen und Universitäten. In reformierten aus der Vergangenheit vererbten Bildungseinrichtungen unterrichte die "alte Garde" heute nicht mehr Geschichte der KPdSU, sondern "Management und marktwirtschaftliche Ökonomie", kritisiert Michailov. Er mahnt internationale Unterstützung durch gemeinsame Projekte an, damit die Universitäten in Weißrussland ihre wichtige Rolle bei der Vermittlung humanistischer Grundwerte erfüllen können.

    Wie wichtig für die Menschen in den postsozialistischen Ländern die Idee vom "gemeinsamen Haus Europa" ist, beschreibt der ehemalige polnische Außenminister Wladyslaw Bartoszewski in seinem Beitrag. Die Integration der Länder Osteuropas in die Europäische Union sei nicht nur aus wirtschaftlichen Gründen wichtig. Nach Ansicht Bartoszewskis kann bei allen Problemen das wachsende Europa auch von den neuen Mitgliedern profitieren, die in 40 Jahren Widerstand und beim Kampf um die Menschenrechte eine starke Bindung an den Pluralismus erfahren haben und im Stande sind, neue Bande zwischen den Nationen zu knüpfen.

    Die im Jenaer Glaux Verlag erschienene Publikation fasst die Beiträge zusammen, die auf einer gemeinsamen Tagung des CEJ mit dem Jenaer Sonderforschungsbereich 580 "Gesellschaftliche Entwicklungen nach dem Systemumbruch" im November 2003 an der Friedrich-Schiller-Universität gehalten wurden.

    Bibliografische Angaben:
    Bürgerbewusstsein und Demokratie in Mittel- und Osteuropa. Zum Zustand der politischen Kultur in den postsozialistischen Staaten, Schriftenreihe des Collegium Europaeum Jenense, Band Nr. 33, Hartmut Rosa und Karl-Ulrich Meyn (Hrsg.), Jena 2005, Glaux Verlag Christine Jäger KG, Preis: 8,60 Euro, ISBN 3-931743-80-2


    Bilder

    Cover der neuen CEJ-Publikation.
    Cover der neuen CEJ-Publikation.

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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Geschichte / Archäologie, Gesellschaft, Politik, Recht
    überregional
    Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     

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