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24.06.1999 15:11

Gerechte Steuerreform statt Studiengebühren

Ingrid Hildebrand Stabsstelle Kommunikation und Marketing
Universität Kassel

    Eine "gerechte Steuerreform" ist nach Ansicht des Kasseler Professors für Wirtschaftsrecht, Dr. Bernhard Nagel die bessere Alternative zu einer individuellen Finanzierung der Bildung wie sie vermehrt unter den Stichworten "Studiengebühren" oder "Bildungsgutscheinen" diskutiert wird. Wie Nagel in einer Stellungnahme zum Gutachten des Sachverständigenrates Bildung der Hans-Böckler-Stiftung feststellt, führt eine individuelle Bildungsfinanzierung weder zu mehr Effizienz bei der Bildungsnachfrage noch im Bildungsangebot noch zu einer größeren Verteilungsgerechtigkeit.

    Kassel. Eine "gerechte Steuerreform" ist nach Ansicht des Kasseler Professors für Wirtschaftsrecht, Dr. Bernhard Nagel die bessere Alternative zu einer individuellen Finanzierung der Bildung wie sie vermehrt unter den Stichworten "Studiengebühren" oder "Bildungsgutscheinen" diskutiert wird. Wie Nagel in einer Stellungnahme zum Gutachten des Sachverständigenrates Bildung der Hans-Böckler-Stiftung feststellt, führt eine individuelle Bildungsfinanzierung weder zu mehr Effizienz bei der Bildungsnachfrage noch im Bildungsangebot noch zu einer größeren Verteilungsgerechtigkeit.
    Nagel stellt seine Stellungnahme unter den zentralen Begriff der Effizienz. Sie ist das wesentliche Kriterium aller Vorschläge in dieser Diskussion.
    Staatliche Bildungspolitik kann effizient sein, weil ein Grundrecht auf Chancengleichheit verwirklicht und dadurch Bildungspotentiale besser ausgeschöpft werden. Darüber hinaus können positive "externe Effekte" für die Wirtschaft (Produktivität des Standortes), für die Gesellschaft (Bildung als Voraussetzung für das Funktionieren von Demokratie) und das Erkennen von Umweltproblemen vermutet werden. Individuelle Bildungsfinanzierzung soll eine effizientere Nachfrage hervorrufen (Bildung wird nur nachgefragt, wenn sie Nutzen verspricht), ein effizienteres Angebot durch Wettbewerb bewirken und eine gerechtere Verteilung von gesellschaftlichen Lasten und Nutzen bewirken, weil eine Umverteilung durch individuelle Aneignung der von der Allgemeinheit aufgebrachten Bildungsgüter unterbleibt.
    Nagel führt dagegen an, daß eine effiziente Nachfrage sich nur unter der Voraussetzung einstellen könne, wenn sich eine durchgängige Rationalität im Bildungsverhalten und unumschränkte Mobilität der Nachfrager gegeben sei. Er verweist in dem Zusammenhang auf negative Erfahrungen mit freier Schulwahl in Großbritannien und den USA. Nagel: "Aufgrund von Pfadabhängigkeiten wird die Nachfrage nach Bildung zu ineffizienten Ergebnissen führen."
    Große Gefahren sieht der Wirtschaftsrechtler auf der Angebotsseite. Die Anbieter seien systematisch besser über die Qualität der angebotenen Produkte informiert als die Nachfrager. "Wenn diese nur die Durchschnittsqualitäten kennen, gibt es Anreize für die Anbieter, ihre Qualität zu senken, um dadurch Kosten zu sparen." Bei bestimmten Marktformen bestehe auch die Gefahr der Monopolisierung. Forschendes Lernen komme schließlich nicht unbedingt zustande, wenn im Vordergrund Studiengebühren und mögliche Erträge eines Studiums stehen.
    Eine individuelle Finzanzierung von Bildung würde zudem wieder zu Subventionierungen führen, wenn man einkommensschwachen "Bildungsnachfragern" den Zugang nicht verwehren will, was den Anreizeffekt (Nachfrage nur, wenn ein Nutzen im Verhältnis zu den Kosten gesehen wird) konterkariere. "Was liegt näher, als auf Schulgeld und Studiengebühren zu verzichten, zumal da die Zusatzkosten für die Lebenshaltung während der Ausbildung ohnehin überwiegend von den Bildungsnachfragern oder deren Eltern getragen werden müssen", fragt Nagel.

    Alternativen
    Als gangbare Alternative zur Einführung von Schulgeld und Studiengebühren bietet sich, so Nagel, eine gerechte Steuerreform an. Sie sollte mit einer Neuregelung des Kindergeldes (Abschaffung des Kinderbetreuungsbetrages und Erhöhung des Kindergeldes) und des Bafög (Dreikörbemodell) gekoppelt werden. Ziel sollte sein: Wer mehr verdient, zahlt auch einen höheren Prozentsatz seines Einkommens an Steuern. Außerdem müßte speziell an den Hochschulen das inhaltliche Bildungsangebot verbessert und die Information über Bildungsmöglichkeiten erweitert werden. Diese Alternative würde sich auch im Sinne eines gerechten Ausgleichs von Chancen und Risiken zwischen den Generationen anbieten.
    Nagel abschließend: "Man kann auch umgekehrt fragen, warum man sich für zusätzliche Mittel zur Finanzierung der Bildung rechtfertigen muß. Die Misere der öffentlichen Haushalte ist zu einem großen Teil auf Politikversagen zurückzuführen. Die Nichtbeseitigung einer anhaltend hohen Arbeitslosigkeit führt zu erheblichen Steuerausfällen, Transferzahlungen und Löchern in den Sozialkassen. Eine Beseitigung dieses Mißstandes würde Möglichkeiten zur Finanzierung von Bildung schaffen. Außerdem spricht vieles dafür, das ein hohes Bildungsniveau einer hohen Arbeitslosigkeit entgegenwirkt und deshalb Bildungspolitik als ein Mittel der Beschäftigungspolitik eingesetzt werden kann." jb.


    Bilder

    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Gesellschaft, Politik, Recht
    überregional
    Forschungsergebnisse, Wissenschaftspolitik
    Deutsch


     

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