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28.06.1999 07:11

Wenn aus eins zwei gemacht werden

Michael Seifert Hochschulkommunikation
Eberhard Karls Universität Tübingen

    Biologie

    Wie tierische Lebewesen bestehen auch Pflanzen aus Zellen. Wenn die Pflanze wächst, müssen sich die Zellen vielfach teilen. Das ist ein komplizierter Vorgang, denn jede Zelle muß dabei funktionsfähige Kopien der kleinen Zellorgane und der Erbinformation mitbekommen. Obwohl die pflanzliche Zellteilung bereits vor über hundert Jahren entdeckt wurde, bleiben für den Tübinger Entwicklungsgenetiker Prof. Gerd Jürgens noch grundlegende Details zu erforschen.


    Wenn aus eins zwei gemacht werden

    In der Tübinger Pflanzengenetik wird die Zellteilung genau unter die Lupe genommen

    Vor über hundert Jahren wurde entdeckt, daß sich pflanzliche Zellen teilen können. Da jede Pflanze aus zahlreichen Zellen besteht, die sich beim Wachsen vervielfältigen, ist die Zellteilung ein ganz elementarer Prozeß. Dennoch ist im Vergleich zur Zellteilung bei Tieren wenig darüber bekannt. Der Entwicklungsgenetiker Prof. Gerd Jürgens, dessen Lehrstuhl zum neu gegründeten Zentrum für Molekularbiologie der Pflanzen (ZMBP) der Tübinger Universität gehört, erforscht die pflanzliche Zellteilung.

    Als Forschungsobjekt hat der Entwicklungsgenetiker mit seiner Arbeitsgruppe Arabidopsis thaliana gewählt, zu deutsch Acker-Schmalwand. Diese Pflanze gilt in der Genetik als Modellpflanze, da ihr Erbgut vergleichsweise klein ist und bereits viele grundlegende Vorgänge an ihr untersucht wurden. Bis zum Ende des Jahres 2000 soll die Struktur des gesamten Erbgutes aufgeklärt sein. Eine Nutzpflanze ist die zierliche, weißblühende Acker-Schmalwand nicht. Möglicherweise lassen sich die Forschungsergebnisse dennoch in der Industrie verwenden. "Gerade für die Biotechnologie etwa bei Nutzpflanzen sind Kenntnisse über grundlegende Vorgänge unentbehrlich. Es ist aber schwer zu sagen, ob und wie einzelne Forschungsergebnisse dann tatsächlich in den Bereich der Anwendung eingehen", erklärt Jürgens.

    Beim Vorgang der Zellteilung hat Jürgens mit seiner Arbeitsgruppe ein Rädchen im Prozeß herausgegriffen und genau untersucht. Wenn Zellen sich teilen, gehen sie in zwei Tochterzellen
    auf. Dabei müssen die Chromosomen, Träger des Erbgutes, und die kleinen Organe in der Zelle verdoppelt und auf die sich neu bildenden Zellen verteilt werden. Schließlich wird wie bei einem Raum, der in zwei kleinere geteilt werden soll, eine neue Wand zwischen den Tochterzellen eingezogen. "Bei tierischen Zellen wird während der Teilung die Membran zwischen den sich neu bildenden Zellen von außen nach innen eingeschnürt. Dagegen bildet sich bei pflanzlichen Zellen in der Teilungsebene ein spezieller Körper, der Phragmoplast, und die neue Zellwand entsteht von innen nach außen, sie wächst vom Zentrum zum Rand hin", erklärt Jürgens.

    Die Entwicklungsgenetiker haben ein Protein untersucht, das an der Bildung der ersten Zellwand zwischen den Tochterzellen bei der Teilung beteiligt schien. Es konnte über eine Farbreaktion in sich teilenden Zellen von Embryo-Gewebe der Acker-Schmalwand nachgewiesen werden. Wenn der Phragmoplast gebildet wird, werden in kleinen Bläschen verpackte Zellwandmaterialien zur Ebene der Zellteilung transportiert. Dort konzentriert sich auch das gesuchte Protein zunächst im Zentrum. Dann wird es mit der fortschreitenden Entstehung der neuen Wand von innen nach außen auch an den Rändern sichtbar.

    In einem anderen Ansatz untersuchten die Forscher Zellen, die durch eine Mutation kein funktionsfähiges Protein bilden konnten. In diesen Zellen stoppte die Teilung jeweils an einer bestimmten Stelle: Die Bläschen mit dem Zellwandmaterial häuften sich in der Teilungsebene an, ohne eine geschlossene Wand auszubilden. "Aus diesen Beobachtungen konnten wir schließen, daß das Protein zuständig ist für das Verschmelzen der Bläschen", erklärt Jürgens. Mit diesem kleinen Baustein ergibt sich ein genaueres Bild über die Abläufe bei der pflanzlichen Zellteilung. Vieles ist bei diesem Forschungsprojekt noch offen, denn woher wissen die Zellen überhaupt, wann sie sich teilen sollen? "Das Thema bietet noch viele Überraschungen", vermutet Jürgens. (3453 Zeichen)

    Zellen sind kein Kaugummi

    Tübinger Entwicklungsgenetiker erforscht die Zellteilung bei Pflanzen

    Alle Lebewesen bestehen aus Zellen. Beim Wachsen vergrößern sich die Zellen nicht einfach, sie teilen sich vielfach und wachsen zu jeweils ähnlicher Größe heran. Zellen können dabei immer nur aus der Verschmelzung oder Teilung von Zellen entstehen, wie schon der Forscher Rudolf Virchow 1855 festgestellt hat. Dieses Prinzip gilt für Tiere und Pflanzen. Während aber bei Tieren schon einiges über die Zellteilung bekannt ist, ist dieser grundlegende Prozeß, der auch bei Pflanzen weltweit jede Sekunde unzählige Male abläuft, bisher nicht gut erforscht. Prof. Gerd Jürgens vom Lehrstuhl für Entwicklungsgenetik, der zum neu gegründeten Zentrum für Molekularbiologie der Pflanzen (ZMBP) an der Tübinger Universität gehört, nimmt die pflanzliche Zellteilung genauer unter die Lupe.

    Wenn ein Baby heranwächst, bildet sich aus einer befruchteten Eizelle durch viele aufeinanderfolgende Zellteilungen zunächst ein Embryo, in dem die Organe wie Herz, Leber und Nieren bereits angelegt sind. Obwohl die Vorgänge bei Pflanzen im Detail ganz anders ablaufen, sprechen Biologen auch hier von einem Embryo. Die junge Pflanze enthält die Anlagen für ihre Grundorgane: Wurzel, Sproßachse und Keimblätter. Der Embryo wächst nach der Bestäubung der Blüte und Befruchtung der Eizelle im Fruchtknoten heran. Er wird später im Samen eingeschlossen und vom Fleisch und den Schalen der Frucht umhüllt. Jürgens und seine Arbeitsgruppe untersuchen die Vorgänge bei der pflanzlichen Zellteilung an Embryonen von Arabidopsis thaliana - zu deutsch Acker-Schmalwand. Diese Pflanze aus der Familie der Kreuzblütler gilt bei den Genetikern als Modellpflanze, weil ihr Erbgut klein und daher vergleichsweise einfach zu bearbeiten ist und bereits zahlreiche grundlegende Vorgänge an ihr erforscht wurden. Bis zum Ende des Jahres 2000 soll außerdem die Struktur des gesamten Erbgutes der Acker-Schmalwand aufgeklärt sein. Es ist etwa ein Dreißigstel so groß wie das des Menschen. Die Forschungen an der Modellpflanze bieten keine direkten Anwendungen für die Industrie oder den Pflanzenbau. "Gerade für die Biotechnologie etwa bei Nutzpflanzen sind Kenntnisse über grundlegende Vorgänge unentbehrlich. Es ist aber schwer zu sagen, ob und wie einzelne Forschungsergebnisse dann in den Bereich der Anwendung eingehen", erklärt Jürgens.

    Bei der Zellteilung gehen aus einer Zelle zwei Tochterzellen hervor. Das hört sich einfach an, doch ist eine Zelle nicht mit einheitlichen Massen wie Teig oder Kaugummi zu vergleichen, die in zwei Portionen geteilt werden können. Vielmehr gleicht eine Pflanzenzelle eher einer komplizierten Fabrik mit einem Kern, der das Erbgut enthält, und winzigen Organen, die wie die Mitochondrien in der Zelle Energie bereitstellen oder wie das Endoplasmatische Reticulum Substanzen etwa für die äußere Hülle der Zelle produzieren. Nach außen ist die Zelle durch eine Membran abgeschlossen, an die - je nach Funktion der Zelle in der Pflanze - Material angelagert werden kann, so daß eine feste Zellwand entsteht. Bei der Teilung der Zelle erhält jede Tochterzelle eine Kopie des Erbgutes, das in Form von Chromosomen vorliegt, und der lebensnotwendigen Zellorgane. Andere Zellstrukturen bilden die Tochterzellen jeweils neu aus. All diese Schritte müssen geregelt ablaufen, sonst sind die Tochterzellen nicht funktionsfähig.

    "Bei tierischen Zellen wird während der Teilung die Membran zwischen den sich neubildenden Zellen eingeschnürt und die Tochterzellen trennen sich schließlich voneinander. Die Teilung verläuft von außen nach innen, bei Pflanzen verläuft sie dagegen von innen nach außen. Dabei bildet sich bei pflanzlichen Zellen in der Teilungsebene ein spezielles Organ, der Phragmoplast, und die neue Membran entsteht zwischen den sich neu bildenden Zellen vom Zentrum aus und vergrößert sich zum Rand hin", erklärt Jürgens. Seine Arbeitsgruppe erforscht genauer, welche Vorgänge bei der Bildung des Phragmoplasten und der Entstehung der neuen Zellwand notwendig sind.

    Der Phragmoplast spannt ein Schienensystem in der Zelle auf, an dem entlang Material in die Zellteilungsebene transportiert wird. Das Material, das zum Aufbau einer neuen Zellwand zwischen den Tochterzellen dienen soll, ist in kleinen Bläschen verpackt, Vesikel genannt. Die Entwicklungsvorgänge beim Wachstum des Embryos und daher auch die Zellteilungen werden von Genen gesteuert. Die Gene dienen als Anleitung zur Bildung von Proteinen, die aber niemals alle gleichzeitig, sondern präzise gesteuert nach Bedarf gebildet werden. "Wenn man ein Gen ausschaltet, bleibt der Prozeß der Zellteilung an einer bestimmten Stelle stehen oder ist gestört. Damit lassen sich Rückschlüsse auf die Funktion des Gens bzw. seiner Produkte ziehen", beschreibt Gerd Jürgens den Forschungsansatz.

    Jürgens und seine Arbeitsgruppe isolierten ein Gen, dessen Produkt an der Bildung der ersten Zellwand zwischen den Tochterzellen beteiligt zu sein schien. "Interessant für die Funktion eines Gens ist, wann es zeitlich und räumlich in Proteine umgesetzt wird", sagt Jürgens. Dazu wird ein Antikörper gegen das Protein hergestellt. Antikörper und Protein passen nach dem Prinzip von Schlüssel und Schloß genau zueinander. "Von dem Pflanzenembryo werden Schnitte hergestellt und der Antikörper daraufgegeben. Der Antikörper wiederum wird mit einem Enzym gekoppelt, das lokal eine Farbreaktion bewirkt", beschreibt Jürgens die komplizierte Suche nach dem Genprodukt. An der Farbe läßt sich dann erkennen, wo das gesuchte Protein gebildet wurde.

    Dabei zeigte sich, daß in ruhenden Zellen, die sich gerade nicht teilten, keine Farbe zu sehen war. Mit Beginn der Zellteilung ist eine größere Menge des Proteins zu finden, die über die ganze Zelle verteilt ist. Wenn bei der fortschreitenden Zellteilung die Chromosomen auf die neu entstehenden Tochterzellen verteilt sind und der Phragmoplast gebildet wird, konzentriert sich das Protein in der Zellteilungsebene im Zentrum. Nun bildet sich die neue Zellwand vom Zentrum zu den Rändern hin aus, dort ist auch zu den Rändern sich ausbreitend die Farbreaktion zu beobachten, die die Anwesenheit des Proteins anzeigt.

    Bei Zellen, in denen das Gen defekt war, sammelten sich die Vesikel mit dem Material für die neue Zellwand in der Zellteilungsebene an, ohne eine Zellplatte auszubilden. "Aus diesen Beobachtungen konnten wir schließen, daß das Protein zuständig ist für das Verschmelzen der Vesikel", erklärt Jürgens. Das erforschte Protein ist sicher nur ein kleiner Baustein bei der pflanzlichen Zellteilung. Doch werden durch solche Details die Modellvorstellungen der Forscher über die Zellteilung immer genauer. Das Ergebnis kann außerdem dazu beitragen, den sogenannten Zellzyklus zu erforschen, den Wechsel von Ruhe- und Teilungsphasen der Zellen. Denn in der Forschung läßt sich gleich weiterfragen: Woher weiß die Zelle, wann sie sich teilen soll? Und woher wissen die Zellen, in welcher Ebene und in welcher Richtung sie wachsen müssen, damit die Pflanze entsteht? "Daß Pflanzenzellen sich teilen, ist schon seit über hundert Jahren bekannt, aber das Thema bietet noch immer viele Überraschungen", meint Jürgens mit Blick auf die anstehenden Forschungen. (7153 Zeichen)

    Nähere Informationen:

    Prof. Gerd Jürgens
    Biologisches Institut
    Entwicklungsgenetik
    Auf der Morgenstelle 1
    72076 Tübingen
    Tel. 0 70 71/ 2 97 88 87
    Fax 0 70 71/29 57 97

    Der Pressedienst im Internet: http://www.uni-tuebingen.de/uni/qvo/pd/pd.html
    Unter dieser Adresse ist auch eine Abbildung einsehbar, die auf Wunsch per E-Mail verschickt werden kann.


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Biologie, Informationstechnik
    überregional
    Forschungsprojekte
    Deutsch


     

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