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28.06.1999 10:17

Die Ambivalenz des mlo-Gens der Gerste

Christel Lauterbach Presse, Kommunikation und Marketing
Justus-Liebig-Universität Gießen

    Das mlo-Gen der Gerste vermittelt zwar einen hervorragenden Schutz gegen Mehltaupilz, ist aber gleichzeitig verantwortlich für eine hohe Anfälligkeit gegenüber Magnaporthe grisea, einem Krankheitserreger der Reispflanze.

    Ein verstärkter Forschungsaufwand zur Entwicklung neuer biotechnologischer Konzepte für eine zukunftsorientierte Landwirtschaft ist angesichts einer schnell wachsenden Weltbevölkerung von heute sechs Milliarden auf über zehn Milliarden im Jahre 2050, begrenzter Anbauflächen und nicht auszuschließender Produktionsverluste durch globale Klimaveränderungen zwingend erforderlich. Fachleute schätzen, daß zur Zeit etwa jährlich 30% der Welternte durch Pflanzenkrankheiten und tierische Schädlinge verloren gehen. Hier besteht also ein großes Potential, um die Pflanzenproduktion in Zukunft zu steigern und damit für eine ausreichende Ernährung aller Menschen zu sorgen. Dieses Potential kann mit Hilfe biotechnologischer Verfahren zur Erzeugung von Kulturpflanzen mit erhöhter Widerstandskraft gegenüber Schadorganismen, wie pflanzenschädigende Viren, Bakterien, Pilze und Insekten, genutzt werden. Durch die Nutzung von Resistenzgenen könnte die Gentechnik dazu beitragen, den Einsatz von Pestiziden zu reduzieren. Resistenzgene müssen allerdings sehr genau auf ihre Auswirkungen beispielsweise gegenüber verschiedenen Schadorganismen auf unterschiedliche Pflanzen untersucht und erforscht werden. So hat ein Team von Wissenschaftlern am Institut für Phytopathologie und Allgemeine Zoologie der Justus-Liebig-Universität Gießen unter der Leitung von Prof. Dr. Karl-Heinz Kogel jetzt festgestellt, daß das sogenannte mlo-Gen, das bekanntermaßen die Gerste hervorragend gegen Mehltaupilz schützt, dagegen geradezu eine Anfälligkeit gegen Magnaporthe grisea, einem Krankheitserreger der Reispflanze, hervorruft.

    Resistenzgene, die nutzbringend eingesetzt werden könnten, sollen Widerstandsfähigkeit von Kulturpflanzen gegenüber möglichst vielen unterschiedlichen Schadorganismen vermitteln. Auf der Suche nach Genen mit solchen Eigenschaften hat die Arbeitsgruppe unter Leitung von Prof. Karl-Heinz Kogel natürliche Resistenzen der Gerstenpflanzen gegenüber Mehltau erforscht, einer in unseren Breiten sehr häufig auftretenden Getreidekrankheit. Es ist schon lange bekannt, daß eine hohe Widerstandskraft gegen Mehltau als Folge der Wirkung einzelner Resistenzgene auftreten kann. Eines dieser Gene ist das sogenannte mlo-Gen. Aufgrund der Funktion dieses Gens ist die Gerste in der Lage, den Infektionsversuch des Mehltaupilzes (Blumeria graminis) erfolgreich abzuwehren. Die mlo-resistente Gerstenpflanze reagiert im attackierten Blattbereich mit einer Verstärkung ihrer Zellwand, so daß der Pilz am Eindringen in das Pflanzengewebe gehindert wird. Dieser pflanzliche Abwehrmechanismus hat sich als so erfolgreich erwiesen, daß die mlo-Resistenz heute in etwa 70% der in der Bundesrepublik angebauten Sommergersten eingekreuzt wurde. Die mlo-resistenten Sorten haben sich in den letzten Jahren im Feldanbau hervorragend bewährt, vor allem deshalb, weil kein "Resistenzbruch" beobachtet werden konnte, d.h. es haben sich keine Mehltaurassen entwickelt, die die schützende Wirkung des mlo-Gens umgehen können.
    Von großer Bedeutung war nun die Frage, ob das mlo-Gen nicht nur gegen Mehltau, sondern auch gegen andere Krankheitserreger eingesetzt werden kann. Für eine solche Hypothese sprach, daß in der jüngsten Zeit Verwandte dieses Gens, sogenannte "Homologe", auch in anderen Pflanzen, wie dem Reis oder dem Feldunkraut Ackerschmalwand (Arabidopsis thaliana) gefunden wurden. Gegen eine solche Hypothese sprach allerdings, daß im langjährigen Feldanbau mlo-resistenter Gerste keine "Seiteneffekte" gegenüber anderen Krankheitserregern beobachtet wurden.

    Um so erstaunter waren die Gießener Wissenschaftler, als sie im Rahmen von Laborexperimenten feststellten, daß dieses Gen zwar ideal gegen Mehltau wirkt, jedoch äußerst unerwünschte Eigenschaften gegenüber einem anderen Krankheitserreger, dem Pilz Magnaporthe grisea zeigt. Magnaporthe wird - entgegen der Erwartung - in seiner Entwicklung auf den mehltauresistenten mlo-Sorten massiv gefördert. Wie die Wissenschaftler in der Juni-Ausgabe des Journals "Molecular Plant-Microbe Interaction" (MPMI 12, 508-514) berichten, besteht ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der Anwesenheit des mlo-Gens und einer erhöhten Krankheitsanfälligkeit der Gerste gegenüber Magnaporthe grisea.

    Warum wurden die negativen Eigenschaften dieses Gens erst jetzt gefunden? Die Begründung ist einfach: Magnaporthe grisea ist ursprünglich ein Pathogen der Reispflanze. Reis wird in unseren Breiten nicht angebaut, weil er an ein warmes und feuchtes Klima angepaßt ist; ebenso findet Magnaporthe grisea bei uns keine guten Entwicklungsbedingungen. In den asiatischen Reisanbaugebieten hingegen ist dieser Schadpilz für Ernteausfälle von bis zu 50% verantwortlich und damit der größte Schaderreger der Reispflanze. Es ist zwar bekannt, daß Magnaporthe grisea in wärmeren Gebieten der Erde auch auf anderen Getreiden wachsen kann, aber das Zusammentreffen von Gerste und Reispathogen ist aufgrund ihrer unterschiedlichen Verbreitungsgebiete selten. Allerdings ist zu befürchten, daß sich Magnaporthe grisea unter für ihn geeigneteren Klimabedingungen in Übergangszonen, in denen sowohl Reis als auch Gerste angebaut wird, auf mlo-Sorten stark ausbreiten könnte. Diese Gefahr besteht heute hauptsächlich in subtropischen Regionen oder auch in Südeuropa und könnte sich in Zukunft durch die noch nicht in ihrer Konsequenz absehbaren Klimaveränderungen und den damit einhergehenden Verschiebungen von Vegetationszonen noch verschärfen.

    Die jetzt erarbeiteten Ergebnisse sind von grundsätzlicher Natur, denn sie zeigen die hohe Komplexität biologischer Phänomene, selbst in Prozessen, die durch ein einzelnes in seiner Funktion vermeintlich bereits verstandenes Gen gesteuert werden. Nach den jetzt vorliegenden Ergebnissen ist die mlo-Resistenz für den gentechnischen Einsatz zur Verbesserung von Krankheitsresistenzen in weiteren Kulturpflanzen nicht geeignet.

    Kontaktadresse:

    Prof. Dr. Karl-Heinz Kogel
    Institut für Phytopathologie und Angewandte Zoologie
    Ludwigstraße 23
    35390 Gießen
    Tel.: 0641/99-37490 und 99-37491
    Fax: 0641/99-37499
    e-mail: karl-heinz.kogel@agrar.uni-giessen.de
    http://www.uni-giessen.de/ipaz


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Biologie, Informationstechnik, Meer / Klima, Umwelt / Ökologie
    überregional
    Forschungsergebnisse
    Deutsch


     

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