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12.09.2005 11:33

Der "Boom der Jubelkultur"

Friederike Enke Abteilung Hochschulkommunikation/Bereich Presse und Information
Friedrich-Schiller-Universität Jena

    Ausstellung von Volkskundlern der Universität Jena im Stadtmuseum startet am 22. September

    Jena (12.09.05) Schillerjahr, Abbe-Jahr: 2005 entpuppt sich gerade für die Stadt Jena als wahres Jubiläumsjahr. Seit einiger Zeit ziert sogar ein Spruch von Albert Einstein das höchste Gebäude der Stadt, denn es ist auch Einstein-Jahr. Wer durch diesen Jubeltrubel sensibilisiert durch die Stadt läuft, dem fallen auch die kleineren Jubiläen ins Auge. Da feiert eine Fleischerei ihr 100-jähriges Bestehen, dort hat die Pfarrgemeinde runden Feiertag. Nicht zu vergessen natürlich die persönlichen Feiertage, Geburtstage, Gratulationen zum bestandenen Abitur, zur Silberhochzeit, die sich in großen Mengen in den lokalen und regionalen Zeitungen finden.

    Wie und warum wir solche Jubiläen begehen, diesen Fragen geht eine neue Sonderausstellung im Jenaer Stadtmuseum Göhre nach, die am 22. September eröffnet wird. Studierende der Universität Jena haben die Ausstellung zum Thema "Feiern in Jena - Runde Feste" unter der Leitung der Volkskundlerinnen Prof. Dr. Christel Köhle-Hezinger und Dr. Anita Bagus erarbeitet.

    Sie decken darin mehrere Themenbereiche ab. Eine Gruppe hat sich mit den Festen des Lebens beschäftigt, eine andere mit Vereinsjubiläen. Außerdem stehen Betriebsjubiläen sowie runde Geburtstage der Universität und der Stadt auf dem Programm. Anhand von Gegenständen, Aufzeichnungen von Passantenbefragungen und Auszügen aus Festreden wird die Geschichte und der Entwicklungsprozess der Jubilarkultur bis in die Gegenwart dargestellt. Unterstützung erhielten die Ausstellungsmacher von Birgit Hellmann, der Kustodin des Stadtmuseums, in dessen Fundus zahlreiche Objekte zur Festkultur in Jena lagern.

    "Da die Museumskultur einen wichtigen Berufszweig der Volkskundler darstellt, ist es für unsere Studierenden wichtig zu erfahren, wie man eine Ausstellung vorbereitet. In solchen Ausstellungsprojekten, die wir regelmäßig anbieten, lernen sie, sich auf das Wesentliche eines Forschungsaspektes zu beschränken", erklärt Dr. Bagus. "Die wahre Kunst bei einer Ausstellung besteht im Weglassen", so die Wissenschaftlerin.

    Das Phänomen der Jubilarkultur wird schon seit längerem am Lehrstuhl für Volkskunde erforscht. Bereits 2002 beteiligte sich ein Projektseminar am Ortsjubiläum in Kunitz mit einem Geschichtspfad durch das Dorf und einer Ausstellung im Heimatmuseum. Entsprechend groß ist das Wissen über Jubiläen. "Bestimmte Bräuche haben eine sehr lange Tradition", erklärt Dr. Bagus. So gehören Blumen und der Präsentkorb traditionell zur Staffage auf dem Jubilartisch. Auch die Geburtstags- oder Hochzeitszeitung sind gängige Gaben. Interessanterweise ist ein bestimmtes Repertoire durch die Geschichte hinweg konstant geblieben. Noch immer gibt es in Geschäften Jubiläumszahlen aus Pappe gestanzt, in Gold und Silber, sowie die Prunkteller zur Silberhochzeit zu kaufen - und für den langjährigen Mitarbeiter der Firma eine Ehrenurkunde.

    Doch wo ist der Ursprung dieser Jubiläumskultur zu suchen? "Bereits im Alten Testament steht, dass auf sieben Sabbatzyklen, also auf 49 Jahre, ein 'Jobel- oder Jubeljahr' folgte", erklärt Anita Bagus. Solche Jahre galten als heilig und als Erlassjahre. Auch den Ablass koppelte man an das Jubeljahr. Von Feiern in jedem halben Jahrhundert verkürzte sich die Zeitspanne bald auf das Vierteljahrhundert, zu den kirchlichen Jubiläen gesellten sich weltliche. "Gerade die Universitäten haben an der Säkularisierung der Jubiläen entscheidenden Anteil, das erste wurde 1492 an der Universität Erfurt gefeiert", weiß die Volkskundlerin von der Friedrich-Schiller-Universität.

    Im 18. Jahrhundert erreichte die Jubilarkultur den persönlichen Lebensbereich der Menschen, je nach Glaubenszugehörigkeit feierte man Namens- oder Geburtstag. Im Zuge der Industrialisierung im 19. Jahrhundert entwickelte sich die Kultur der Betriebsjubiläen. "Firmenjubiläen oder so genannte Produktjubiläen sind eine Art Leistungsschau der Unternehmen", berichtet Bagus. "Sie dienen der Image-Aufwertung und sind gleichzeitig Werbung." Ähnlich wie bei den großen runden Geburtstagen oder den Vereinsjubiläen wurden Festreden gehalten, in denen man zurückblickt. Überhaupt sind Jubiläen Anlässe, um Bilanz zu ziehen und bisherige Entwicklungen Revue passieren zu lassen. "Die Jubiläen geben einen Rhythmus vor, sie teilen die Zeit im Großen und im Leben des Individuums in überschaubare Abschnitte", erklärt Dr. Bagus die Neigung der Menschen, Jubeljahre zu feiern.

    Die Ausstellungseröffnung findet am Donnerstag, den 22. September, um 19 Uhr in der Göhre (Markt 7) statt, bei der das Weimarer Modetheater "gnadenlos schick" ein Programm darbietet. Die Ausstellung kann zu den Öffnungszeiten des Stadtmuseums (http://www.stadtmuseum.jena.de/) bis zum 27. November besichtigt werden.

    Kontakt:
    Dr. Anita Bagus
    Bereich Volkskunde/Kulturgeschichte der Universität Jena
    Fürstengraben 18, 07743 Jena
    Tel.: 03641 / 944390
    E-Mail: bagusa@web.de


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Geschichte / Archäologie, Gesellschaft
    regional
    Buntes aus der Wissenschaft
    Deutsch


     

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