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Den Brummschädel nach einem Abend in einer verräucherten Kneipe kennt wohl jeder - aber Rauchen ist auch Risikofaktor für die Entwicklung chronischer Schmerzkrankheiten. Wer als Schmerzpatient das Rauchen aufgibt, kann damit rechnen, dass sich sein Befinden verbessert, in einigen Fällen sogar ebenso gut wie durch Medikamente. "Die Bedeutung von Tabakrauchen auf die Entstehung chronischer Schmerzsyndrome sowie von Raucherentwöhnung als therapeutische Maßnahme bei chronischen Schmerzsyndromen ist ein bisher von der Schmerztherapie vernachlässigtes Thema", erklärt Dr. Winfried Häuser (Zentrum für Schmerztherapie, Klinikum Saarbrücken). Beim Deutschen Schmerzkongress in Bremen tauschen sich die Experten erstmals darüber aus.
Bremen, Deutscher Schmerzkongress, 19. bis 22. Oktober 2005
Haben Raucher häufiger chronische Schmerzen?
Rauchstopp hilft besser als Medikamente
Den Brummschädel nach einem Abend in einer verräucherten Kneipe kennt wohl jeder - aber Rauchen ist auch Risikofaktor für die Entwicklung chronischer Schmerzkrankheiten. Wer als Schmerzpatient das Rauchen aufgibt, kann damit rechnen, dass sich sein Befinden verbessert, in einigen Fällen sogar ebenso gut wie durch Medikamente. "Die Bedeutung von Tabakrauchen auf die Entstehung chronischer Schmerzsyndrome sowie von Raucherentwöhnung als therapeutische Maßnahme bei chronischen Schmerzsyndromen ist ein bisher von der Schmerztherapie vernachlässigtes Thema", erklärt Dr. Winfried Häuser (Zentrum für Schmerztherapie, Klinikum Saarbrücken). Beim Deutschen Schmerzkongress in Bremen tauschen sich die Experten erstmals darüber aus.
Kopfschmerz durch Zigaretten
"Bei Clusterkopfschmerz stellt das Rauchen einen gesicherten (Auslöse-?) Mechanismus dar", so Prof. Dr. Karl-Heinz Grotemeyer (Klinikum für Neurologie, Klinikum Saarbrücken. "Migränepatienten gaben Rauchen als Kopfschmerz-Triggerfaktor je nach Studie zwischen 1% und 3,2% an, Spannungs-kopfschmerzpatienten beschuldigten Rauchen in 2,8% als Auslöser." Rauchende Kopfschmerzpatienten geben in der Regel mehr Kopfschmerzphasen an als Nichtraucher. Das Hirninfarktrisiko ist bei rauchenden Migränepatientinnen signifikant erhöht. Kopfschmerz bei "Gesunden" durch Rauchen ist selten, aber es gibt offensichtlich Tabak-"brand" abhängige Kopfschmerzen. Klagen von Passivrauchern über Kopfschmerzen sind bisher noch nicht ausreichend wissenschaftlich untersucht und daher spekulativ. Erste Hinweise gibt es für das Entstehen von Cluster-Kopfschmerzen unter Passivrauchen. Hinweise, dass chronische Kopfschmerzen bei Rauchern schlechter zu therapieren sind, fehlen bisher. Die Wirksamkeit von Tabakentwöhnung bei rauchenden Kopfschmerzpatienten wurde bisher nicht untersucht.
Risiko für schmerzhafte innere Erkrankungen steigt
Eindeutig gesichert ist, dass das Rauchen Risikofaktor für viele internistische Erkrankungen ist, die mit chronischen Schmerzen einhergehen können: Neben der Verengung der Herzkranz- und Beingefäße (Koronare Herzerkrankung, periphere arterielle Verschlusskrankheit) und der entzündlichen Verengungen der Zehen- und Fingerarterien (Thrombangiitis obliterans) erhöht das Rauchen auch das Risiko für chronische Bauchspeicheldrüsenentzündung, Bauchspeicheldrüsenkrebs sowie Entzündungen des Dünn- und Dickdarmes (Morbus Crohn). "Die relative Risikoreduktion eines erneuten Herzinfarkts durch Tabakabstinenz liegt zwischen 50 und 70 %. Das ist vergleichbar mit der relativen Risikoreduktion, die sich durch die derzeit gängige Praxis der Kombination von vier unterschiedlichen Medika-menten erzielen lassen", unterstreicht Dr. Häuser. Rauchstopp führt außerdem zu einem eindeutigen Anstieg der schmerzfreien Gehstrecke bei peripherer arterieller Verschlusskrankheit. Amputationen bei Thrombangiitis obliterans müssen fast nur bei Rauchern durchgeführt werden. Das Risiko eines erneuten symptomatischen Rückfalls nach Operation bei Morbus Crohn wird durch Rauchstopp in der selben Größenordnung reduziert wie durch die Gabe des derzeit gängigen Immunsuppressivums Azathioprin, welches bei 1-2% der Patienten wegen schwerwiegender Nebenwirkungen abgesetzt wer-den muss. Ein positives Ergebnis einer endoskopischen Therapie bei chronischer Pankreatitis wird insbesondere durch den zusätzlichen Rauchstopp bestimmt.
Raucher haben öfter Rückenschmerzen
Raucher klagen häufiger als Nichtraucher über unspezifische muskoloskelettale Beschwerden, insbesondere im Rückenbereich. Trotz einer Vielzahl von Studien zu diesem Thema konnte jedoch ein kausaler Zusammenhang zwischen Rückenschmerzen und Nikotinkonsum bislang nicht gesichert werden. Empirisch belegt ist lediglich, dass Raucher auch bezüglich weiterer morbiditätsrelevanter Faktoren ein Risikoerhöhendes berufliches und psychosoziales Profil aufweisen. Studien zu den Effekten von Tabakentwöhnung bei Rückenschmerzen fehlen bisher.
Rauchstopp als Therapieergänzung
Die Effektivität von Rauchstopp als therapeutische Maßnahme bei einigen chronischen Schmerzsyndromen aus der Inneren Medizin ist eindeutig belegt, entsprechende Studien aus der Neurologie und Orthopädie fehlen noch. "Raucherentwöhnung ist nicht nur effektiv, sondern - im Vergleich zur me-dikamentösen, invasiven oder psychotherapeutischen Schmerztherapie - kostengünstig und nebenwirkungsarm", so Dr. Häuser. Die Wirksamkeit ärztlicher Maßnahmen der Raucherentwöhnung (mehr-malige Kurzinterventionen, längerfristige Betreuung) einschließlich der Nikotinsubstitutionstherapie ist in Metaanalysen nachgewiesen. Auch ärztliche und psychologische Schmerztherapeuten sollten sich mehr in der Raucherentwöhnung, insbesondere bei Patienten mit chronischen Schmerzen und ausgeprägter Nikotinabhängigkeit bzw. psychischer Komorbidität engagieren, fordern die Experten. Eine Raucherentwöhnung sollte daher ein obligater Bestandteil einer multimodalen Schmerztherapie bei chronisch viszeralen Schmerzsyndromen bei koronarer Herzerkrankung, peripherer arterieller Verschlusskrankheit, Morbus Crohn und chronischer Pankreatitis sein.
Ansprechpartner
Dr. Winfried Häuser, Medizinische Klinik I, Zentrum für Schmerztherapie, Klinikum Saarbrücken gGmbH, Winterberg 1, 66119 Saarbrücken, Tel. 0681/963-2020, Fax: 0681/963-2022
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Ernährung / Gesundheit / Pflege, Medizin
überregional
Forschungsergebnisse
Deutsch
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