idw – Informationsdienst Wissenschaft

Nachrichten, Termine, Experten

Grafik: idw-Logo
Grafik: idw-Logo

idw - Informationsdienst
Wissenschaft

Science Video Project
idw-Abo

idw-News App:

AppStore

Google Play Store



Instanz:
Teilen: 
21.09.1999 17:51

Verblüffende Effekte durch unsichtbare Strukturen

Dr. Peter Paul Schepp Kommunikation & Medien
Deutsche Gesellschaft für Materialkunde e.V.

    Die Welt der Oberfläche: Oberflächentechniken erstmals als Sonderschau auf der MATERIALICA

    Die sogenannte Haifischhaut, eine dünne Kunststoff-Folie mit einer exakt definierten Rauigkeit, reduziert den Strömungswiderstand von Flugzeugen und verringert so ihren Treibstoffverbrauch um etwa drei Prozent. Der Lotus-Effekt macht Fensterputzen und Fassadenstreichen überflüssig, weil Schmutz nicht länger haftet, sondern vom Regen abgewaschen wird. Beide Phänomene haben eine gemeinsame Grundlage: Es handelt sich in beiden Fällen um mikrostrukturierte Oberflächen. Millionen von winzigsten Rillen (wie bei der Haifischhaut) oder Gräben, Noppen (Lotus-Effekt), Pyramiden oder Kegeln, nur Bruchteile eines Millimeters groß (10-4 bis 10-7 Meter), erzeugen immer neue verblüffende Eigenschaften und sind deshalb zur Zeit ein besonders intensiv beackertes Forschungsfeld. Das wird auch auf der
    2. Internationalen Fachmesse für innovative Werkstoffe, Verfahren und Anwendungen MATERIALICA 1999 deutlich, die vom 27. bis 30. September auf dem neuen Messegelände in München stattfindet und erstmalig unter der Bezeichnung Surface World ein Forum für Oberflächentechnik bietet.

    Zu den wichtigen Forschungsrichtungen zählen optische Erscheinungen. An allen transparenten Materialien wird ein Teil des einfallenden Lichtes reflektiert. Diese Ablenkung beruht auf der abrupten Änderung der Brechzahl an der Grenzfläche

    zweier Medien. Strukturen allerdings, die kleiner sind als die Wellenlänge des Lichts, bewirken einen sanften Übergang der Brechzahl beim Übergang von Luft zu Glas. Entsprechende Oberflächenstrukturen im Submikronbereich können so die Reflexion wesentlich verringern. Diese Entspiegelung ist bei Monitoren, Displays oder Instrumentenabdeckungen außerordentlich erwünscht. Hergestellt werden solche Oberflächen durch Prägeverfahren (Stempeln) in Ormocere, anorganisch-organische Hybridpolymere. Dazu wird zunächst auf ein Glassubstrat ein Fotoresist aufgetragen und kreuzweise belichtet. Mittels galvanischer Abscheidung bringt man anschließend eine hauchfeine Nickelschicht auf, die dann als Prägewerkzeug für den Kunststoff benutzt wird.

    "Wir haben schon Prägefolien in Abmessungen größer DIN A4 realisiert. Zudem lassen sich die Ormocere auch wasser-, öl- oder schmutzabweisend aufbauen. Eine weitere Option ist z.B. Kratzfestigkeit", erklärt Dr. Klaus Rose, zuständiger Projektleiter am Fraunhofer-Institut für Silicatforschung (ISC) in Würzburg, das wie sechs weitere Institute der Fraunhofer-Gesellschaft mit einem Gemeinschaftsstand auf der MATERIALICA vertreten sein wird.

    Reflexionen sind nicht nur bei Anzeigen aller Art und bei Bauverglasungen störend, sie beeinträchtigen auch die Ausbeute an Sonnenenergie bei Solarkollektoren oder Fensterscheiben. Für solche großflächigen Anwendungen sind Sol-Gel-Beschichtungen entwickelt worden, die nach außen hin glatt wirken, tatsächlich aber porös sind. Diese steuerbare Porosität unterdrückt die Reflexion. Die anorganischen Schichten können im Tauchverfahren in nahezu beliebiger Größe kostengünstig hergestellt werden. Erste Produkte dieser Art sollen im nächsten Jahr auf dem Markt sein.

    Was in die eine Richtung geht, funktioniert auch anders herum: Millionen winziger Pyramiden - mikroskopisch kleine Katzenaugen - strahlen in Totalreflexion. Solche retroreflektierenden Elemente könnten beispielsweise Verkehrszeichen, Straßenbegrenzugen und -markierungen bei Nacht erheblich besser sichtbar machen.

    Automobilbauer benötigen Bleche, die sich gut umformen und lackieren lassen. Beide Merkmale werden stark von der Oberflächentopographie bestimmt, die mit Hilfe von Dressierwalzen eingeprägt wird. Die Winterthurer Metallveredelung AG (WMV) hat gemeinsam mit dem Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung (IPA, Stuttgart) ein alternatives galvanisches Verfahren zur Herstellung strukturierter Hartchromschichten (TOPOCROM) entwickelt. Abscheidung und Strukturerzeugung erfolgen dabei simultan. Rauigkeit (typische, in der Praxis erprobte Oberflächen haben Rauheitswerte Rz von 3 bis 40 _m) und Spitzenzahl kann entsprechend den Anforderungen eingestellt werden. Als erster großer Stahlhersteller hat die Salzgitter AG diesen Prozeß übernommen. Für sie wurde das Verfahren zum Einsatz bei der Dressierwalzenbeschichtung maßgeschneidert weiterentwickelt (PRETEX-Verfahren). Mit zwei Reaktoren werden in Salzgitter 19 Walzen pro Tag beschichtet. "Mit jeder von ihnen können jetzt rund 100 Kilometer Stahlbleche texturiert werden, herkömmlich beschichtete Walzen müssen dagegen schon nach 30 Kilometern ausgetauscht werden", beschreibt Karl Müll, Geschäftsführer der WMV, den Fortschritt.

    Mikrostrukturen in den verschiedensten Ausprägungen sind heute verfügbar. Das Problem liegt vielfach nicht darin, sie herzustellen, sondern sie in die Fläche mit höchster Genauigkeit zu übertragen, also in der Vervielfältigung nanometerfeiner Strukturen (Mikroreplikation). Eine entspiegelte Oberfläche in der Größe eines DIN A4-Blattes besteht aus einer Billion Kegel, die alle gleich groß und regelmäßig angeordnet sind. Eine retroflektierende Schicht von gleichen Abmessungen enthält immer noch 1.5 Millionen Tripelspiegel, die das Licht zurückwerfen.

    Zur Herstellung solch kontinuierlicher Oberflächenprofile gibt es mehrere grundlegend unterschiedliche Verfahren. Zum einen sind spanabhebende Ultrapräzisionsmaschinen oder Laser zur Bearbeitung verfügbar. Die klassischen Verfahren, wie Fräsen, Drehen, Hobeln, Schleifen oder Bohren, wurden in den letzten Jahren so weit verfeinert, daß sie für den Vorstoß in den Mikrokosmos ebenfalls geeignet sind. Der Laser ist dank seiner Vielseitigkeit auch in der Mikrobearbeitung ein universelles Werkzeug, er kann nicht nur abtragen, sondern auch hinzufügen und verbinden. Zur Strukturierung im Mikrometerbereich werden Neodym-YAG-Laser eingesetzt, für noch höhere Genauigkeiten Excimerlaser in Verbindung mit maskenabbildenden Verfahren.

    Zum anderen ist es gelungen, lithographische Prozesse aus der Halbleiterindustrie in die dritte Dimension zu erweitern. Eine Kombination mehrerer Technologien erlaubt die freie Erzeugung der gewünschten "Relieflandschaften". Kerntechnik ist die Grautonlithographie, die in einem einzigen Belichtungsschritt die dreidimensionale Struktur in Fotolack überträgt. Durch Galvanik oder Trockenätzen entstehen dann Grundformen, die als Metallfolien oder -stempel das negative Abbild tragen. Davon können in absolut gleicher Qualität bis zu 20 Kopien hergestellt werden, die dann als Prägestempel für Kunststoffe dienen. Als Abformtechniken werden Heißpräge- oder UV-aushärtende Verfahren, aber auch der Spritzguß verwendet.

    Obwohl schon zahlreiche Verfahren und Produkte den Sprung in die Wirtschaftlichkeit geschafft haben, steht die Mikrostrukturierung erst am Anfang. So ist noch gar nicht absehbar, welche Anwendungsgebiete zusätzlich erschlossen werden.

    Auf der Sonderschau "Surface World" präsentiert beispielsweise das Unternehmen Nanogate GmbH (Saarbrücken) zur MATERIALICA transparente öl- und wasserabweisende Haftschichten für den Industrieeinsatz und für den Haushalt, ultradünnen Korrosionsschutz für Leichtmetalle und Kratzfestsysteme für verschiedenste Materialien. Dabei sorgen Nanopartikel in der Beschichtung z.B. für eine hart-elastische und extrem glatte Oberfläche. Die transparente Spezialbeschichtung kann wie ein Lack auf viele Oberflächen aufgetragen werden.

    Die BERLAC AG (Sissach/CH) zeigt u.a. neuartige Beschichtungsmöglichkeiten
    für den Einsatz im Industriebereich, beim Fahrzeugbau, im Medizinsektor, beim
    Sport oder auch im Sanitär- und Haushaltsbereich mit den unterschiedlichsten Werkstoffen.
    Ein neues Verfahren zur Modifikation von Oberflächen unter Normaldruckatmosphäre stellt die AGRODYN Hochspannungstechnik GmbH (Steinhagen) zur Messe vor.

    Weitere Innovationen zur Oberflächentechnik zeigt im Rahmen der "Surface World" auch das Unternehmen Sulzer Metco (Deutschland) GmbH (Hattersheim)
    mit dem Einsatz von funktionellen Oberflächen und der Nutzung von thermischen Spritzverfahren.

    Die Sonderschau "Surface World" wird damit zum zentralen Forum und Expertentreff für neue Oberflächentechniken während der Materialica 1999.

    "Die Welt der Oberfläche" präsentiert zur MATERIALICA 1999 auch die Deutsche Gesellschaft für Galvano- und Oberflächentechnik (DGO) mit einem attraktiven Gemeinschaftsstand (Halle B 01, Stand B1.621) namhafter Unternehmen der Galvanotechnik-Branche.
    An den Podesten der Verfahrenslieferanten, Beschichter und Zubehöranbieter werden zahlreiche Produkte mit dekorativen und funktionellen Oberflächen die Diskussion der Besucher anregen. Im Mittelpunkt stehen dabei die Veredelung von
    leichten Konstruktionswerkstoffen, aber auch neue Problemlösungen mit funktionellen Hartchrom- und Chemisch Nickel-Schichten, blendfreie dekorative Oberflächen, umweltfreundliche Verfahren und kombinierte Oberflächentechniken.

    Im MATERIALICA-Forum (Halle B 01) wird die DGO am 29. September zwischen
    12.00 - 12.50 Uhr das Thema "Neue Schichten für die Automobilindustrie- galvano- und plasmatechnische Lösungen für die Zukunft" zur Diskussion stellen.

    Als Beiträge sind dabei vorgesehen:
    * Dr. Bertram Reinhold, AUDI AG: "Zukünftige galvanische Beschichtungssysteme"
    * Frank Leyendecker, AHC-Oberflächentechnik: "Leichte Konstruktionswerkstoffe"
    * Prof. Dr. Andreas Möbius, Enthone-OMI (Deutschland): "Metallisieren von
    Kunststoffbauteilen".

    MATERIALICA im Internet

    Ergänzende Informationen für Aussteller und Besucher der MATERIALICA 1999 in München sind im Internet unter http://www.materialica.de abrufbar.

    Ansprechpartner für die Presse:

    Dr. Rudolf Huber
    Pressereferat MATERIALICA 99
    Tel.: ++49-89-949-20670
    Fax: ++49-89-949-20679
    e-mail: huberr@messe-muenchen.de

    Kontaktadressen für Recherchen:

    Agrodyn Hochspannungstechnik GmbH Berlac AG
    Bisamweg 10 Allmendweg 39
    D-33803 Steinhagen Ch-4450 Sissach
    Tel.: ++49-5204-921031 Tel.: ++41-61-9769010
    Fax.: ++49-5204-921033 Fax.: ++41-61-9769620
    Email: info@agrodyn.de Email: Berlac.ch@bluewin.ch

    nanogate GmbH Sulzer Metco (Deutschland) GmbH
    Gewerbepark Am Eisernen Steg 18
    Eschberger Weg D-65795 Hattersheim
    D-66121 Saarbrücken Tel.: ++49-6190-809-0
    Tel.: ++49-681-98052-10 Fax.: ++49-6190-3009
    Fax.:++49-681-98052-52 Email: harmut.rippen@sulzer.ch
    Email: info@nanogate.com


    Weitere Informationen:

    http://www.euroamt.fems.org
    http://www.materialica.de


    Bilder

    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Elektrotechnik, Energie, Ernährung / Gesundheit / Pflege, Informationstechnik, Maschinenbau, Medizin, Werkstoffwissenschaften
    überregional
    Buntes aus der Wissenschaft, Wissenschaftliche Tagungen
    Deutsch


     

    Hilfe

    Die Suche / Erweiterte Suche im idw-Archiv
    Verknüpfungen

    Sie können Suchbegriffe mit und, oder und / oder nicht verknüpfen, z. B. Philo nicht logie.

    Klammern

    Verknüpfungen können Sie mit Klammern voneinander trennen, z. B. (Philo nicht logie) oder (Psycho und logie).

    Wortgruppen

    Zusammenhängende Worte werden als Wortgruppe gesucht, wenn Sie sie in Anführungsstriche setzen, z. B. „Bundesrepublik Deutschland“.

    Auswahlkriterien

    Die Erweiterte Suche können Sie auch nutzen, ohne Suchbegriffe einzugeben. Sie orientiert sich dann an den Kriterien, die Sie ausgewählt haben (z. B. nach dem Land oder dem Sachgebiet).

    Haben Sie in einer Kategorie kein Kriterium ausgewählt, wird die gesamte Kategorie durchsucht (z.B. alle Sachgebiete oder alle Länder).