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14.12.2005 11:04

Wie steht es um die Tugenden der Europäer? - Sozialwissenschaftliches Großprojekt wird weiter gefördert

Ursula Zitzler Stabsstelle Hochschulkommunikation
Universität Stuttgart

    Wie steht es um die Tugenden der Europäer? Dies ist eine der Fragen, mit der sich das sozialwissenschaftliche Forschungsprojekt European Social Survey (ESS) beschäftigt hat. Anhand von insgesamt sechs Fragen haben Forscher untersucht, was einen guten Bürger ausmacht. Während sich in fast allen untersuchten west- und osteuropäischen Ländern die Tugend der Teilnahme an Wahlen großer Akzeptanz erfreut, wird politisches und soziales Engagement nur von einer Minderheit der Europäer als Bürgerpflicht betrachtet. Deutschland, eigentlich als Musterland der Vereine bekannt, liegt bei der Einschätzung der Tugendhaftigkeit der Aktivität in Vereinen, Verbänden und Organisationen sogar deutlich unter dem europäischen Durchschnittswert. Zu den unumstrittenen Tugenden eines guten Bürgers gehört dagegen die Gesetzestreue. Solidarität mit Menschen, denen es schlechter geht, wird vor allem in skandinavischen und südeuropäischen Ländern als wichtige Tugend geschätzt, Deutschland liegt hier im Mittelfeld. In exsozialistischen Ländern, insbesondere in der Tschechischen Republik und Ungarn, werden dagegen Tiefstwerte erreicht - obwohl die Tugend der Solidarität doch einen der sozialistischen Grundwerte darstellt, die die kommunistischen Regimes ihren Bürgern vermittelt wollten. Als wichtigste Eigenschaft eines guten Bürgers wird in allen untersuchten europäischen Ländern die Fähigkeit, sich unabhängig von anderen eine eigene Meinung zu bilden, eingeschätzt. In Westeuropa rangiert diese Tugend dabei noch etwas höher als in Osteuropa. Der Generationenvergleich zeigt vor allem eine Lücke zwischen der deutlich tugendhafteren Vorkriegs- und der deutlich weniger tugendhaften Wende- beziehungsweise Nachwendegeneration. Insgesamt ist ein Verlust der Tugend in Europa unbestreitbar.

    Neues Kapitel der vergleichenden Umfrageforschung
    Mit dem ESS wurde ein neues und erfreuliches Kapitel der vergleichenden Umfrageforschung in Europa aufgeschlagen. Die Vorbereitungen für dieses sozialwissenschaftliche Großprojekt begannen bereits Mitte der 1990-er Jahre. Die ersten Erhebungen von Umfragedaten fanden nach einer bis dahin beispiellosen gemeinsamen Anstrengung der Europäischen Kommission, der European Science Foundation und der nationalen Forschungsförderungseinrichtungen der beteiligten Länder (in Deutschland der Deutschen Forschungsgemeinschaft - DFG) 2002 statt. Die zweite Welle der europaweiten Umfragen erfolgte 2004. Seit September 2005 sind die Daten aus dieser Erhebungen über eine eigene Homepage für die weltweite Gemeinschaft der interessierten Sozialforscher kostenlos zugänglich. Die nächsten Umfragen für das Projekt werden ab Sommer 2006 stattfinden.
    Wichtigstes langfristiges Ziel der Studie ist es, die Interaktion zwischen den sich wandelnden politischen und ökonomischen Institutionen und den Einstellungen, Überzeugungen und Verhaltensmustern der Bevölkerungen der jeweiligen Länder zu beschreiben und zu erklären. Dabei wird besonderer Wert auf durchgängig hohe Qualitätsstandards gelegt.

    Über 20 Länder beteiligt
    Insgesamt beteiligten sich an den bisher durchgeführten Erhebungen jeweils weit über 20 Länder. Ziel ist es, in Zukunft vor allem die Zahl der osteuropäischen Teilnehmerländer weiter auszubauen. Die zentrale Koordination des Projekts liegt bei einem in London ansässigen Projektteam unter Leitung von Prof. Roger Jowell (City University London). Die wissenschaftliche Begleitung ist Aufgabe des Scientific Advisory Board unter Leitung von Prof. Max Kaase (International University Bremen). Zum Koordinationsteam der deutschen Teilstudie des ESS gehören Prof. Oscar W. Gabriel (Universität Stuttgart), Prof. Jan W. van Deth (Universität Mannheim), Prof. Heiner Meulemann (Universität Köln) und Prof. Edeltraud Roller (Universität Mainz). Die Geschäftsführung liegt bei Katja Neller (Universität Stuttgart).

    Descartes-Preis zuerkannt
    Anfang Dezember 2005 erhielt der ESS den renommierten Descartes-Preis für Forschung. Der Descartes-Preis gehört zu den angesehensten wissenschaftlichen Auszeichnungen in Europa. Er wird an Wissenschaftler vergeben, die im Rahmen europäischer Verbundforschungsprojekte hervorragende Ergebnisse und außergewöhnliche Leistungen der Spitzenforschung erzielt haben. Der ESS ist das erste sozialwissenschaftliche Projekt überhaupt, das mit diesem Preis ausgezeichnet wurde. Neben dem ESS erhielten vier weitere Wissenschaftlerteams aus den Bereichen Klima- und Umweltforschung, Genetik und Physik das Preisgeld in Höhe von jeweils 200.000 Euro.
    Durch die Aufnahme in das Langfristförderprogramm der DFG konnte die Teilnahme Deutschlands am ESS nun langfristig gesichert werden. Bis 2015 unterstützt die DFG das deutsche Teilprojekt des ESS mit einer Summe von insgesamt rund 3,2 Millionen Euro.

    Kontakt:
    Nationale Studie Deutschland: Prof. Dr. Oscar W. Gabriel und Katja Neller, Universität Stuttgart, Institut für Sozialwissenschaften, Politische Systeme und Politische Soziologie (Politikwissenschaft I), Breitscheidstr. 2, 70174 Stuttgart, Tel. 0711/121-3430 oder 0711/121-3427, Fax 0711/121-2333, e-mail: oscar.gabriel@sowi.uni-stuttgart.de, katja.neller@sowi.uni-stuttgart.de


    Weitere Informationen:

    http://www.europeansocialsurvey.org
    http://www.europeansocialsurvey.de


    Bilder

    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Gesellschaft
    überregional
    Forschungsergebnisse, Forschungsprojekte
    Deutsch


     

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