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17.01.2006 11:00

Zu wenig Forschung und Entwicklung in NRW

Joachim Schmidt Kommunikation
Rheinisch-Westfälisches Institut für Wirtschaftsforschung e.V.

    Das Land Nordrhein-Westfalen hat 2003 nur 1,8% seines Bruttoinlandsprodukts für Forschung und experimentelle Entwicklung aufgewendet. Damit liegt es sowohl unter dem Bundesdurchschnitt von 2,6% als auch unter dem Ziel der Europäischen Union für 2010 von 3%. Vor allem im Wirtschaftssektor des Landes besteht ein erheblicher Forschungsrückstand. Die niedrige Forschungsintensität hat unterschiedliche strukturelle Ursachen, nicht zuletzt die Forschungsabstinenz der Großunternehmen. Zu diesen Ergebnissen kommt eine aktuelle Studie des RWI Essen. Damit NRW zukunftsfähig ist, sind laut der Studie deutlich höhere Investitionen in Forschung und Entwicklung nötig. Die Politik kann einen Beitrag zur Erhöhung der Forschungsintensität leisten,, indem sie beispielsweise die öffentlichen Investitionen in Bildung und Forschung erhöht und sich gezielt um die Ansiedlung forschungsintensiver Industrien bemüht.

    Forschung und experimentelle Entwicklung (F&E) sind in der wissensbasierten Ökonomie des 21. Jahrhunderts mit entscheidend für die Sicherung der "Zukunftsfähigkeit" einer Volkswirtschaft. In diesem Zusammenhang hat die Europäische Union für 2010 ihr "Barcelona-Ziel" verkündet: Die Forschungsintensität (Anteil der F&E-Ausgaben am Bruttoinlandsprodukt) der EU-25 soll bis dann auf 3% erhöht werden; davon sollen zwei Drittel durch die private Wirtschaft und ein Drittel durch die öffentliche Hand aufgebracht werden. NRW ist noch weit von diesem Ziel entfernt; Ursachen und Konsequenzen hat das RWI Essen jüngst in seiner Studie "Zu wenig Forschung und Entwicklung? - Ursachen und Implikationen der Forschungslücke der nordrhein-westfälischen Wirtschaft" untersucht.

    NRW wendete 2003 1,8% seines BIP für F&E auf, Deutschland insgesamt hingegen 2,6%. NRW blieb damit sehr weit hinter den süddeutschen Flächenländern Baden-Württemberg (4 %) und Bayern (3 %) zurück. Dies weist darauf hin, dass in NRW vergleichsweise wenige Zukunftsinvestitionen in solchen forschungsintensiven Wirtschaftsbereichen getätigt werden, die für die wirtschaftlichen Perspektiven des Landes von größter Bedeutung sind.

    Forschungsausgaben in NRW sind unterdurchschnittlich stark gewachsen

    Anlass zur Sorge sollte vor allem die Tatsache geben, dass NRW in jüngster Zeit im Vergleich zu einigen Bundesländern bzw. zum Bund insgesamt noch deutlich zurückgefallen ist. Während die F&E-Ausgaben in Deutschland zwischen 1991 und 2003 insgesamt um 16,7 Mrd. € zulegten, waren es in NRW gerade einmal 1,0 Mrd. €. Das Land hat folglich gerade einmal 6% des gesamten Zuwachses auf sich vereinen können - bei einem Bevölkerungsanteil von fast 22%. Preisbereinigt sind die F&E-Ausgaben des Landes sogar um 0,6 % pro Jahr gesunken.

    Die niedrige Forschungsintensität in NRW ist vor allem auf die relative Forschungsabstinenz der Wirtschaft des Landes zurückzuführen: Während die F&E-Ausgaben des Wirtschaftssektors bundesweit bei 1,8% des BIP liegen (2003), erreichen sie in NRW nur 1,1% - zum Vergleich: Baden-Württemberg: 3,1%, Bayern: 2,4%.

    Niedrige Forschungsintensität hat unterschiedliche strukturelle Ursachen

    Bei der Suche nach den Ursachen der niedrigen Forschungsintensität der Wirtschaft lassen sich vier Erklärungen unterscheiden: (i) Besonderheiten der Sektorenstruktur, (ii) Unternehmensstrukturen und -strategien, (iii) Spezifika der Region sowie (iv) Institutionen und Politik in einem sehr weit verstandenen Sinne.

    (i) Eine geringere Präsenz forschungsintensiver Industrien in NRW erklärt etwa ein Drittel des derzeitigen Forschungsrückstands.

    (ii) Weitaus stärker schlägt zu Buche, dass die in NRW beheimateten Großunternehmen insgesamt in relativ geringem Maße forschen. Bei mehr als einem Drittel der Großunternehmen hierzulande handelt es sich allerdings um "Händler" und "Dienstleister" - also um Unternehmen, für die F&E ohnehin nur in engen Grenzen in Betracht kommt. Aber auch die Großunternehmen des Verarbeitenden Gewerbes setzten - von beachtlichen Ausnahmen abgesehen (z.B. die Bayer AG) - keine starken Akzente im Forschungsbereich. Der innovative industrielle Mittelstand des Landes kann diese Defizite nicht kompensieren. In Deutschland wie in allen führenden Industrieländern wird die Industrieforschung maßgeblich durch Großunternehmen getragen.

    (iii) Die niedrige Forschungsintensität in NRW ist insbesondere darauf zurückzuführen, dass der Strukturwandel von den alten Industrien, insbesondere von Kohle, hin zu den High-Tech-Industrien des 21. Jahrhunderts bislang nur zum Teil gelungen ist. So wird im Ruhrgebiet, der größten Bevölkerungsagglomeration des Landes und Deutschlands, weit unterdurchschnittlich geforscht; die F&E-Ausgaben der Wirtschaft lagen hier 2001 gerade einmal bei rund einem Viertel der kumulierten F&E-Ausgaben der drei Ballungsräume des Rheinlandes (Köln-Bonn, Düsseldorf, Aachen) bzw. bei etwa 0,5 % des BIP (Ballungsräume des Rheinlandes zu 1,7 %).

    (iv) Die Befunde hinsichtlich des Einflusses der Förderinstitutionen und der Politik fallen gemischt aus. Stärken, z.B. beim Ausbau der Hochschullandschaft des Landes in den zurückliegenden Jahrzehnten, stehen Schwächen gegenüber wie das jahrzehntelange Festhalten an den Steinkohlesubventionen. Zugleich ist eine gewisse Diskrepanz zwischen dem starken Ausbau der Einrichtungen der Wirtschaftsförderung im Lande und den Erfolgen bei der Förderung des Strukturwandels nicht zu übersehen.

    Nur mit mehr Forschung ist NRW zukunftsfähig

    Mit Blick auf die Zukunftschancen des Landes stellt sich die niedrige F&E-Intensität als sehr substanzielles Problem dar, hat diese doch zur Folge, dass NRW auf lange Sicht im deutschen und europäischen Verbund immer mehr zum Technologieimporteur wird. Entscheidende Wettbewerbsvorteile von NRW - wie der deutschen Wirtschaft insgesamt - liegen jedoch letztlich in der Produktion wissensintensiver Güter, der aktiven Mitwirkung an der Entwicklung neuer Technologien und bei der Neuentwicklung von Produkten mit hohem Technologiegehalt.

    Die Exporterfolge der deutschen Industrie in den vergangenen Jahrzehnten gründen auf einem Innovationssystem, das sich durch eine hohe Forschungsintensität der Industrie, eine qualitativ hoch stehende Forschungsinfrastruktur und ein sehr qualifiziertes Arbeitskräftepotenzial auszeichnete. Eine niedrige oder gar noch weiter fallende Forschungsintensität in NRW ist auf die Dauer mit der Bewahrung und Weiterentwicklung dieses Innovationssystems nicht vereinbar. Eine Abkehr von der Industrieforschung führt in letzter Konsequenz zu einem Verlust an Wettbewerbsfähigkeit, zu Wachstumsschwäche und zu Friktionen im Strukturwandel.

    Politik kann Rahmenbedingungen für die Forschung verbessern

    Der Lissabon-Prozess und das Barcelona-Ziel sollten vor diesem Hintergrund für NRW Anlass sein, seine Anstrengungen bei F&E erheblich zu verstärken. 3% des BIP sollen auf jeden Fall in einem überschaubaren Zeitraum erreicht werden, wenn möglich, sogar mehr. Zwar sind die seitens des Staates bestehenden Steuerungsmöglichkeiten für die F&E der privaten Wirtschaft begrenzt. Trotzdem kann die Politik Entscheidendes bewirken - durch öffentliche Investitionen in Bildung und Forschung, durch Verbesserung der Rahmenbedingungen für private Investoren und für private F&E, durch gezielte Bemühungen um die Ansiedlung forschungsintensiver Industrien und von Forschungsstätten der Großunternehmen sowie durch die Förderung des innovativen Mittelstandes.

    Ihre Ansprechpartner dazu:
    Dr. Bernhard Lageman Tel.: (0201) 8149-270
    Sabine Weiler (Pressestelle) Tel.: (0201) 81 49-213


    Weitere Informationen:

    http://www.rwi-essen.de/presse - Pressemitteilung mit Sprechzettel des Ministers Prof. Dr. Andreas Pinkwart zur Vorstellung der Studie bei der Landespressekonferenz sowie Link zur Kurzfassung der Studie


    Bilder

    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Gesellschaft, Politik, Recht, Wirtschaft
    überregional
    Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     

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