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Wissenschaft
Auf den Blättern der Lotusblume haftet kein Schmutz - sie bleiben immer trocken und sauber. Ursache des Lotus-Effekts sind winzige Noppen. Dieses Vorbild der Natur nutzt die Wissenschaft für technische Anwendungen. Die CREAVIS GmbH, das Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE sowie weitere Partner entwickeln mikrostrukturierte Kunststoff-Folien, auf denen Schmutz nicht anhaftet - ein Wasserstrahl reicht aus, um alles abzuwaschen.
Im Buddhismus ist die Lotusblume das Symbol für den über die Sinneswelt erhabenen reinen Geist. Zudem ist sie Podest für die Götter, da sie trotz ihrer Herkunft aus schlammigem Gewässer eine unbefleckte weiße Blüte bewahrt. Unter dem Elektronenmikroskop fanden Forscher das Geheimnis der Lotusblume heraus: Ihre Blätter sind mit regelmäßigen Strukturen von nur wenigen tausendstel Millimetern Größe überzogen. An diesem mikroskopischen Nagelbrett bleibt kein Stäubchen, ja nicht einmal Klebstoff haften. Für diese Entdeckung erhielten die Bonner Botaniker Prof. Wilhelm Barthlott und Dr. Christoph Neinhuis den diesjährigen Philip-Morris-Forschungspreis. An der technischen Umsetzung des Prinzips arbeiten Forscher der CREAVIS Gesellschaft für Technologie und Innovation mbH in Marl, des Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesysteme ISE in Freiburg sowie weitere Partner. Sie entwickeln Kunststoffoberflächen, die sich schnell und allein mit Wasser reinigen lassen. Ob Verkehrsleitpfosten oder Solarmodul - ein Regenschauer genügt, um selbst hartnäckigen Schmutz wie Ruß rückstandsfrei zu entfernen.
Die Antischmutzwirkung beruht auf zwei Effekten: Den Mikrostrukturen und einer wasserabstoßenden - hydrophoben - Oberfläche. Die Mikrostruktur vermindert die Kontaktfläche des Schmutzes, ähnlich wie das Nagelbrett bei einem Fakir. Physikalische Ursache der wasserabstoßenden Wirkung ist die Art, wie die elektrischen Ladungen der Oberfläche mit der Ladungsverteilung der Wassermoleküle interagieren. Beides zusammen führt dazu, daß der Schmutz nur locker auf der Oberfläche aufliegt und von den schnell ablaufenden Tropfen mitgerissen wird. »An einem einfachen Beispiel läßt sich das schön erläutern«, berichtet Dr. Bernhard Schleich von der Firma CREAVIS, einer Tochter der Degussa-Hüls AG. »Gartenmöbel aus Kunststoff sind meist nur einen Sommer lang schön. Dann werden sie fleckig. Intensives Reinigen verkratzt sie höchstens und macht sie noch schneller unansehnlich. Anders bei der neuen Kunststoffoberfläche. Material und Mikrostruktur sorgen dafür, daß der Schmutz nur lose aufliegt. Regen- oder Waschwasser perlt ab wie von einer heißen Herdplatte und spült den Schmutz einfach weg.«
Die Schwierigkeit steckt in der technischen Umsetzung: Wie können große Oberflächen kostengünstig mit winzigen Strukturen versehen werden? Die Antwort von Dr. Andreas Gombert, Projektleiter am Fraunhofer ISE in Freiburg, heißt Mikroreplikation: »Wir stellen zunächst Masterstrukturen her - ein Original mit etwa 45 cm Durchmesser. Davon fertigen wir rund 20 Metallfolien, deren Struktur vom Original nicht zu unterscheiden ist - Replikationen«. Sie dienen als Prägestempel, von denen mehrere hunderttausend Kunststoffteile abgeformt werden können. So betragen die Strukturierungskosten pro Teil nur wenige Pfennige, obwohl die Herstellung der Master sehr aufwendig ist: »Wir erzeugen mit Laserlicht ein periodisches Lichtmuster. Damit belichten wir photoempfindlichen Lack auf einer Trägerplatte. Bei der Entwicklung des Lacks entsteht als Bild des Lichtmusters die entsprechende periodische Mikrostruktur«.
Selbstreinigende Oberflächen dienen jedoch nicht nur der Ästhetik. Bei Straßenschildern können sie die Orientierung erleichtern, bei Hausfassaden Bauschäden durch Feuchtigkeit und Algenbefall vermeiden. Die Reinigung von Verkehrsleitpfosten am Straßenrand durch den Straßendienst entfällt. »Mit konkreten Produkten wollen wir erste Anwendungen erschließen«, meint Dr. Bernhard Schleich von
CREAVIS, »aber in dieser Technologie stecken Einsatzmöglichkeiten, die wir uns heute noch gar nicht vorstellen können«. Die selbstreinigende Kunststoff-Folie wird in ein bis zwei Jahren marktreif sein, weitere Kunststoffprodukte werden folgen.
Beate Koch
Ansprechpartner:
Dr. Andreas Gombert
Telefon 07 61/4 01 66-83, Telefax 07 61/4 01 66-81
Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE
Oltmannsstraße 5, D-79100 Freiburg
email: andreas.gombert@ise.fhg.de
Dr. Bernhard Schleich
Telefon 0 23 65/49-94 83, Telefax 0 23 65/49-71 10
CREAVIS GmbH
Paul-Baumann-Straße 1, D-45764 Marl
email: bernhard.schleich@creavis.de
www.creavis.de
© Fraunhofer ISE. Oberfläche mit selbstreinigender Wirkung unter dem Rasterelektronenmikroskop.
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Merkmale dieser Pressemitteilung:
Werkstoffwissenschaften, Wirtschaft
überregional
Forschungsergebnisse
Deutsch
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