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Wissenschaft
Erhebliche gesundheitliche Folgeschäden durch den Krieg im Irak befürchtet
In der Zeit vom 19. bis 28. Februar 2006 werden 17 irakische Wissenschaftler und Mediziner in der Universitäts- und Hansestadt Greifswald an einer "Summer School" zum Thema "Krebsregister und Risikoeinschätzung in der Gesundheitsversorgung der Bevölkerung - Methoden, Realisierung und Analysen" teilnehmen. Bereits vor einem Jahr fand unter wissenschaftlicher Leitung des Instituts für Community Medicine in der jordanischen Hauptstadt Amman die erste Summer School mit 16 irakischen Ärzten statt.
Ziel der intensiven Schulung, an der sich auch Wissenschaftler der Universitäten Bremen und Lübeck sowie der Vereinigung "Internationale Ärzte zur Verhütung des Atomkrieges/Ärzte in Sozialer Verantwortung" (IPPNW) beteiligen, ist der Wiederaufbau ziviler Strukturen im Bereich der Gesundheitsversorgung und der medizinischen Forschung nach internationalen Standards. Zu der wissenschaftlichen Tagung werden auch die japanische Strahlenexpertin Dr. Katsumi Furitsu sowie der Dekan der Medizinischen Fakultät der Universität Basrah (Irak), Prof. Thamer Hamdan, erwartet.
Zur offiziellen Begrüßung der irakischen Gäste durch den Dekan der Medizinischen Fakultät, Prof. Heyo K. Kroemer, am Montag, dem 20. Februar 2006, um 10.00 Uhr, im Neubau des Klinikums (Sauerbruchstraße), Seminarraum der Neurologie, sind die Vertreter der Medien recht herzlich eingeladen.
Am Mittwoch, dem 22. Februar 2006, hält Prof. Thamer Hamdan um 18.00 Uhr im Alfried-Krupp-Kolleg einen öffentlichen Vortag in englischer Sprache zu "Veränderungen der Epidemiologie maligner (bösartiger) Knochentumore im südlichen Irak", zu dem interessierte Besucher herzlich willkommen sind (Martin-Luther-Straße 14).
"Nach fast 15 Jahren Krieg, Embargo und Isolation ist die Rückkehr von irakischen Ärzten in die internationale Wissenschaftsgemeinschaft ein entscheidender Schritt zur Demokratisierung und Öffnung des Landes", betonte der Wissenschaftliche Leiter der Summer School, Prof. Wolfgang Hoffmann (Foto). "Angesichts der derzeitigen Debatte um die Verletzung religiöser Tabus und neuer atomarer Gefahren kommt dem wissenschaftlichen Austausch eine besondere Bedeutung zu. Die Menschen im Irak werden noch Jahrzehnte an den gesundheitlichen Langzeitfolgen des Krieges leiden und brauchen dringend internationale Unterstützung. Unser Ansatz ist es, Hilfe zur Selbsthilfe zu leisten und den Aufbau eines zivilen Gesundheitssystems zu befördern. Mediziner und Umweltwissenschaftler sollen in die Lage versetzt werden, wieder Anschluss an den internationalen Stand in Therapie und Forschung zu gewinnen, damit sie den schwierigen Herausforderungen in ihrem Land begegnen können."
Im Mittelpunkt des neuntägigen Workshops stehen der Wissens- und Praxistransfer bei der Krebsregistrierung, die im Anschluss durch die Teilnehmer in der Region Basrah flächendeckend aufgebaut werden soll. Schon jetzt zeichnet sich durch erste Erhebungen ab, dass infolge der zwei Kriege eine Zunahme verschiedener Erkrankungen in der Bevölkerung zu erwarten ist. Das betrifft vor allem einen deutlichen Anstieg an Krebsfällen bei Kindern in der Region um Basrah. Die im Krieg eingesetzten Waffen, unter anderem uranhaltige Munition und Chemiewaffen, und freigesetzte Umweltgifte durch das In-Brand-Setzen von Ölquellen verursachten nachhaltige Umweltschäden.
Die Themenschwerpunkte der Summer School werden darüber hinaus in den Bereichen Expositionsermittlung (Belastungsmessungen) und Methoden der Umweltepidemiologie sowie in Maßnahmen zur Vermeidung weiterer möglicher gesundheitlicher Auswirkungen der Kriegs- und Umweltschäden liegen. In der Summer School werden gemeinsam mit den Dozenten epidemiologische Methoden eingeübt und Analysestrategien entwickelt, die für eine aussagekräftige Untersuchung der betroffenen Bevölkerung und Umwelt im Nachkriegs-Irak nötig sind. Die Epidemiologie befasst sich mit Krankheiten im Hinblick auf ihre Häufigkeit, ihre Verteilung in der Gesamtbevölkerung, ihre Zuordnung zu bestimmten Bevölkerungsgruppen, um daraus entsprechende Vorbeugungsmaßnahmen ableiten zu können. Ferner werden praxisrelevante Verfahren trainiert und künftige interdisziplinäre Forschungsziele definiert. Dabei sind die Greifswalder Erfahrungen des bislang einzigen Institutes für Community Medicine in Deutschland besonders gefragt.
Die Summer School wird vom Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD) finanziert, der vom Auswärtigen Amt Deutschlands im Rahmen des zivilen Wiederaufbaus beauftragt worden ist, im kriegszerstörten Irak Hochschul-Sonderprogramme für den wissenschaftlichen Austausch einzurichten. Unterstützt wird die Schulung erneut durch die Organisation "Internationale Ärzte zur Verhütung des Atomkrieges/Ärzte in sozialer Verantwortung" (IPPNW), deren Vorsitzende Dr. Angelika Claußen aus Bielefeld ebenfalls die irakischen Ärzte in Greifswald begrüßen wird.
"Die Förderung des wissenschaftlichen und interkulturellen Dialogs und Austauschs von Expertenwissen zwischen den Beteiligten soll auch dazu beitragen, Vertrauen und Zuversicht für eine friedliche demokratische Zukunft zu schaffen", hob Prof. Wolfgang Hoffmann hervor. Der Epidemiologe kündigte an, dass die Universität Greifswald die Kooperationsbeziehungen zum Irak gezielt ausbauen und intensivieren wird.
Referenten der Summer School vom 19. bis 28. Februar 2006
"Cancer registration and enviromental health risk assessment for the Population - methods, implementation an analysis", Institut für Community Medicine, Ellernholzstraße 1 - 2, Greifswald
Referenten Universität Greifswald
Prof. Dr. Wolfgang Hoffmann, Institut für Community Medicine
Prof. Dr. Gottfried Dölken, Klinik für Innere Medizin C, Hämatologie u. Onkologie/Transplantationszentrum
Dr. Claudia Terschüren, Institut für Community Medicine
Dipl.-Chem. Ilka Röser, Tumorzentrum Vorpommern e. V.
Dipl.-Biomath. Stefan Weiß, Institut für Community Medicine
Externe Referenten
Prof. Dr. med. Eberhard Greiser, Zentrum für Public Health, Universität Bremen
PD Dr. Alexander Katalinic, Institut für Krebsepidemiologie e.V. an der Universität Lübeck
Miriam Holzmann, Institut für Krebsepidemiologie e. V. an der Universität Lübeck
Dr. med. Angelika Claußen, Internationale Ärzte zur Verhütung des Atomkrieges/Ärzte in sozialer Verantwortung (IPPNW), Berlin
Hintergrund: Institut für Community Medicine Greifswald
Community Medicine (CM) ist eine bevölkerungsbezogene medizinische Wissenschaft mit starkem Praxisbezug. Im Zentrum steht die Analyse, Intervention und Evaluation auf der regionalen Bevölkerungsebene. Basiswissenschaften der CM sind Human- und Zahnmedizin, Epidemiologie und Biometrie, Sozialmedizin, Demographie, Gesundheitspsychologie und Medizinische Informatik. Forschungsschwerpunkte der CM liegen in der analytischen Epidemiologie und Risikofaktorenforschung, Versorgungsforschung, Gesundheitssystemforschung und Transferforschung. Als Ergebnis bevölkerungsbezogener Forschung und Lehre in der Region sollen neuartige Modelle im Bereich der rationalen Gesundheitsförderung, der ambulanten und stationären Versorgung sowie der Rehabilitation und Pflege entwickelt und in die Praxis umgesetzt werden. Ziele der CM sind die Verbesserung der Lebensqualität der Bevölkerung und die langfristige Sicherung der medizinischen Versorgung.
Institut für Community Medicine
Abt. Versorgungsepidemiologie und Community Health
Leiter: Prof. Dr. med. Wolfgang Hoffmann, MPH
Ellernholzstraße 1 - 2, 17487 Greifswald
T +49 3834 86-77 50
F +49 3834 86-77 52
M +49 173-60 333 44
E wolfgang.hoffmann@uni-greifswald.de
http://www.medizin.uni-greifswald.de/cm/
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Biologie, Ernährung / Gesundheit / Pflege, Gesellschaft, Medizin, Meer / Klima, Umwelt / Ökologie
überregional
Buntes aus der Wissenschaft, Wissenschaftliche Tagungen
Deutsch
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