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Wissenschaft
Die "Zeitpunkt-Hypothese": Risiko oder Nutzen einer Hormonersatztherapie
in den Wechseljahren hängt vom Alter der Frau ab
Stuttgart - Wie stark eine Frau von einer Hormonersatztherapie (HRT) nach den Wechseljahren profitiert oder ob sie sich dadurch zusätzlichen gesundheitlichen Risiken aussetzt, hängt vermutlich vom Zeitpunkt ab, zu dem sie damit beginnt. Dies berichtete Dr. Ioanna Gouni-Berthold kürzlich auf dem 50. Symposion der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie (DGE) in Essen. Studienergebnisse weisen darauf hin, dass eine HRT vor Gefäßerkrankungen schützen könnte, wenn Frauen die Hormontherapie frühzeitig beginnen.
Selten verhalten sich Nutzen und Risiken medizinischer Verfahren so widersprüchlich wie die der Hormonersatztherapie: Ursprünglich sollte die Hormonbehandlung vor allem die Symptome der Menopause wie Hitzewallungen, Schlafstörungen, Schwindel oder Herzjagen lindern. Zugleich machten Fachleute darin eine schützende Wirkung etwa vor Herzkreislauferkrankungen und Knochenschwund aus. "Zahlreiche Beobachtungsstudien hatten gezeigt, dass die HRT mit einer Verringerung des Herzinfarktrisikos einher geht", erklärt Professor Dr. med. Harald Klein, Mediensprecher der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie. "Dann trat jedoch eine unerwartete Wendung ein."
Im Jahr 2002 veröffentlichte das Nationale Gesundheitsinstitut der USA die Ergebnisse der Women's Health Initiative (WHI) - einer auf 15 Jahre angelegten Studie, an der sich 161.000 Frauen beteiligten: Dabei zeigte sich, dass Patientinnen, die in den Wechseljahren kombiniert mit den Hormonen Östrogen und Progesteron behandelt wurden, einem um 24 Prozent erhöhten Infarktrisiko unterlagen. Mit zunehmenden Jahren nach der Menopause stieg dieses Risiko. Jüngere Teilnehmerinnen zwischen 50 und 59 Jahren unter Östrogentherapie erlitten dagegen seltener einen Herzinfarkt.
Endokrinologin Dr. Ioanna Gouni-Berthold von der Medizinischen Klinik II und Poliklinik für Innere Medizin der Universität Köln interpretiert die Erkenntnisse so: "Das Alter mit dem Frauen eine HRT beginnen, entscheidet möglicherweise darüber, ob deren Effekte schützend oder schädlich sind." Hinweise aus Studien an Affen und andere Tiermodelle unterstützen diese "Zeitpunkt- Hypothese": Eine HRT beugt nur dann Atherosklerose vor, wenn Frauen rechtzeitig damit anfangen. "Eine frühe HRT beeinflusst die Biologie der Gefäßwände anders als eine späte", so Dr. Gouni-Berthold. Sie kann verhindern, dass die Wandzellen der Blutgefäße Schaden nehmen und atherosklerotische Schäden sogar beheben. Sind die Gefäße jedoch bereits verletzt - wie es bei Frauen jenseits der Mittfünfziger der Fall sein kann - reagieren sie anders auf eine HRT: Die Therapie löst dann entzündliche Prozesse an den Gefäßwänden aus und beeinflusst die Stabilität der atherosklerotischen Beläge, der so genannten Plaques.
"Die meisten Frauen in Beobachtungsstudien haben die HRT während der Phase um die Menopause begonnen, wohingegen die WHI-Studie zu wenig jüngere Frauen beinhaltete, um zu untersuchen, ob ein Beginn der HRT während des Übergangs der Wechseljahre Schutz vor Herzinfarkten erwirken kann", erläutert Dr. Gouni-Berthold. Inzwischen sind zwei klinische Studien auf dem Weg, um die Zeitpunkt-Hypothese zu prüfen: die "Kronos Early Estrogen Prevention Study" (KEEPS) und der "Early versus Late Intervention Trial with Estradiol" (ELITE). Expertin Dr. Ioanna Gouni-Berthold betont: "Wie attraktiv die Zeitpunkt-Hypothese auch sein mag, sie bleibt vorerst nur eine Hypothese, bis klinische Evidenz ihre Gültigkeit beweisen kann."
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Merkmale dieser Pressemitteilung:
Biologie, Ernährung / Gesundheit / Pflege, Gesellschaft, Informationstechnik, Medizin
überregional
Forschungs- / Wissenstransfer, Forschungsergebnisse
Deutsch
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