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08.11.1999 17:27

Hirnschrittmacher für Patienten mit medikamentös nicht kontrollierbaren Bewegungsstörungen

Dr. Ellen Katz Kommunikation und Medien
Universitätsklinikum Tübingen

    In der Neurochirurgie des Universitätsklinikums Tübingen kommt seit diesem Sommer ein neues Verfahren zur Behandlung von Patienten mit Bewegungs-störungen zum Einsatz. Tübingen gehört damit in der BRD zu den ersten Zen-tren, die das in Grenoble und Toronto entwickelte verfeinerte Stimulationsver-fahren anwenden: Drei Patienten konnten bisher erfolgreich operiert werden.

    Krankheitsbilder
    Patienten, die an medikamentös nicht kontrollierbaren Bewegungsstörungen erkrankt sind, leiden unter unwillkürlichen Bewegungen, vorwiegend der Arme (Tremor, Schüttellähmung). Anziehen, Essen und Schreiben und andere tägli-che Verrichtungen werden unmöglich. Die Kontrolle der Bewegungen z. B. beim Gehen kann eingeschränkt sein, die Feinmotorik ist stark gestört. Der Leidensdruck für diese Patienten, die selbst bei den einfachsten Tätigkeiten immens behindert sind, ist sehr hoch.
    Ursache dieser Bewegungsstörungen ist häufig die ParkinsonŽsche Erkrankung oder erblich erworbene Bewegungsstörungen (z. B. essentieller Tremor, Dysto-nien).

    Bisherige Behandlungsmöglichkeiten
    Bis in die 70er Jahre hinein wurden die für den unkontrollierbaren Tremor ver-antwortlichen Gehirnteile verkocht, d. h. durch Hitze zerstört. Dabei konnten auch angrenzende Hirnteile in Mitleidenschaft gezogen werden. Diese stereo-taktische Methode ist durch damals neu entwickelte Medikamente verdrängt worden und wurde bis Anfang 1990 nur noch selten eingesetzt. In der Zwi-schenzeit reagieren jedoch immer mehr Patienten nicht mehr auf diese Medi-kamente.

    Durch eine in Grenoble und in verschiedenen Zentren in den USA und Kanada 1992 entwickelte Operationsvariante gelang es, bestimmte Nervenkerne in den Schaltzentralen des Gehirns (Stammganglien) mit einer Sonde so zu stimulie-ren, dass die Bewegungsstörungen (z. B. Tremor) verschwanden. Hauptpro-blem war das punktgenaue Plazieren der Sonde. Die Sonde wurde in örtlicher Betäubung in den vorausberechneten Arealen plaziert.

    Die neue Methode
    Bei der in Tübingen übernommenen Variante des neuen Operationsverfahrens wird ebenfalls eine Sonde in die Stammganglien platziert. Allerdings kann mit dieser Methode weitaus besser "gezielt" werden und, was das Wichtigste daran ist: Der Patient ist während der Platzierung der Sonde wach, so dass die Neuro-chirurgen und Neurologen während der Operation anhand der Abnahme der Bewegungsstörungen sofort erkennen können, ob die Sonde optimal liegt. Ein Software-Programm errechnet dazu vorab aus den individuellen Patientendaten von Kernspin (exakte Anatomie) und Computertomographie (exakte Geome-trie) die optimale Plazierung und gleicht diese parallel mit einem stereotakti-schen Hirnatlas ab. Die Universität Tübingen ist derzeit die einzige Universität, die dieses Software-Programm in Deutschland zur Verfügung hat. Eine schmerzhafte Hirnkammerfüllung mit Luft oder Jodlösung ist wegen der au-sserordentlich komplexen Computeranalyse und -planung nicht mehr erforder-lich. Die schmerzfreie Operation dauert mehrere Stunden und verlangt die auf-merksame Mitarbeit des Patienten. Nach einer extracorporalen Testphase von einigen Tagen wird der Schrittmacher unter die Haut verlegt. Dazu wird die Verkabelung bis zum Schlüsselbein geführt. Dort findet auch der ca. taschen-uhrgrosse Schrittmacher seinen Platz. Mit der Neurostimulation sind die Pati-enten zu 80 bis 90 % beschwerdefrei. Der Hirnschrittmacher kann von aussen durch die Haut ein- und ausgeschaltet werden. Die Stimulationsparameter kön-nen den individuellen Bedürfnissen angepasst werden.

    Langzeitbeobachtungen aus Grenoble und Toronto zeigen, dass die ersten Ge-räte, die seit sechs bis acht Jahren in Betrieb sind, noch immer zuverlässig das Zittern verhindern. Es besteht aus dortigen Erfahrungen die Hoffnung, dass auch die anderen Symptome des Morbus Parkinson durch die Stimulationsme-thode günstig beinflusst werden können. Diese guten Erfahrungen anderer Zentren und vorliegende Ergebnisse aus Tübingen mit dieser eleganten und in-novativen Methode sollten nach Aussage von Professor Grote, Ärztlicher Di-rektor der Abteilung für Neurochirurgie der Universität Tübingen, "unterstützt und nicht in den Strudel der Diskussion um Kostendämpfung und Einsparung im Gesundheitssystem gezogen werden".

    Ansprechpartner für nähere Informationen:

    Universitätsklinikum Tübingen
    Abteilung für Neurochirurgie
    Prof. Dr. med. Dr. h. c. Ernst H. Grote und PD Dr. med. Frank Duffner
    Tel. 0 70 71 / 29-8 66 17, Fax 0 70 71 / 29-52 45
    email: ernst-h.grote@uni-tuebingen.de


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Ernährung / Gesundheit / Pflege, Medizin
    überregional
    Forschungsergebnisse
    Deutsch


     

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