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Wissenschaft
Anläßlich des 100. Todestages des Sprachwissenschaftlers und Philosophen Chajm Heymann Steinthal (Gröbzig 1822 - Berlin 1899) findet vom 1. bis 4. Dezember 1999 eine interdisziplinäre Tagung unter der Überschrift "Das Ich und das Selbst, das Wir. Die Verantwortlichkeit und die Zurechnung. Chajm Heymann Steinthal - Wirken und Rezeption" auf Schloß Wendgräben bei Zerbst (Sachsen-Anhalt) statt, die in enger Zusammenarbeit des Museums Synagoge Gröbzig mit dem Leopold-Zunz-Zentrum zur Erforschung des europäischen Judentums an der Stiftung LEUCOREA in Wittenberg und dem Bildungszentrum Schloß Wendgräben der Konrad-Adenauer-Stiftung ausgerichtet wird. Im Mittelpunkt der Konferenz stehen Leben und Werk des bedeutenden jüdischen Gelehrten, der als einer der Pioniere und Wegbereiter der modernen Sprachwissenschaft gilt.
Das Anliegen der Tagung (Eröffnung am 2. Dezember, 9:30 Uhr) besteht darin, aus gegenwärtiger Sicht sein Wirken in den durch ihn vertretenen Fachdisziplinen zu würdigen, in den Kontext seiner Zeit zu stellen und das geistige Umfeld Steinthals zu beleuchten. Bezüglich seines Beitrages zur wissenschaftlichen Diskussion der Zeit soll die Tagung, zu der ca. 50 Teilnehmer aus Deutschland, Rumänien Kanada und den USA erwartet werden, auch geistesgeschichtliche Zusammenhänge des 19. Jahrhunderts im christlich-jüdischen Dialog widerspiegeln.
Die jüdische Synagoge Gröbzig forscht seit geraumer Zeit zu Steinthal und sieht es als ihre hauptsächlichste Aufgabe an, sein Leben und Werk in anschaulicher Weise nahezubringen und der Nachwelt zu erhalten.
Geschichte
Steinthal, der in Berlin und Paris studierte und in der französischen Metropole mehrere Jahre sich der chinesischen Sprache und Literatur widmete, gehörte einer Wissenschaftlergeneration an, die noch vom Weltbild des deutschen Idealismus, der Spätromantik und der Aufklärung geprägt war. In Berlin habilitierte er sich im Jahre 1850, erhielt einen Lehrauftrag für Sprachwissenschaft und Mythologie und wurde fünf Jahre später Professor für Allgemeine Sprachwissenschaft.
Von 1872, bis kurz vor seinem Tod im Jahre 1899, hatte er den Lehrstuhl für Bibelkritik und Religionsphilosophie an der Hochschule für die Wissenschaft des Judentums in Berlin inne. Gemeinsam mit seinem Schwager und Weggefährten Moritz Lazarus gab er die Zeitschrift für Völkerpsychologie heraus und kann als Mitbegründer dieser Disziplin angesehen werden.
Als exzellenter Kenner der sprachwissenschaftlichen Schriften Wilhelm von Humboldts verfaßte er 1848 "Die Sprachwissenschaft Wilhelm von Humboldts und die Hegelsche Philosophie" sowie 1867 "Die Gedächtnisrede auf Wilhelm von Humboldt anläßlich seines hundertsten Geburtstages".
Chajm Steinthals Wirken als Philosoph kennzeichnete sich auch darin, daß er zu keiner Zeit die Verbindung zur jüdischen Religion und zur religiösen Ideenwelt des Judentums verloren hat. Seine historische Bedeutung ist unangefochten, auch wenn seine Theorien für die Sprachwissenschaft heute letztendlich von geringer Bedeutung sind.
Zum 50. Todestag Steinthals, im Jahre 1949, ist in einem Artikel der Zeitschrift für Fragen des Judentums "Der Weg", die in Berlin von 1946-1953 erschien, unter anderem nachzulesen: "Er ist als Sprachforscher einer der ersten in Deutschland gewesen. Mit seiner Klarheit ging er dem Urgeheimnis der Sprache nach. Aus seinen sprachwissenschaftlichen und philosophischen Forschungen heraus, die seinen freien Sinn als unbefangenen Denker zeigen, hat er den psychischen Charakter der menschlichen Gesellschaft, trotz aller Verschiedenheit der Völkerfamilie, zu erklären verstanden".
Ansprechpartner:
Dr. Marion Mendez
Museum Synagoge Gröbzig
Tel.: (34976) 222 09
Annette Winkelmann
Leopold-Zunz-Zentrum
Tel: (0345) 55 240 64
Fax: (0345) 55 272 00
e-mail: winkelmann@orientphil.uni-halle.de
http://www.verwaltung.uni-halle.de/tagungen/tag99.htm#Chaim
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Geschichte / Archäologie, Gesellschaft, Philosophie / Ethik, Religion
regional
Buntes aus der Wissenschaft, Personalia, Wissenschaftliche Tagungen
Deutsch
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