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29.11.1999 12:01

Wie Asthmamittel verpulvert werden

Michael Seifert Hochschulkommunikation
Eberhard Karls Universität Tübingen

    Pharmazie

    Der Einsatz von Fluorchlorkohlenwasserstoffen (FCKW) wurde 1991 in Deutschland verboten, nur bei Asthmasprays werden sie mit Ausnahmegenehmigung weiterhin als Treibmittel verwendet. Doch sind die Anstrengungen in der pharmazeutischen Forschung und Industrie bis heute groß, die FCKWs auch in der Asthmatherapie zu vermeiden. Peter Christian Schmidt, Professor für Pharmazeutische Technologie, forscht an einem der neuen Ansätze.


    Wie Asthmamittel verpulvert werden

    Tübinger Pharmazeut arbeitet an einer neuen Form von inhalierbaren Pulvern

    Asthma ist in den Industrieländern zur Volkskrankheit geworden, die Tendenz der Neuerkrankungen weiter steigend. Die schwere, anfallsweise Atemnot kann mit einer Reihe von Wirkstoffen behandelt werden. Problematisch ist jedoch, daß ein Teil der Mittel auf dem Markt als Trägergase noch Fluorchlorkohlenwasserstoffe (FCKWs) enthalten. Generell ist die Verwendung von klimaschädigenden FCKWs in Deutschland seit 1991 verboten, für Asthmamittel bestehen derzeit Ausnahmegenehmigungen. Auf die Dauer sollen die Stoffe jedoch ersetzt werden. Der Tübinger Pharmazeutische Technologe Prof. Peter Christian Schmidt entwickelt daher in Zusammenarbeit mit der Firma Schwabe in Karlsruhe eine neue Darreichungsform für Asthmamittel.

    Der Wirkstoff gegen Asthma ist dabei zusammen mit Hilfsstoffen in einer ringförmigen Tablette enthalten. Die Tablette wird in ein Gerät eingelegt, das bei jeder Anwendung auf Knopfdruck drehende Messer in Bewegung setzt, die eine Dosis des Asthmamittels abschaben. Der Asthmakranke atmet das freigesetzte Pulver ein. Wichtig ist jedoch, daß jedesmal exakt die gleiche Dosis von etwas mehr als einem Milligramm in die Lunge der Patienten gelangt. Von dem Gerät gibt es bereits einen Prototyp, dessen Mechanismus sehr genau arbeitet. "Wir forschen nun daran, die Tablette zu optimieren", sagt Schmidt. Das Problem besteht darin, daß beim Verpressen des Pulvers zwischen zwei Stempeln eine vollkommen homogene, also eine in ihrer Porosität gleichmäßige Tablette hergestellt werden muß. Dies kann durch geschickte Hilfsstoffauswahl und einen exakt eingestellten Preßdruck erreicht werden. Zwar gibt es bereits Verfahren, mit denen sich eine gleichmäßige Tablette herstellen ließe, doch ist dies kompliziert und finanziell zu aufwendig. Die Pharmazeutischen Technologen müssen daher den billigeren Herstellungsprozeß optimieren.

    Inhalierbare Pulver werden auch bisher schon als Asthmamedizin angewendet. Nach Angaben von Schmidt sind rund 40 verschiedene Geräte auf dem Markt. Dabei wird entweder, bei den Einzeldosenbehältern, die Dosis für eine Anwendung in einer Kapsel eingeschlossen oder bei den Mehrdosenbehältern die benötigte Pulvermenge aus einem größeren Vorrat mechanisch abgeteilt. Größter Nachteil dieser losen Pulver ist die Gefahr, daß die Mittel verkleben und die großen Partikel beim Einatmen nicht bis in die Lunge gelangen. Eine kompakte Tablette, von der das Pulver jeweils frisch abgeteilt wird, zieht dagegen kaum Feuchtigkeit an. Außerdem muß bei der Neuentwicklung unter Tübinger Mitarbeit das Gerät nicht im Ganzen entsorgt werden, wenn das Asthmamittel für 300 Anwendungen aufgebraucht ist. Bei dauerhaftem Einsatz ist das ursprünglich teure Gerät daher rentabler als die Geräte mit losem Pulver, die zum Teil schon nach 60 Anwendungen ausgedient haben.

    Die neue Darreichungsform für Asthmamittel befindet sich bereits in der Endphase des Zulassungsverfahrens. Entscheidend für den wirtschaftlichen Erfolg wird jedoch sein, so Schmidt, ob auch die Krankenkassen bereit sind, das neue Gerät zu erstatten. Sollte sich die Neuentwicklung bewähren, ließe sich auch an den Einsatz bei anderen Medikamenten denken, etwa Insulin für Diabetiker. "Das ist jedoch noch Zukunftsmusik", betont Schmidt. (3238 Zeichen)

    Inhalierbare Pulver gegen Atemnot

    In der pharmazeutischen Technologie werden neue Arzneimittelformen erforscht

    Wenn asthmageplagten Menschen bei einem Anfall die Luft wegbleibt, ist schnelle Hilfe lebenswichtig. In der Asthmatherapie haben sich eine Reihe von Wirkstoffen lange bewährt. Sie wurden jedoch bisher häufig als Spray mit Hilfe von Trägergasen, die Fluorchlorkohlenwasserstoffe (FCKWs) enthalten, eingenommen. Seit 1991 sind die klimaschädigenden Stoffe in Deutschland verboten. Für Asthmamedikamente bestehen bisher noch Ausnahmegenehmigungen, doch arbeiten viele Forscher wie auch der Tübinger Pharmazeutische Technologe Prof. Peter Christian Schmidt in Zusammenarbeit mit einer Firma an neuen Formen der Verabreichung.

    In den Industrieländern gehört Asthma zu den Volkskrankheiten. Während die anfallsweise auftretende schwere Atemnot bei Kindern und Jugendlichen häufig von allein wieder aufhört, verläuft die Krankheit bei Erwachsenen meistens chronisch. Bei einem Asthmaanfall verengen sich die Bronchien, so daß die Patienten kaum mehr Luft bekommen. Auslöser von Asthmaanfällen sind häufig Allergene wie Pollen oder Hausstaubmilben, Tierhaare oder Bettfedern, aber auch Infektionen. Außerdem tritt Asthma in Verbindung mit manchen Herzkrankheiten auf. "Um einen akuten Anfall zu stoppen, müssen die Asthmamedikamente direkt in die Lunge eingeatmet werden", sagt Schmidt. Dabei ist die Größe der Teilchen entscheidend. Sind sie zu groß, bleiben sie bereits im Bereich von Nase, Mund oder Rachen liegen. Sehr kleine Teilchen, die unter einem tausendstel Millimeter im Durchmesser liegen, sind ebenfalls wirkungslos, weil sie sofort wieder ausgeatmet werden. Am günstigsten ist ein Teilchendurchmesser von zwei bis dreitausendstel Millimetern. Die Medikamente gelangen dann an den eigentlichen Zielort, die feinen Bläschen in der Lunge. Das Medikament läßt sich auch als Pulver verabreichen. Eine große Staubwolke, die den Anwender zusätzlich zum Husten bringen könnte, entsteht dabei nicht. Denn es sind nur geringe Mengen von einem bis zwei Milligramm notwendig. Bei den Asthmasprays mit FCKW-haltigen Trägergasen, die seit den 50er Jahren im Einsatz sind, verdampft das Trägermittel bei der Anwendung sofort, so daß ebenfalls ein Pulver übrig bleibt.

    Für die FCKW-haltigen Trägergase ließ sich Ersatz finden. Mit zwei neuen Treibmitteln wurde in der pharmazeutischen Industrie versucht, die Asthmamittel wieder genauso sicher zu dosieren. Doch obwohl die Wirkstoffe gegen die anfallsweise Atemnot die gleichen geblieben sind, ist dies lange nicht so einfach wie es sich anhört. "Die Lösungseigenschaften der neuen Treibmittel waren völlig anders, auch die Schmierfähigkeit für die bei den Aerosoldosen notwendigen Ventile. Das mußte alles neu aufeinander abgestimmt und entwickelt werden", erläutert Schmidt den schwierigen Prozeß. Für die Asthmapatienten ist es aber lebenswichtig, daß alles reibungslos funktioniert. "Der finanzielle Aufwand bei der Umstellung war sehr hoch und aus patentrechtlichen Gründen war dieser Weg auch nicht für alle Pharmafirmen interessant", erklärt der Pharmazeut.

    Die Überlegungen gingen daher in eine neue Richtung: Das Treibmittel sollte ganz eingespart werden und die Patienten sollten das Pulver mit den Wirkstoffen direkt einnehmen. "Etwa 40 verschiedene Geräte mit unterschiedlichen Mechanismen kamen auf den Markt", sagt Schmidt. Darunter waren viele Geräte mit sogenannten Eindosen-Behältern, zumeist kapselförmige Verpackungen, in denen jeweils das pulverförmige Asthmamedikament für eine Anwendung steckte. Viele der Geräte funktionieren so, daß auf Knopf- oder Hebeldruck die Verpackungskapsel durchstoßen wird und der Anwender das Pulver mit dem Atemstrom in die Lunge gelangen läßt. Bei den Mehrdosen-Behältern reicht die Pulvermenge für mehrere Anwendungen. Sie wird zum Beispiel durch Drehen des Gerätes abgeteilt. "Manche Mechanismen sind so kompliziert, daß die Handhabung den Patienten gerade während eines Asthmaanfalles schwer fallen dürfte", meint Schmidt.

    Das größte Problem bei diesen Geräten ist jedoch, daß die Pulverteilchen des Asthmamittels durch Aufnahme von Feuchtigkeit aus der Luft zum Verkleben neigen. Die Firma, mit der Schmidt zusammenarbeitet, will daher das Asthmamedikament nicht als loses Pulver verwenden, sondern in Form einer Tablette. Bei einem Asthmaanfall wird dann die notwendige Dosis frisch gepulvert. "Die Tablette ist kompakt und zieht kaum Wasser an, sie verklebt nicht", erklärt Schmidt. Ein mechanisches Gerät für die neue Darreichungsform ist bereits als Prototyp entwickelt: Auf Knopfdruck schaben scharfe Messer in einer Drehung eine einzelne Dosis Asthmamittel von der Tablette ab. Gleichzeitig mit dem Auslösen des Abschabeemechanismus sollte der Asthmapatient das Pulver einatmen. "Die Tablette in dem Prototyp des Geräts ist so groß, daß sie für 300 Dosen reicht", sagt Schmidt. Die Tablette muß ringförmig sein, damit das Pulver durch die Atemluft zentral eingeatmet werden kann. Doch kann die Tablette durch die Herstellung beim Preßvorgang an verschiedenen Stellen eine unterschiedliche Dichte aufweisen. "Das liegt daran, daß der Druck direkt an den Stempeln der Tablettenpresse größer ist als in der Mitte der Tablette", so Schmidt. Schmidt erforscht nun mit seiner Arbeitsgruppe, wie sich eine völlig gleichmäßig gepreßte Tablette herstellen läßt.

    Mit einer isostatischen Pressung in Flüssigkeit gibt es zwar bereits ein Verfahren, mit dem sich gleichmäßig dichte Tabletten herstellen lassen. Dabei wird eine lange Tablette hergestellt, die dann - ähnlich wie eine Wurst - in Scheiben geschnitten werden kann. Doch ist dieses Verfahren technisch und finanziell sehr aufwendig. "Wir haben versucht, bei der Verpressung der Tabletten auf einer normalen Tablettenpresse die Dichteunterschiede zu minimieren. Wenn Randbedingungen wie etwa der Preßdruck variiert werden, können bessere Ergebnisse erzielt werden", erklärt der Pharmazeut. Die neue Darreichungsform befindet sich bereits in der Endphase der Zulassung. Das Gerät mit dem Schneidemechanismus ist teuer, doch soll, wenn eine Tablette verbraucht ist, nur das Kopfteil mit der Tablette gewechselt werden. "Auf die Dauer ist unsere Neuentwicklung preiswert, denn momentan favorisiert die Industrie Geräte mit 60 Dosen, die in kleinen Näpfen an einem langen Band enthalten sind. Die Herstellung dieser Patronen ist sehr teuer und das Gerät wird im Ganzen weggeworfen, wenn sie verbraucht sind", vergleicht Schmidt. Abzuwarten bleibt jedoch, ob das neue Gerät in die Erstattung der Krankenkassen aufgenommen wird, sonst ist es wirtschaftlich uninteressant. Schmidt rechnet damit, daß die Technik für die neue Darreichungsform von inhalierbarem Pulver in etwa einem Jahr abgeschlossen sein wird. Man könne dann darüber nachdenken, auch andere Medikamente wie etwa Insulin auf diesem Weg anzuwenden. "Das ist aber noch Zukunftsmusik", betont der Forscher.
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    Nähere Informationen:

    Prof. Peter Christian Schmidt
    Pharmazeutisches Institut
    Pharmazeutische Technologie
    Auf der Morgenstelle 8
    72076 Tübingen
    Tel. 0 70 71/2 97 24 62
    Fax 0 70 71/29 55 31


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Biologie, Chemie, Ernährung / Gesundheit / Pflege, Medizin
    überregional
    Forschungsprojekte
    Deutsch


     

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