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07.12.1999 15:02

Weizmann-Forschern gelingt gravierender Durchbruch im Wettlauf der Strukturanalyse von Ribosomen

Debbie Weiss Publications and Media Relations Department
Weizmann Institut

    Die Studie, die durch eine neuartige Versuchsstrategie ermoeglicht wurde, wird die Bemuehungen zur Entzifferung der Struktur und Funktion des Ribosoms - der Eiweissfabrik der Zelle - einen gewaltigen Schritt voranbringen

    Einem Team vom Wissenschaftlern des Weizmann Instituts und der Max-Planck-Gesellschaft gelang die Bestimmung der Struktur der kleinen ribosomalen Untereinheit in einer bisher unerreichten Aufloesung, einschliesslich der Stelle, an der die Proteinbiosynthese beginnt.

    Ribosomen, jene in allen Zellen vorkommenden, fuer die Eiweissproduktion zustaendigen Organellen, sind fuer das Leben von essentieller Bedeutung. Wie eine Fabrik empfangen sie genetisch kodierte Produktionsplaene aus dem Zellkern, nach denen sie am laufenden Band Proteine fertigen - die wichtigsten Komponenten des Koerpers und die Grundlage saemtlicher enzymatischer Reaktionen. Das Verstaendnis der Proteinbiosynthese gilt daher als Tor zur Entschluesselung des Lebens an sich - aber auch seiner dunklen Seite, als Voraussetzung zum Verstaendnis der Entstehung von Krankheiten, wenn die Produktion gestoert ist.

    Dies erklaert, warum Ribosomen im Mittelpunkt zahlreicher biochemischer, biophysikalischer und genetischer Forschungsbestrebungen stehen. Dennoch haben sich diese zentralen biologischen Produktionseinheiten ueber vier Jahrzehnte Forschung hinweg einer wissenschaftlichen Analyse ihrer Funktionsweise erfolgreich widersetzt.

    Zur Untersuchung mikroskopisch kleiner Strukturen setzt man in der Wissenschaft haeufig die Roentgenkristallografie ein, bei der Kristalle des untersuchten Materials hochintensiven Roentgenstrahlen ausgesetzt werden. Das Ribosom jedoch ist ein hoechst instabiler, riesiger Proteinkomplex, der fuer die Kristallografie eine wissenschaftliche Herausforderung erster Ordnung darstellt. Was die Sache noch komplizierter macht, ist das Fehlen innerer Symmetrie und Wiederholungen, die das Verstaendnis vom Aufbau anderer biologischer Bestandteile wie zum Beispiel Viren erleichtern.

    Dennoch ist es Professor Ada Yonath von der Abteilung Strukturelle Biologie des Weizmann Instituts und den Forschungseinheiten fuer Ribosomenstruktur der Max-Planck-Institute in Hamburg und Berlin mit Hilfe von neuartigen kristallografischen Techniken nun gelungen, diese Barriere zu ueberwinden. In ihrer Studie, die in der Dezember Ausgabe der Zeitschrift Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS) erscheint, wird die Elektronendichte der kleinen ribosomalen Untereinheit des Bakteriums Thermus thermophilus bildlich dargestellt.

    Die Einzigartigkeit des Forschungsansatzes von Prof. Yonath besteht in der Art der Phasierung - durch die Verwendung von Schweren Atomen als Markierungen, die aufgrund ihrer hohen Elektronendichte wie Faehnchen aus der ribosomalen Elektronendichtekarte herausstehen. Diese Markierungen erhoehen die Moeglichkeit zur genauen Lagebestimmung bestimmter Funktionseinheiten innerhalb des Ribosoms erheblich. Das entstehende Bild, das aus der zweifachen Menge an Diffraktionsdaten gewonnen wurde, als herkoemmlich der Fall, ermoeglicht einen weitreichenden Einblick in die mikroskopische Welt des Ribosoms, indem sie besonders hervorstechende, bisher unbeobachtete Eigenschaften deutlich macht.

    Sesam oeffne dich fuer das Ribosom

    Ribosomen bestehen aus zwei unabhaengigen Untereinheiten von ungleicher Groesse. Die kleinere der beiden, die sogenannte 30S-Untereinheit, lag im Zentrum der Untersuchungen von Prof. Yonath. Insbesondere wollte sie 'Schnappschuesse' von der 30S-Untereinheit in ihrer aktiven Form gewinnen - genau von dem Moment, in dem die Proteinbiosynthese beginnt. Zu diesem Zweck musste das Team zunaechst die Ribosomenpartikel innerhalb der Kristallgitter aktivieren und eine Proteinbiosynthese ausloesen. Fuer diese beiden Aufgaben war ausgedehnte, kreative Forschungsarbeit notwendig.

    Kristallgitter schraenken die Molekuele in ihrer Bewegungsfaehigkeit ein und behindern dadurch Konformationsveraenderungen. Da kontrollierte Erwaermung bisher nachweislich die Aktivierung von Ribosomen foerderte, beschloss Yonath, das Risiko einzugehen und die Kristalle zu erhitzen, obwohl dadurch ihr Zerfall ausgeloest werden koennte. Als naechsten Schritt schleuste das Team ein Analogmedium von Boten-RNA ein, ein molekularer Vermittler, der aus dem Zellkern kommt und die Proteinbiosynthese ausloest. 'Der Botenstoff muss sich an eine bestimmte Stelle binden, damit die Tuer zur Eiweissproduktion geoeffnet werden kann, die ansonsten fest verschlossen ist', erklaert Yonath. Sobald die Anbindung und die Aktivierung funktionierten, musste die 30S-Untereinheit im aktiven Zustand bildlich 'eingefangen' werden - ein Kunststueck, das durch ein Schockgefrieren der Kristalle auf Kryotemperatur (-185 Celsius) gelang.

    Die Erfolge von Yonath sind das Ergebnis von fast zwanzig Jahren konzentrierter Experimente in einem nahezu unbekanntem Territorium. Im Verlauf ihres Strebens war die Forscherin weltweit die erste, der die Herstellung von Ribosomenkristallen gelang, die bis zu einer solch hohen Auflsoeung diffraktieren - etwa 3 Angstroem (1A = 10-10 Meter).

    Ihre Suche nach stabilen Kristallen fuehrte sie ausserdem zu zwei neuen Ansaetzen: Der Verwendung von Ribosomen-Material aus widerstandsfaehigen Bakterienstaemmen, die aus dem Toten Meer gewonnen werden, und der Cryo-Kristallografie. Diese Methode, die sich in der strukturellen Biologie inzwischen als Standardverfahren etabliert hat, basiert auf Roentgenmessungen der Kristalle bei Cryo-Temperatur, um ihren Zerfall zu minimieren.

    Kuenftige Aussichten

    Die von der Gruppe von Prof. Yonath erzielten Leistungen weisen darauf hin, dass der Weg zu annaehernd atomarer Aufloesung von ribosomalen Strukturen weitgehend geebnet ist. Ihr Ansatz und ihre Verfahren wurden in juengster Zeit von einer wachsenden Anzahl internationaler Wissenschaftler wiederholt, die alle darum wetteifern, das Mysterium der Funktion des Ribosoms aufzuklaeren. Nach der Meinung von Yonath koennten diese neuen Erkenntnisse zu neuartigen Antibiotika fuehren, die die Bakterien auf ribosomaler Ebene angreifen. Darueber hinaus koennte das Verstehen der atomaren Struktur zu einem verbesserten Verstaendnis der normalen Proteinbiosynthese fuehren, und eines Tages Moeglichkeiten zur Bekaempfung von unkontrollierter, krankhafter Proteinproduktion, wie sie fuer Krebszellen typisch ist, eroeffnen.

    Prof. Ada Yonath ist Inhaberin des Martin-S.-Kimmel-Lehrstuhls. Das Forschungsvorhaben wurde von der Max-Planck-Gesellschaft, dem amerikanischen National Institutes of Health, dem bundestdeutschen Ministerium fuerWissenschaft und Technologie, sowie dem Kimmelman-Zentrum fuer makromolekulare Zusammensetzung am Weizmann Institut gefoerdert.


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Biologie, Ernährung / Gesundheit / Pflege, Informationstechnik, Medien- und Kommunikationswissenschaften, Medizin
    überregional
    Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     

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